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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Über eine verlorene Kindheit und Jugend
Zwischenüberschrift:
Zeitzeuge Heinz Aulfes berichtet im EMA-Gymnasium über seine Erlebnisse im Nationalsozialismus
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Seine erste Begegnung mit Nazis hatte Heinz Aulfes, Jahrgang 1927, bereits mit etwa dreieinhalb Jahren. Als es in einer Gruppe von jungen Leuten, die im August 1930 am Kränzen waren, zum Streit mit dem Nazi Peter Schmidt kam, trat Wilhelm Kropp, ein bekannter Sozialdemokrat dazwischen, um zu schlichten. Der Nazi stach mit dem Messer auf ihn ein, und Kropp verblutete.
Schmidt wurde im Spritzenhaus der Feuerwehr festgesetzt, das bald von einer wütenden Menge umlagert wurde. Aulfes sieht heute noch die vor Angst weit aufgerissene Augen in dem aufgedunsenen, kreidebleichen Gesicht des Mörders, der befürchtete, man werde ihn auf der Stelle lynchen. (Er wurde übrigens schon nach gut zwei Jahren aus dem Gefängnis entlassen.)
Jetzt war Aulfes zu Gast im Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium (EMA) und sprach vor dem Abiturjahrgang über seine " verlorene Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus". Der aus Bramsche stammende Aulfes war zwischen 1941 und 1944 selbst Schüler des EMA, damals noch " Staatliche Oberschule für Jungen". Nun las er aus seinem Buch " Ihr seid die beste Jugend des tüchtigsten Volkes" und erzählte aus seiner Zeit in den nationalsozialistischen Jugendorganisationen Pimpfe, Jungvolk und Hitler-Jugend (HJ).
Damals habe man in Superlativen geschwelgt, " die größte Zeit des deutschen Volkes", " die tapfersten Soldaten", " die heldenhaftesten Schlachten und die glorreichsten Siege", der " größte Feldherr aller Zeiten" und so weiter. Sein Vater, ein Sozialdemokrat, habe gegengehalten und ihm geraten, sich " anzupassen, aber ohne Schaden an der Seele zu nehmen".
Natürlich habe sich die Mehrheit der Jugendlichen von den Sprüchen der Nazis einwickeln lassen, und natürlich hätten diese das Interesse der Jungen an Technik schamlos ausgenutzt, indem sie die Jungs schon früh mit Kriegsgerät hätten herumspielen lassen, und beim sogenannten " HJ-Dienst" sei man draußen gewesen mit Geländespielen, Marschieren, Singen.
Über die Lehrer der damaligen Zeit berichtete Aulfes, dass ungefähr ein halbes Dutzend Demokraten wohl so unpolitisch gewesen sei, wie es irgend ging, ein Dutzend seien bekennende Nationalsozialisten gewesen und wohl die Mehrheit Parteimitglieder. Der Schulleiter Dr. Heinze und ein anderer Lehrer, der sich noch " Professor Doktor" nennen durfte, waren überzeugte Nazis. Aulfes′ Respekt vor den Titeln und der wissenschaftlichen Autorität der beiden schmolz dahin, als sie den " Rassenquatsch" vertraten und im Unterricht in Geschichte und Biologie die wissenschaftlichen Befunde nach Maßgabe der Rassenideologie der Nazis umdeuteten. Das hätten die Jungs schnell durchschaut.
1944 war dann die Schulzeit Knall auf Fall zu Ende, Aulfes musste Flakhelfer werden, auch in einer Flakstellung am Sonnenhügel, dann zum Arbeitsdienst (" nichts anders als militärischer Drill"), und im Januar 1945, da war er noch 17 Jahre alt, wurde er zur Armee von General Wenk eingezogen und musste an die Front.
In der anschließenden Diskussion fragten die Schülerinnen und Schüler, was er über die Verfolgung von Juden wisse (in Bramsche gab es nur zwei jüdische Familien und keine Synagoge – " wenn das anders gewesen wäre, wäre es ganz furchtbar geworden!") und über Konzen trationslager gewusst habe (" Dass es die gab, wusste jeder, immerhin hatte Göring das sogar in einer Rundfunkrede spöttisch erwähnt").
Ob man sich getroffen habe, ob Schriftstücke oder Flugblätter verteilt wurden? " Das war lebensgefährlich; das Schicksal der Geschwister Scholl war bekannt geworden. Einzige Informationsquelle war die BBC, das Radio der Engländer." Wie er es denn ausgehalten habe als Kind sozialdemokratischer Eltern unter so vielen Nazis und deren Mitläufern? Manche Lieder habe er nicht mitgesungen, er habe versucht, sich herauszuhalten, und er habe eben gelernt, sich zu verstecken, sich anzupassen, aber ohne Schaden an der Seele zu nehmen.
Der Autor Helmut Brammer-Willenbrock ist am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Lehrer für Geschichte, Politik und Latein.
Bildtext:
Ein Zeitzeuge besucht seine alte Schule: EMA-Schulleiter Hartmut Bruns mit Heinz Aulfes und seinem Verleger Dr. Wolfgang Hesse (von links).
Foto:
Sebastian Lücking
Autor:
Helmut Brammer-Willenbrock


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