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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Vor dem Verschrotten noch einmal aufsteigen
 
Der Doppeldecker und der Fotograf
Zwischenüberschrift:
Wie ein Doppeldecker aus dem Ersten Weltkrieg den Osnabrückern die Köpfe verdrehte
 
Rudolf Lichtenberg durfte mitfliegen, bevor die DFW-C V verschrottet wurde
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Dieses Flugzeug durfte es eigentlich gar nicht geben: Mit einem Doppeldecker aus dem Ersten Weltkrieg verdrehte der Pilot Max Schüler den Osnabrückern 1920 die Köpfe. Ein Jahr später musste die Maschine verschrottet werden weil der Versailler Vertrag es so wollte.

Als der Erste Weltkrieg 1918 zu Ende ging, flogen viele Piloten einfach mit ihren Maschinen von der Front zurück in die Heimat. So brachte der Osnabrücker Karl Ringler einen Doppeldecker vom Typ DFW-C V mit und stationierte ihn auf der Netter Heide, Osnabrücks damaligem Flugplatz in Haste. Hinter der Typenbezeichnung verbirgt sich ein Zweisitzer von der Deutschen Flugzeug-Werft aus Berlin mit 180-PS-Motor, 13, 30 Meter Flügelspannweite und einem Maschinengewehr an Bord.

Die Waffe wurde abmontiert und der Doppeldecker für Rundflüge genutzt. Solange es Benzin gab, fanden sich ehemalige Kriegspiloten aus Osnabrück gerne dazu bereit. Nach dem Versailler Vertrag musste das Flugzeug den Alliierten ausgehändigt oder zerstört werden. Die Abrüstungskommission wusste offenbar von der Existenz der Maschine, aber sie ließ sich Zeit.

" Ein Herrenmensch"

In dieser Phase allgemeiner Ungewissheit tauchte 1920 der Jagdflieger Max Schüler in Osnabrück auf, ein bunter Vogel, wenn man den Schilderungen damaliger Zeitgenossen folgt. Er hatte schon mit diversen Rekordflügen auf sich aufmerksam gemacht, war " technisch sehr begabt", wie der Hagener Luftfahrthistoriker Martin Frauenheim sagt, und zudem äußerst geschäftstüchtig. Zu seinen weniger angenehmen Eigenschaften gehörte allerdings, dass er sehr von sich überzeugt war und andere oft vor den Kopf stieß. Frauenheim bringt es mit zwei Worten auf den Punkt: " Ein Herrenmensch."

Ohne irgendwen zu fragen, nahm Schüler den zur Verschrottung bestimmten Doppeldecker in Besitz, reklamierte auch den Hangar für sich und befestigte an dessen Außenwand den weithin sichtbaren Schriftzug " Max Schüler Luftreederei". Mit seiner einnehmenden Art brachte er zwar die anderen Jagdflieger aus Osnabrück gegen sich auf, aber letztlich hinderte ihn niemand an seiner nassforschen Okkupation.

Den Doppeldecker nutzte der Draufgänger für Flüge mit bis zu vier Passagieren, und wenn er Ersatzteile brauchte, bediente er sich an zwei anderen Flugzeugen, die ebenfalls nach dem Krieg in Osnabrück gelandet waren. Auf Dauer konnte dieses Spiel natürlich nicht gut gehen. Die Entente-Kommission ordnete schließlich die Zerstörung der DFW-C V für den 11. August 1921 an, " dieses harmlosen Vogels", wie das " Osnabrücker Tageblatt" damals schrieb.

Noch einmal, so hat es der Chronist Hanns-Gerd Rabe festgehalten, versammelten sich viele Schaulustige auf der Netter Heide, Schüler startete zu weiteren Rundflügen, und auch der Osnabrücker Fotograf Rudolf Lichtenberg bestieg die Maschine. Eine Serie von Luftaufnahmen, die bei dieser Gelegenheit entstanden ist, befindet sich im Museum Industriekultur.

Die anderen Kriegsflieger aus Osnabrück verfolgten das Geschehen mit der Faust in der Tasche. Offenbar bestand der Plan, das Flugzeug entweder selber zu verbrennen oder nachts zu entführen angeblich ins Große Moor, wo der große Vogel in einer Scheune versteckt werden sollte.

Dazu kam es allerdings nicht. Einen Tag später als geplant traf die mit Franzosen besetzte Enquete-Kommission doch noch in Osnabrück ein. Unter ihrer Aufsicht wurde der Doppeldecker kurz und klein geschlagen. Anschließend soll es in der Flughalle zu einem wüsten Trinkgelage gekommen sein, bei dem sich Max Schüler wohl die letzten Sympathien verscherzte, wie Hanns-Gerd Rabe notiert hat.

Komplette Fabrik gesucht
Die " Luftreederei" an der Netter Heide verlegte sich auf bodennahe Aktivitäten. Max Schüler konstruierte ein vollverkleidetes " Tropfen-Motorrad" und fand auch Geldgeber, die ihn dabei unterstützten. In Zeitungsinseraten suchte der Meister der Inszenierung 1923 mal " mehrere erfahrene Meister für Motorrad-Serienbau", mal ein ganzes Team von Stenotypistinnen, dazu eine " vollständig eingerichtete, größere Fabrik für Metall- und Holzbearbeitung".

Ein paar Vorserienmaschinen in Tropfenform wurden tatsächlich in Osnabrück gesichtet. Sie sollen sogar einen guten Eindruck hinterlassen haben abgesehen davon, dass der Blechmantel etwas klapperte, wie Hanns-Gerd Rabe mit mildem Spott festhielt. Martin Frauenheim verwahrt eine ganzseitige Zeitungsseite, auf der Schüler für seine Konstruktion warb mit drei Motorvarianten von zweieinhalb bis sechseinhalb PS. Zur Serienfertigung kam es dann allerdings doch nicht. Der Tausendsassa strebte wieder in die Lüfte und kündigte den Bau von Sportflugzeugen an. Mit dem ersten Exemplar legte er jedoch eine Bruchlandung hin, bei der er unverletzt blieb. Im Sommer 1924 kehrte Max Schüler Osnabrück den Rücken. Er blieb bei der Fliegerei auch als Einflieger für Görings Luftflotte im Zweiten Weltkrieg. 1978 starb Schüler mit 90 Jahren in Bad Homburg.

Mit dem Flugplatz Netter Heide ging es ab 1925 aufwärts. Regelmäßig startete die viersitzige Focke-Wulf " Möwe", später kamen größere Linienmaschinen dazu, auch vom Vorläufer der heutigen Lufthansa. 1934 übernahm die Wehrmacht das Areal, um die Winkelhausen-Kaserne zu bauen. Das war das Ende für den Flugbetrieb.

Die Flughalle von 1914 steht immer noch und dient als Baustofflager für die Firma Clausing. Mit ihrer Betonkonstruktion gilt sie als ältester Hangar der Welt. Und erinnert heute noch an die turbulenten Zeiten der tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten.

Die ungewöhnliche Geschichte der DFW-C V in Osnabrück: Mehr Informationen und mehr Fotos im Internet unter www.noz.de
Bildtexte:
Ein Meister der Inszenierung: Pilot Max Schüler oben links auf dem Kriegsdoppeldecker DFW-C V, der kurze Zeit später verschrottet werden musste.
An den Tausendsassa Max Schüler erinnert diese Zeitungsanzeige von 1924, die der Luftfahrthistoriker Martin Frauenheim aufbewahrt.
Die älteste Flugzeughalle der Welt, fotografiert im August 1921 von Rudolf Lichtenberg beim Rundflug mit dem Doppeldecker DFW-C V. Diagonal im Bild der Fürstenauer Weg.
Technisch begabt und dabei sehr geschäftstüchtig: Pilot Max Schüler machte sich in Osnabrück schnell unbeliebt.
Fotos:
Sammlung Martin Frauenheim

Osnabrück. Rudolf Lichtenberg war immer dabei, wenn sich eine gute Gelegenheit zum Fotografieren bot. Kurz bevor der Doppeldecker DFW-C V auf der Netter Heide verschrottet wurde, durfte er mit dem Piloten Max Schüler in den Osnabrücker Himmel aufsteigen und die Stadt von oben ablichten .
Eine vergilbte Mappe mit einzigartigen Luftbildern zeugt von dem Rundflug mit dem Kriegsdoppeldecker. Sie wurde dem Museum Indu striekultur von Eduard Hebestreit vermacht, dem letzten Vorstand der Osnabrücker Aktien-Bierbrauerei auf dem Westerberg.
Hebestreits Vater hatte nach dem Ersten Weltkrieg die Aufgabe, das übrig gebliebene Kriegsmaterial für die Alliierten zu verwalten. Dazu gehörte auch das Flugzeug auf der Netter Heide. Weil Hebestreit senior ein Auge zudrückte und Lichtenberg kurz vor der Zerstörung des Doppeldeckers den Mitflug erlaubte, revanchierte der sich wohl mit der Fotomappe.
Zehn " frische" Luftaufnahmen stellte der Fotograf für Hebestreit zusammen, Bilder vom Hauptbahnhof, dem gerade erst fertiggestellten Stichkanal und dem Stahlwerk Georgsmarienhütte. Ein Foto zeigt den Flugplatz Netter Heide von oben, auf einem anderen sind Kumuluswolken zu erkennen.
Lichtenberg fügte noch fünf Luftbilder hinzu, die er schon vor dem Ersten Weltkrieg aufgenommen hatte. 1912 hatte er Gelegenheit gehabt, die Stadt von oben aus dem Luftschiff Viktoria Luise zu fotografieren.
Bildtexte:
Der Osnabrücker Hauptbahnhof aus der Vogelperspektive. Rudolf Lichtenberg nahm das Foto 1921 bei einem Rundflug mit Max Schüler auf.
Eine vergilbte Mappe mit Fotos von Rudolf Lichtenberg zeugt vom Rundflug mit dem Doppeldecker.
Fotos:
Museum Industriekultur, Jörn Martens
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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