User Online: 1 | Timeout: 03:03Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Neumarkt-Knochen im Labor
 
Wenn Zähne Geschichte(n) erzählen
Zwischenüberschrift:
In der Stadt- und Kreisarchäologie wird der Knochenfund vom Neumarkt untersucht
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Die menschlichen Knochen, die vor vier Wochen in der Neumarkt-Baustelle entdeckt wurden, werden zurzeit von Archäologen untersucht. Die Knochen sind mehrere Hundert Jahre alt. Im Boden des Neumarkts sollen die sterblichen Überreste von 40 Menschen geruht haben.

Osnabrück. Vor rund vier Wochen sind Bauarbeiter in der Neumarkt-Baustelle auf menschliche Knochen gestoßen. Die Polizei rückte an. Dass es sich um Opfer eines neuzeitlichen Verbrechens handelt, konnte aber schnell ausgeschlossen werden: Die Knochen sind offenbar mehrere Hundert Jahre alt. Mittlerweile steht auch fest, dass direkt neben dem Landgericht im Boden des Neumarkts die sterblichen Überreste von mindestens 40 Menschen lagen. Sie werden in der Stadt- und Kreisarchäologie untersucht.

Zwei fast komplette Skelette konnte die Anthropologin Dorothee Suray, die gerade in einem mehrmonatigen Projekt für die Stadt- und Kreisarchäologie arbeitet, zusammenpuzzeln. Von den meisten Menschen wurde jedoch nur eine Handvoll Knochen gefunden.

Über eines der fast vollständigen Skelette vom Neumarkt (die Füße fehlen) weiß Suray nach genauerer Untersuchung mehr: Der Mann war über 50 Jahre alt, zierlich und musste nicht körperlich hart arbeiten darauf weisen seine Gelenke hin. Er könnte allerdings Rückenprobleme gehabt haben. Außerdem hat der Unbekannte wohl viel Fleisch gegessen. Darauf weisen Zahnablagerungen im gut erhaltenen Gebiss hin. Über seine Todesursache kann die Anthropologin dagegen nichts sagen auf tödliche Verletzungen ist sie zumindest nicht gestoßen.

Dass die sterblichen Überreste alt sein müssen, schließt Suray zum Beispiel aus der Beschaffenheit der Zähne. Die seien viel stärker beansprucht als neuzeitliche Kauwerkzeuge. Denn früher mussten die Menschen Mehl aus Steinmühlen und damit auch immer eine gewisse Portion Steinmehl kauen.

Es ist erstaunlich, dass bei den vorherigen Durchwühlungen überhaupt noch etwas in diesem Zustand da war″, sagt Archäologe Axel Friederichs mit Blick auf das weitgehend erhaltene Skelett. Beim Trocknen und Säubern der Fundstücke hatte Dorothee Suray bereits grob geschaut, welcher Knochen wohin passen könnte. Bis sie ein komplettes Skelett aus gesäuberten Knochen zusammengelegt hat, dauere es nur etwa eine halbe Stunde, sagt die 33-Jährige. Dass Knochen von unterschiedlichen Menschen stammen, kann sie daran erkennen, dass die Ausprägung einzelner Merkmale bei Männern und Frauen, jungen und alten Menschen unterschiedlich ist. An einem Becken kann man das Geschlecht sehr gut bestimmen″, sagt Suray.

Ist hingegen nur ein einzelner Oberschenkelknochen da, geht das schlecht. Sicher zugeordnet hat Suray daher nur neun Kinder. Außerdem ist sie sicher, dass Männer und Frauen am Neumarkt gemeinsam begraben lagen. Weitere Einordnungen wären reine Spekulation.

Auch die Frage, wann genau diese Menschen gelebt haben und wann sie gestorben sind, lässt sich nur un gefähr beantworten. Am Standort des heutigen Landgerichtes befand sich über mehrere Jahrhunderte ein Augustinerkloster mit Kirche und vermutlich auch mit einem Friedhof. Der Standort wurde unterschiedlich genutzt. Im Jahr 1544 verließen die vier letzten Augustinermönche das Kloster, weiß der Archäologe Axel Friederichs. Danach wurde die Kirche als evangelische Pfarrkirche der Neustadt genutzt. Nicht unwahrscheinlich ist, dass seit diesem Zeitpunkt nicht (mehr) nur Mönche, sondern auch normale Osnabrücker Bürger in einem umfriedeten Bereich beerdigt wurden.

Spätestens 1751 wurde dieser Friedhof vermutlich nicht mehr genutzt. Die Kirche wurde abgerissen und an ihrer Stelle ein Zuchthaus gebaut, das rund 125 Jahre später durch das heutige Landgerichtsgebäude ersetzt wurde. Da auch Frauen- und Kinderknochen gefunden worden sind, ist also davon auszugehen, dass die sterblichen Überreste in der Zeit von 1544 bis 1751 dort abgelegt wurden, also nach der Schließung des Klosters.

Ein genaueres Ergebnis könnte eine Radiokarbon datierung bringen, auch C14-Methode genannt. Sie wird beim Neumarkt-Fund aber nicht eingesetzt zu teuer. Mangels Beifunden hätte möglicherweise noch die Handhaltung der gefundenen Skelette Aufschluss geben können zu unterschiedlichen Zeiten wurden die Hände der Toten unterschiedlich gefaltet, sagt Friederichs. Da das Gebiet aber bereits stark durchwühlt war, sei auch das nicht mehr möglich gewesen.

Seit der Bergung vor vier Wochen habe es keine weiteren Knochen-Funde auf der Baustelle gegeben. Der Archäologe hält es aber für möglich, dass unter den Bussteigen noch weiteres Material gefunden wird. Die nächste geplante Grabung werden die Wissenschaftler durchführen, wenn das Einkaufszentrum gebaut wird.
Bildtexte:
Anhand der Zähne lässt sich viel über ein Skelett herausfinden zum Beispiel, dass der Tote zu Lebzeiten viel Fleisch gegessen hat.
Ein fast vollständiges Skelett konnte Anthropologin Dorothee Suray ordnen.
Dorothee Suray und Axel Friederichs von der Osnabrücker Stadt- und Kreisarchäologie befassen sich wissenschaftlich mit dem Knochenfund am Neumarkt.
Fotos:
Elvira Parton
Autor:
Stefanie Witte


Anfang der Liste Ende der Liste