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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Diskussion um Flüchtlingshaus
 
Atmosphäre geprägt von Dankbarkeit
 
Bürger wünschen schnellen Draht zur Diakonie
Zwischenüberschrift:
Die Leiterin des Flüchtlingshauses über Asylsuchende und Bedenken der Bürger
 
Anliegergespräch zum Flüchtlingshaus
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Im Gespräch mit den Bürgervereinen und Anliegern über das Flüchtlingshaus im ehemaligen Bundeswehrkrankenhaus am Natruper Holz wurde die in Osnabrück gelebte Solidarität einmal mehr deutlich. Kritik wurde nur verhalten laut.

Osnabrück. Annekatrin Schröder leitet die Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Osnabrück. Dort leben derzeit 279 Menschen. In den kommenden Monaten sollen am Natruper Holz 600 Plätze entstehen. Im Interview spricht die 47-jährige Theologin und Sozialpädagogin über ihre Arbeit.
Frau Schröder, Sie sind seit einem Monat Leiterin des Flüchtlingshauses. Wie empfinden Sie die Atmosphäre?
Weiterhin sehr freundlich und angenehm, den Menschen zugewandt. Wir wollen, dass die Menschen hier für eine gewisse Zeit ankommen können. Sie kommen aus Bramsche-Hesepe zu uns. Einige haben dort mit kleinen Kindern in dem Zelt geschlafen und haben nun ein richtiges Dach über dem Kopf. Die Atmosphäre vonseiten der Gäste ist von Dankbarkeit geprägt, auf unserer Seite von Demut.
Aus welchen Ländern kommen Ihre Gäste?
Auskunft darüber erteilt nur das Land. (Anmerkung der Redaktion: Zurzeit stammen fast alle Bewohner vom Balkan.) Das ist für mich aber auch unerheblich. Wer mit kleinen Kindern solche Strapazen auf sich nimmt, der hat Gründe dafür. Viele Menschen haben mir von Willkür, Folter und Misshandlungen erzählt.
Erleben Sie Auseinandersetzungen von Angehörigen unterschiedlicher Kulturen?
Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die Jugendlichen, die aus nicht gerade befreundeten Ländern kommen, spielen zusammen Karten. Mütter beschäftigen sich gemeinsam mit den Kindern und essen zusammen.
Wie steht es um die Gesundheit Ihrer Bewohner?
Zwei Grippewellen haben wir hinter uns. Dazu kommen kleinere Unfälle und Verletzungen, die meist vom medizinischen Dienst in seiner 24-Stunden-Besetzung behandelt werden können. Die medizinische Erstuntersuchung findet wie alle anderen hoheitlichen Aufgaben in Bramsche-Hesepe statt.
Erleben Sie viele psychische Probleme aufgrund traumatischer Erfahrungen in der Heimat?
Das sind bisher nur wenige Fälle wie etwa die junge Frau, die in ihrer Heimat vergewaltigt wurde. Wir holen dann über die psychologische Beratungsstelle therapeutische Hilfe ein. Speziell die Frauen reißen sich zusammen, um ihre Kinder nicht zu belasten. So auch eine Frau, die erlebt hat, wie ihr Bruder erschossen wurde.
Wer zahlt die ärztliche Versorgung?
Die Flüchtlinge sind über das Land versichert. In einer Erstaufnahmeeinrichtung wie unserer geht es nur um die Akutversorgung. Für die langfristige medizinische Versorgung empfehlen wir ihnen, sich in der Kommune, der sie zugewiesen werden, einen Hausarzt und einen Zahnarzt zu suchen.
Wie lange bleiben Ihre Gäste?
Im Durchschnitt drei Wochen, das heißt, darunter sind auch Menschen, die sechs Wochen oder nur ein paar Tage bleiben. Diese haben bei ihrer Ankunft schon den Zuweisungsbescheid für ihren künftigen Wohnort. Wir haben zum Beispiel in dieser Woche einen Wechsel von fast 50 Prozent. Wenn wir erst mal mit 600 Plätzen voll belegt sind, wird das ein erheblicher logistischer Aufwand.
Derzeit leben im Osnabrücker Flüchtlingshaus fast ausschließlich Familien. Wie steht es um die Betreuung und Bildung?
Leider gibt es immer noch keine Beschulung für die Kinder ab sechs Jahren. Den Grund für die Verzögerung kenne ich nicht. Platz ist da, weil die Akademie des Klinikums gerade ausgezogen ist.
Es gibt eine Betreuung montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr für die Drei- bis Sechsjährigen und von 14 bis 16.30 für die Sechs- bis Zwölfjährigen. Für die Jugendlichen ab zwölf Jahren haben wir leider zurzeit kein Angebot aber das Problem kriegen wir auch zeitnah gelöst. Samstags findet ein Fußballtraining statt. Ehrenamtliche Mitarbeiter bieten Sprachkurse an, bei denen sogar ganz kleine Kinder, die kaum ihre Muttersprache sprechen, ganz still und aufmerksam dabei sind. Insgesamt werden wir im Haus von rund 40 Ehrenamtlichen unterstützt.
Wie gehen Sie mit Flugblättern um, in denen die NDP Ihre Gäste ver unglimpft und versucht, die Anlieger aufzustacheln?
Darauf zu reagieren ist Angelegenheit der Pressestelle des Diakonischen Werkes. Ich selbst nehme die Ängste von Anliegern sehr ernst und bin jederzeit gesprächsbereit. Am Telefon nehme ich mir Zeit für die Bürger. Oft geht es aber gar nicht um Beschwerden, sondern darum, im Gespräch zu bleiben. Es haben sich auch Anwohner gemeldet, die zugaben, anfangs sehr skeptisch gewesen zu sein, und jetzt angenehm überrascht sind, weil alles so ruhig abläuft.
Wenn Sie sich unabhängig von finanziellen Einschränkungen etwas für das Flüchtlingshaus wünschen könnten, was wäre das?
Ein Spielplatz! Den brauchen wir jetzt unbedingt. Fast die Hälfte der Be wohner sind Kinder, eine Familie hat sogar neun Kinder, und das zehnte ist unterwegs. Jetzt, wo das Wetter schöner wird, sollen sich die Kinder draußen beschäftigen können. Wenn es den Kindern gut geht, dann fühlen sich auch die Eltern wohl. Der Wunsch ist realistisch. Ein Teil der Spenden, die bei uns eingegangen sind, soll für die Ausgestaltung des Spiel platzes verwendet werden. Für einen unerfüllbaren Wunsch bin ich viel zu pragmatisch.
Bildtext:
Fast ausschließlich Familien leben im Osnabrücker Flüchtlingshaus. Ihre Gäste seien sehr dankbar für die Aufnahme, erzählt die Leiterin Annekatrin Schröder.
Foto:
Jörn Martens

Osnabrück. " In Osnabrück wird Willkommenskultur gelebt", stellte Bernd-Michael Lemmel, im niedersächsischen Innenministerium zuständig für Flüchtlinge, zum Abschluss der Diskussion fest. Auch im Gespräch mit den Bürgervereinen und Anliegern über das Flüchtlingshaus wurde die gelebte Solidarität einmal mehr deutlich.
Die Diakonie als Betreiber des Flüchtlingshauses am Natruper Holz hatte gemeinsam mit den Bürgervereinen Eversburg und Nord-West, der Stadt und dem Land Niedersachsen zu einem Informationsabend in der Markuskirche der Nordwestgemeinde eingeladen. Rund 50 Bürger nutzten die Gelegenheit, sich aus erster Hand zu informieren. Kritik wurde nur verhalten laut: Einige wünschen einen direkteren Draht zum Träger, ein Bürger gab zu bedenken, dass im Stadtteil Eversburg rund die Hälfte aller Flüchtlinge von Osnabrück wohnen.
" Wir suchen händeringend Wohnungen", sagte dazu die städtische Integrationsbeauftragte Seda Rass-Turgut. 750 Flüchtlinge lebten derzeit in Osnabrück. In diesem Jahr kämen weitere 350 hinzu. Ab 2016, wenn die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes auf 600 Plätze angewachsen sei, werde die Stadt von ihrer Aufnahmepflicht entbunden. Für alle, die dauerhaft bleiben, müssten Wohnungen gefunden werden.
Einen Blick in die Zukunft warf auch der Mitarbeiter des Innenministeriums. Das Osnabrücker Flüchtlingshaus, derzeit eine Außenstelle der Einrichtung in Bramsche-Hesepe, werde mit dem Ausbau selbstständiger werden und einen Vertreter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bekommen, der für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig sei. Der dafür notwendige Platz sei in der inzwischen ausgezogenen Hebammenschule des Klinikums vorhanden.
Thomas Haarmann, Vorsitzender des Bürgervereins Nord-West, und Ulla Groskurt, Vorsitzende des Bürgervereins Eversburg, boten sich den Anliegern als direkte Gesprächspartner bei möglichen Konflikten an. Haarmann nannt die Erstaufnahme von Flüchtlingen " ein Gebot der Nächstenliebe". Groskurt machte sich für einen " offenen, unkomplizierten Umgang" mit den Flüchtlingen stark: Wenn es Beschwerde gebe, weil junge Flüchtlinge mit Bierdosen kicken, " dann brauchen die Jungs eben einen Ball".
Die Vertreter der Diakonie hoben noch einmal das herausragende ehrenamtliche Engagement der Mitarbeiter und der Bürger Osnabrücks hervor. Gerhard Töller, Geschäftsführer des Diakoniewerkes, nahm die Anregung aus der Bürgerschaft auf, ein Flugblatt mit wichtigen Kontaktadressen herauszugeben.
" Wir wollen Transparenz leben", versicherte auch Annekatrin Schröder, Leiterin des Hauses. Allerdings könne das Haus nicht jedermann offen stehen, um den Flüchtlingen nach ihren zum Teil traumatischen Erlebnissen Schutz zu bieten. Unter dem Beifall der Zuhörer rief sie alle dazu auf, " manchmal ein Auge zuzudrücken, wenn es nicht ganz so nach deutschen Regeln geht".
Bildtext:
Unter der Moderation von Burkhard Teschner (von links) diskutierten Thomas Haarmann, Ulla Groskurt, Gerhard Töller, Annekatrin Schröder, Hinrich Haake, Seda Rass-Turgut und Bernd-Michael Lemmel.
Foto:
Hermann Pentermann
Autor:
Ulrike Schmidt


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