User Online: 6 | Timeout: 13:56Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Klima-Paket mit versteckten Kosten
 
Cameron haut mit der Faust auf den Tisch
Zwischenüberschrift:
Deutschland zahlt für den Kompromiss beim Umweltschutz einen hohen Preis
 
Großbritannien geht es wirtschaftlich besser als erwartet – EU will 2,1 Milliarden Euro Nachzahlung
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Brüssel. Nach neun Stunden schafft der Brüsseler Gipfel einen Kompromiss in Sachen Umweltschutz. Der Preis für Deutschland ist hoch.
Noch in der Nacht ließen Umweltorganisationen ihrer Enttäuschung freien Lauf. " Klimaschutzkanzlerin a. D." titelten sie ihre Presseerklärungen und schimpften wie BUND-Chef Hubert Weiger darüber, dass die EU " das Ziel aufgegeben hat, den Klimawandel einzudämmen". Statt 40 Prozent CO 2 - Abbau bis 2030 wären 60 Prozent nötig gewesen.
Doch das war schlichtweg nicht drin, resümierte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, als er eine erste Bilanz dieses Gipfels zog. " Es war schwierig, jeden an Bord zu bekommen", sagte er.
Tatsächlich hatte sich die neue polnische Ministerpräsidentin Ewa Kopacz gleich bei ihrer Brüsseler Premiere so lange quergestellt, bis sie Zuschüsse in geschätzter Höhe von 320 Millionen Euro für den Umbau ihrer Kohle-Kraftanlagen herausgeschlagen hatte. Großbritanniens Premier David Cameron lehnte eine 30-prozentige Steigerung der Energieeffizienz ab, weil er neue drakonische Vorschriften der Brüsseler Bürokratie fürchtete.
" Ich bin sehr zufrieden mit dem Fortschritt", erklärte Kanzlerin Angela Merkel trotzdem nach dem Abschluss der Beratungen. " Ich habe mir zwar mehr gewünscht", aber der Beschluss werde " Europa zu einer entscheidenden Partei machen, wenn es um die nächsten Klimaverpflichtungen bindender Art in einem internationalen Abkommen" geht.
Im Übrigen seien die deutschen Ziele " ja weit strenger, und insofern brauchen wir uns nicht weiter aufzuregen darüber, was Brüssel uns jetzt zuteilt". Bei den erneuerbaren Energien liege die Bundesrepublik schon jetzt bei 25 Prozent, während die EU sich 27 Prozent bis 2030 vorgenommen habe. " Da werden wir definitiv mehr machen."
Der Eindruck, die Brüsseler Vereinbarungen könnten Deutschland kaltlassen, ist jedoch ein Irrtum. Denn einmal mehr hat Berlin in die Tasche gegriffen, um den Kompromiss zu bezahlen. So übertragen Deutschland und Frankreich jeweils zehn Prozent ihrer Quoten aus dem Emissionshandel an die ärmeren Länder, anstatt sie zu verkaufen.
Was das in Euro und Cent bedeutet, mochte gestern noch niemand sagen. " Es dürfte aber um etliche Millionen gehen", hieß es von Experten. Für 2014 erwartet das Umweltbundesamt allein für Deutschland Bruttoerlöse von 836 Millionen Euro. Auf der Grundlage dieser Rechnung würde Berlin ab 2020 jährlich auf 83 Millionen Euro zugunsten anderer, weniger entwickelter Familienmitglieder der EU verzichten müssen. Hinzu kommen weitere Belastungen für die Wirtschaft, die der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Markus Kerber, kritisierte: " Der Gipfelbeschluss setzt die europäischen Energiepreise im weltweiten Vergleich noch stärker unter Druck. Die Politik steht in der Pflicht, den Unternehmen keine zusätzlichen Klimaschutzlasten aufzubürden, die internationale Wettbewerber nicht zu tragen haben." Noch dramatischer könnten die Folgen für die Chemie-Branche sein, wenn eintritt, was der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der chemischen Industrie, Utz Tillmann, beschreibt. Demnach bleiben " die Lasten für den Klimaschutz auch nach 2020 ungleich verteilt".
Die erheblichen Vorleistungen gerade der deutschen Chemie, die ihre Treibhausgasemissionen seit 1990 durch Effizienzmaßnahmen und die Sanierung der ostdeutschen Chemie um die Hälfte gesenkt hat, seien nicht anerkannt worden, im Gegenteil: " Über den Emissionshandel verlangt die Politik von uns eine weitere Minderung von 22 Prozent zwischen 2020 bis 2030. Das schaffen wir nur, indem wir auf einen Ausbau der Produktion verzichten. Im schlimmsten Fall müssen wir sie sogar einschränken", warnte Tillmann.
Doch nicht nur die Betriebe stehen vor Zusatzlasten, sondern auch der Verbraucher, der das Klimaschutz-Paket am Ende bezahlt. Um rund fünf Prozent stiegen die Strompreise hierzulande in den vergangenen Jahren. Selbst die EU weiß, dass Deutschland inzwischen überdurchschnittlich hohe Stromkosten zu schultern hat. Der Trend wird weitergehen auch wenn die Kommission sich bemüht gegenzuhalten, indem sie auf die sinkenden Folgekosten hoher Schadstoffbelastung hinweist. Diese könnten bei erfolgreicher Fortsetzung des CO 2 - Abbaus angeblich um fünf bis acht Milliarden sinken, die bisher in die Behandlung von Krankheiten fließen.
Bildtext:
Gut gelaunt zeigen sich beim EU-Gipfel in Brüssel Kanlerin Angela Merkel, der scheidende EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso (links) und sein Nachfolger Jean-Claude Juncker.
Foto:
Reuters

Kommentar
Trotz allem ein akzeptabler Kompromiss

In einem Punkt sind sich Umweltverbände und die Bundesregierung einig: Die verbindlichen Ziele der Europäer beim Klimaschutz hätten deutlich ehrgeiziger sein müssen. Diese Einschätzung stimmt. Denn herausgekommen ist ein für Deutschland teurer Kompromiss, der den heftig bremsenden EU-Staaten, vor allem Großbritannien sowie Polen und anderen östlichen EU-Ländern weit entgegenkommt.

Trotzdem wäre es falsch, die Beschlüsse des EU-Gipfels kleinzureden. Immerhin haben sich die Europäer auf das verbindliche Ziel geeinigt, den Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent zu senken. Wenn ihnen diese Umsetzung tatsächlich gelingt, ist das so schlecht nicht. Und wer das Ergebnis des Klimagipfels angemessen beurteilen will, muss die weltweiten Rahmenbedingungen berücksichtigen.

Dazu gehört die weiterhin schwierige ökonomische Lage vieler EU-Mitgliedsländer. Die wirtschaftliche Konkurrenz der USA und der Schwellenländer unter Führung Chinas spielt außerdem eine große Rolle. Auch die Angst in Europa vor wirtschaftlichen Nachteilen im Wettbewerb ist nicht zu vernachlässigen. Vor diesem Hintergrund ist die Einigung von Brüssel akzeptabel.

Allerdings muss die EU aufpassen, dass es beim Klima- und Umweltschutz nicht dauerhaft zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten kommt. Nur wenn die EU hier geschlossen auftritt, wird der Weltklimagipfel 2015 in Paris erfolgreich sein können.

Brüssel. " Unmöglich. Inakzeptabel. Unerträglich" der britische Premier David Cameron schäumte vor Wut, sprang auf, ließ die verdatterten Staats- und Regierungschefs einfach sitzen. Das war am Donnerstagabend.
Eben hatte der Mann aus London erfahren, dass zu Hause unangenehme Post auf ihn wartet: ein Brief der Europäischen Kommission samt Rechnung über 2, 1 Milliarden Euro. Zahlbar bis zum 1. Dezember.
Der Grund: Die Wirtschaft der Insel habe sich seit 1995 besser entwickelt als erwartet. Denn für 2014 traut der Internationale Währungsfonds (IWF) den Briten ein Plus von 3, 2 Prozent zu. Zum Vergleich: Dem IWF zufolge zieht die US-Konjunktur um 2, 2 Prozent an, Deutschland um 1, 4 Prozent und die Euro-Zone nur um 0, 8 Prozent.
Bei einer Neuberechnung der Beiträge derzeit überweist das Vereinigte Königreich 9, 6 Milliarden Euro jährlich an die Gemeinschaft habe sich deshalb eine Nachzahlung ergeben. Ähnliche Post bekam auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, der allerdings weniger aufgebracht von einer " unangenehmen Nachricht" sprach. Seine Nachzahlung beläuft sich auf 600 Millionen Euro. Dagegen soll Deutschland 779 Millionen Euro an Beiträgen erstattet bekommen, Frankreich sogar eine Milliarde.
Noch am Freitag wollte der Wut-Bürger Cameron sich nicht beruhigen. " Wir sind seit Jahren Mitglieder dieser Gemeinschaft. Und jetzt haut man uns eine Rechnung hin, die innerhalb von vier Wochen bezahlt werden soll. Niemals", rief er vor den Journalisten aus und schlug mit der Faust auf das Podium.
Der EU-Gipfel hatte seinen Eklat. Zwar räumten Vertreter der Brüsseler Behörde dort ist Haushaltskommissar Jacek Dominik übergangsweise für die Verwaltung der Mitgliedsbeiträge zuständig am Freitag ein, dass die Milliardenforderung angesichts der innenpolitischen Lage Großbritanniens, wo in drei Jahren über den Verbleib in der EU abgestimmt werden soll, " etwas ungünstig" gewesen sein könne. Allerdings handele es sich um eine " gängige und automatische Anpassung". Mit anderen Worten: Da kann man nichts machen.
Während Cameron nun ein Sondertreffen der EU-Finanzminister verlangt, um " den Vorgang gründlich zu besprechen und dafür zu sorgen, dass die Rechnung vom Tisch kommt", zeigten sich Vertreter des Europäischen Parlamentes " entsetzt" über das Auftreten des Premiers. " Pizza bestellen und dann nicht bezahlen wollen geht nicht", erklärte beispielsweise der Haushaltsexperte der sozialdemokratischen Fraktion, Jens Geier (SPD). Die EU lebt zu etwa 70 Prozent von den Beiträgen der Mitgliedstaaten, die sich aus dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt (etwa ein Prozent) errechnen. Je nach Wirtschaftsentwicklung können die Zahlungen deshalb schwanken nach unten und eben auch nach oben.
Dabei war der Brite nicht der Einzige, dessen Ausbruch von sich reden machte. Denn in den Tagen vor dem Gipfel hatte die EU-Kommission mehrere blaue Briefe zu den Haushaltsdaten verschickt. Keineswegs unerwartet war einer auch an Matteo Renzi, den italienischen Premier und derzeitigen Ratspräsidenten, gegangen.
Das sorgte für den zweiten Wutanfall auf diesem Gipfel. Renzi ließ sich in Brüssel zu der Äußerung hinreißen, er werde " jetzt mal die Kosten für die europäischen Paläste" auflisten. Am Freitagmittag aber hatte er sich wieder beruhigt und stellte klar, sein Verhältnis zur EU-Kommission sei " herzlich und kon struk tiv". Man werde die angesprochenen Fragen " gelassen miteinander lösen".
Bildtext:
Geladen: Premierminister David Cameron.
Foto:
dpa

Kommentar
Brief aus Brüssel

Kein Mensch zahlt gerne Rechnungen. Zumal, wenn er nicht einsieht, warum. Und so ist es jetzt auch Londons Premierminister David Cameron ergangen.

Immerhin mehr als zwei Milliarden Euro soll Großbritannien auf einmal an die EU in Brüssel überweisen, weil es der britischen Volkswirtschaft besser geht als erwartet Zahlungstermin: 1. Dezember.

Eine ähnliche Rechnung ging aus demselben Grund nach Den Haag: Die Niederlande werden von den Brüsseler Kollegen gebeten, 600 Millionen Euro zu überweisen. Aber während Cameron mit der Faust auf den Tisch haute, blieb sein Kollege Mark Rutte ruhiger und sprach lediglich von einer " unangenehmen Nachricht".

Die geforderte Nachzahlung ist für die britischen Gegner der Union natürlich Wasser auf ihre Mühlen. Sie werden diesen Brief aus Brüssel für eine Mobilmachung der Anti-EU-Fraktion auf der Insel ausschlachten und weiter Stimmung machen.

Das ist schlecht: Denn wenn Großbritannien, trotz aller Eigenheiten, Empfindlichkeiten und Extratouren der letzten Jahrzehnte, in Brüssel nicht mehr mitspielt, wird die Gemeinschaft weltweit an Bedeutung verlieren.

Kommt dann das Bündnis Großbritannien/ USA? Immerhin agieren London und Washington auf vielen Gebieten wie der humanitären Politik oder auch militärischen Aktionen schon seit Jahrzehnten eng zusammen.
Autor:
Detlef Drewes, Christof Haverkamp, dpa, Gerhard Placke


Anfang der Liste Ende der Liste