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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
81-Jähriger erinnert sich an Blindgänger
 
Der Mann mit dem Bombengedächtnis
 
Viel Lob für Helfer in sozialen Netzen
Zwischenüberschrift:
81-Jähriger erinnert sich an Mulde mit Blindgänger – Vor zehn Jahren meldete er schon einen Sprengkörper
 
Der Sprengmeister entscheidet
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Einem 81-jährigen Rentner aus Osnabrück ist es zu verdanken, dass der Blindgänger am Natruper Holz am Donnerstag gefunden und entschärft werden konnte. Zeitzeuge Harald Boschke meldete das Bombenversteck dem Ordnungsamt. Das entschied, die britische Fliegerbombe noch am selben Tag zu entschärfen. Es war nicht das erste Mal, dass Boschke die Stadt zu einem Blindgänger führte: Vor rund zehn Jahren war er der Auslöser für eine Entschärfung im Stadtteil Hafen. An das Bombenversteck im Natruper Holz erinnerte sich der Osnabrücker durch einen Zufall.
Die Stadt setzt auf das Gedächtnis von Zeitzeugen. Sie ruft ältere Menschen auf, ihre Erinnerungen zu teilen. Die Hinweise seien wichtige Ansatzpunkte für die Bombensuche durch Sondierungstrupps.

Osnabrück. Die Bombenentschärfung in Osnabrück ging glatt. Dass der Blindgänger gefunden wurde, ist einem 81-jährigen Rentner zu verdanken, dem Zufall und einem Freund fürs Leben. Für die Stadt ist der Fall ein Anlass, Zeitzeugen aufzurufen, sich zu melden.

Harald Boschke war zur richtigen Zeit am richtigen Ort einkaufen. Sonst wäre der Blindgänger am Natruper Holz nicht gefunden und nicht entschärft worden. Das mag komisch klingen, aber so ist es. Wäre Harald Boschke am Mittwoch nicht einkaufen gegangen, hätte er den Bomben-Sondierungstrupp in der Nachbarschaft nicht gesehen. Und es hätte nicht " klick gemacht", wie er sagt. " Da war mir auf einmal klar, dass ich denen was sagen muss über die Bombe."

Mulde im Wald

Harald Boschke ist 81 Jahre alt, seit Jahr und Tag Osnabrücker, hat den Krieg als Kind erlebt und ist aufgewachsen in Eversburg, zusammen mit seinem besten Freund. Da wurde nach 1945 im Wald des Natruper Holzes verstecken gespielt. " Und wir alle wussten: Es gibt diese Mulde", sagt Boschke.

Das Ordnungsamt untersuchte nach Hinweis des Rentners am Donnerstagmorgen die Mulde erst mit Sonden, dann mit Spaten und wurde fündig: Eine britische Fünf-Zentner-Bombe entdeckte man, nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche. Schnell war klar: Sie soll noch am selben Tag entschärft werden. Zu groß wäre die Gefahr gewesen, den Blindgänger nach der Berührung dort liegen zu lassen. Ein chemischer Langzeitzünder hätte in der Zwischenzeit auslösen können das Risiko wollte die Stadt nicht eingehen. In der Nähe des Fundorts liegt ein Standort des Klinikums.

Harald Boschke sitzt in seinem Wohnzimmer in Schinkel, er trägt ein blaues Sportpolo und eine Lesebrille, seine Augen gleiten über ein vergilbtes Fotoheft, das auch seinen besten Freund zeigt. Seit einem Jahr lebt er nicht mehr, 78 Jahre lang kannten sie sich. " Der Rainold hat immer gesagt, da liegt die Bombe. Immer wenn wir mit dem Rad da vorbeigefahren sind: Da liegt die Bombe.′" So recht kann sich Harald Boschke selbst nicht erklären, warum sie nicht viel eher auf die Idee kamen, das Ordnungsamt einzuschalten. Dabei hat der 81-Jährige schon einmal eine Fundstelle gemeldet.

Vor rund zehn Jahren wurde im Stadtteil Hafen ein Blindgänger entschärft. Den Hinweis gab Harald Boschke. " Manchmal braucht es eine Schlüsselsituation, dass sich Zeitzeugen erinnern", vermutet Jürgen Wiethäuper, Leiter des Ordnungsamts Osnabrück. Für die Verwaltung ist ihr Gedächtnis unersetzlich. " So kommen wir an Informationen, die keine Luftbildkarte abbilden kann", sagt Wiethäuper. Selbst wenn sich ältere Leute nicht hundertprozentig erinnern könnten: Ihre Hinweise seien wichtige Ansatzpunkte für die Sondierungstrupps. Die Stadt sieht in Boschke ein Vorbild. Für seine Geschichte interessiert sich inzwischen auch das Fernsehen. In der Wohnung geht stündlich das Telefon, und Reporter rufen an. Ob der 81-Jährige noch weitere Bombenverstecke kenne? Nein, sagt er. Da sei er jetzt ziemlich sicher.

Am Donnerstagabend hatten er und seine Frau Besuch aus dem Evakuierungsgebiet. Bekannte, die noch immer in Eversburg wohnen, suchten Unterschlupf während der Entschärfung. Knapp 5000 Menschen mussten für rund acht Stunden ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Die Klinik evakuierte mobile Patienten. Alle, denen ein Transport nicht zuzumuten war, verlegte das Krankenhaus in den vom Fundort abgewandten Flügel des Gebäudes. Vor Mitternacht wurde die Bombe entschärft.

" Wir sind so froh, dass es vorbei ist. Jetzt ist das Ding endlich weg", sagt Harald Boschke. Ob er stolz ist, dass er helfen konnte? " Ja, sagt er. " Sehr sogar." Doch dann beginnt er zu weinen. " Ich hätte mir nur gewünscht, dass der Rainold das erlebt", sagt er. Es sei schließlich auch seine Erinnerung gewesen. " Das war unser Wald. Und irgendwie auch unsere Bombe."
Bildtext:
Auch das Fernsehen interessiert sich für die Geschichte des 81-jährigen Osnabrückers.
Foto:
Meike Baars

Kommentar
Erinnern Sie sich!

Sie haben die Schrecken des Kriegs erlebt und können davon erzählen. Zeitzeugen leisten unserer Gesellschaft einen wichtigen Dienst. Ihre Erinnerungen sind uns ein Mahnmal: So etwas darf nie wieder passieren. Indem es sich alte Menschen zumuten, von ihren Kriegstraumata zu berichten, schützen sie uns vor dem gefährlichen Gedanken: War es denn wirklich so schlimm?

In Osnabrück können Zeitzeugen und ihre Angehörigen noch viel konkreter helfen und letztlich: Leben retten. Rund 2000 Blindgänger schlummern möglicherweise noch in städtischem Boden. Luftbilder geben dem Ordnungsamt wichtige Anhaltspunkte für die Suche. Aber keine Karte kann das Gedächtnis eines Zeitzeugen ersetzen. Hilfreich sind daneben auch deren Nachfahren. Hat Ihr Vater, Onkel, Opa oder Nachbar schon einmal von Blindgänger-Verstecken erzählt? Erinnern Sie sich!

Osnabrück. Es ist alles gut gegangen. Die Bombe am Natruper Holz konnte von Sprengmeister Hans Mohr per Fernentschärfung unschädlich gemacht werden. Den Zünder musste Mohr vor Ort sprengen, da sein Zustand nicht mehr der beste und damit die Explosionsgefahr zu groß war.
Danach konnten die Evakuierten in ihre Wohnungen zurückkehren. Viele Menschen zeigten Verständnis für die Maßnahme, bei einigen scheint aber die Erkenntnis über die Gefährlichkeit dieser Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges noch nicht angekommen zu sein. " Es gab einige Leute, die Dampf abgelassen haben", sagt Jürgen Wiethäuper, zuständiger Fachdienstleiter bei der Stadt Osnabrück. Argumente wie " im Wald stört das doch niemanden" oder " die hat da doch jetzt schon 70 Jahre gelegen" seien zu hören gewesen. Abgesehen davon, dass die Stadt nach der Meldung eines Fundes an den Kampfmittelbeseitigungsdienst keine Entscheidungshoheit mehr hat, sondern allein der verantwortliche KBD-Sprengmeister über das weitere Vorgehen entscheidet, wäre es viel zu gefährlich gewesen, die Bombe, nachdem sie einmal berührt worden war, bis zum Wochenende liegen zu lassen.
Aber es gab nicht nur Meckerer. Auf noz.de, auf der Facebookseite unsere Zeitung und auch auf der Facebookseite der Stadt äußerten viele Menschen ihr Verständnis für die spontane Bombenentschärfung. Viele Kommentare zollten dem Einsatz der vielen freiwilligen Helfer von Technischem Hilfswerk, Feuerwehr, Rotem Kreuz, Johannitern, Arbeiter-Samariterbund und allen anderen großen Respekt.

Weitere Infos zur Bombenräumung sowie ein Video finden Sie auf www.noz.de/ bombe
Bildtext:
Die Bombe und das Team um Sprengmeister Hans Mohr (l.), das sie entschärft hat.
Foto:
Michael Gründel
Autor:
Maike Baars, dk


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