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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Wo aus Gülle Gold gemacht wird
Zwischenüberschrift:
Biogas-Anlage Westrup in Bissendorf produziert Strom für 1500 Haushalte
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Bissendorf. Das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in Kraft. Mit Auswirkungen auf die Landwirtschaft, besonders auf die Biogas-Branche. Landwirt Dirk Westrup (44) aus Bissendorf betreibt mit weiteren Gesellschaftern seit 2009 eine solche Anlage samt Blockheizkraftwerk. Sie genießt wenn man so will Bestandsschutz bis 2029. Bis dahin kann beispielsweise nicht an den vereinbarten Einspeisevergütungen gerüttelt werden.

Biogas-Produzenten, die ihre Anlagen nicht überwiegend mit Rindergülle und/ oder Mist betreiben, haben schlechtere Karten. Wo Silomais als Hauptanteil vergoren werde, könnten sich die Rahmenbedingungen dramatisch ändern, erklärt Westrup. Denn die Wirtschaftlichkeit von Anlagen, die mit teuren Substraten wie Mais gefahren werden, sei gefährdet. Etwa wenn wegen der Nachfrage die Maispreise steigen und die Pacht für Anbauflächen in die Höhe schnellt. Westrup füttert seine Anlage mit 90 Prozent Rindergülle, die restlichen 10 Prozent teilen sich auf in Mist, Silomais, Grünroggen und Futterreste. Den überwiegenden Anteil der Rohstoffe für die Anlage liefern über 600 Milchkühe.

Der Hof Westrup im Ortsteil Linne ist unübersehbar, obwohl er fast perfekt ins Hasetal eingebettet ist. Bauer Westrup: " Wir betreiben in Bissendorf die einzige Biogas-Anlage." Die fünf Rundbauten mit der dunkelgrünen Foliendachhaut spiegeln die Größe der Anlage (650 Kilowatt Höchstleistung) wider. Im Fermenter wird das weitgehend flüssige Substrat auf 40 bis 43 Grad erwärmt und gerührt. Feststoffe bauen sich bei der dabei einsetzenden Gasbildung (Methanisierung) ab. Biogas besteht zu 54 bis 56 Prozent aus Methan, Erdgas dagegen hat einen Methananteil von 98 Prozent.

Abwärme nutzen

Das Methan wird beständig aus dem geschlossenen Rundbehälter abgeführt, gekühlt, Schadgase abgeschieden und schließlich im Blockheizkraftwerk (BHKW) verbrannt und in elektrische Energie umgewandelt. Dirk Westrup: " Die Anlage amortisiert sich im Wesentlichen aus dem Stromverkauf." Die entstehende Abwärme dient der Beheizung des Fermenters, denn ohne Wärme keine ausgereifte Gärung. Zudem werden das Wohnhaus, der Melkstand und das Warmwasser für den Betrieb erwärmt. Seit 2011 betreibt Westrup auch ein sogenanntes Satelliten-BHKW, das etwa 1000 Meter von der Hofstelle entfernt liegt und für die Energieversorgung von Hähnchenställen sorgt. Dazu wurde eigens eine Gasleitung gelegt.

Dirk Westrup vergleicht die Wirkung seiner Biogas-Anlage gerne mit einer Kuh, denn auch die produziert ja bei der Verdauung Methan. Wenn er auf rund 200 Hektar Mais anbaut, dann dient der Ertrag von 170 Hektar dem Futter für seine Rinder. Der Rest findet als Silomais in der Biogas-Anlage Verwendung, weil er bei der Vergärung eine gute Wärmenutzung hat.

Weil die Kuh mit dem Mais viel Kraftfutter für den Milchertrag erhält, verfüttert Westrup die Maisernte in hohem Maße. Denn was beim Tier letztlich hinten rauskommt also Gülle beinhalte noch genug wertvolle Anteile, die in der Biogas-Anlage vergoren werden können. Kaskaden-Nutzung nennen das die Fachleute.

Auch nach der Gasproduktion bleibt Gülle übrig, die immer noch genügend Wertstoffe hat, um als Dünger aufs Feld ausgebracht zu werden. Der Biogas-Güllebehälter reicht für sieben Monate. Nach der Getreideernte beispielsweise wird wieder Gülle ausgebracht, die aber weniger scharf stinkt und " etwas anders riecht", wie Wes trup sagt.

Rund 1500 Haushalte könnte Westrup direkt mit seiner Biogas-Anlage mit Strom versorgen. Elektrische Energie fließt auch von seiner Fotovoltaik-Anlage ins Netz. Wer sich solchen Einnahmen verschlossen hat, dürfte jetzt Schwierigkeiten bekommen, erläutert Wes trup mit Blick auf das EEG 2014. Hinzu kämen die steigenden Kosten für die Substrate wie Mais.

Vorbild USA

2007 gab es nur wenige Biogas-Anlagen in Deutschland. In dem Jahr flog Dirk mit seinem Bruder Ulrich in die USA, um sich Milchviehställe anzuschauen. Dabei stießen sie auf Biogas-Anlagen mit deutscher Technik. " Unsere Gesprächspartner waren voller Lob über die Technik", hätten sich aber gewundert, dass in Deutschland weitgehend Silomais in den Fermentern landet. " Wir machen aus Gülle Geld", meinten die US-Farmer. Dass so eine Anlage nur mit Gülle gefahren wird, war in Deutschland weitgehend unbekannt.

Die Idee, eine Biogas-Anlage zu betreiben, faszinierte die Westrup-Brüder als Milchbauern so sehr, dass sie 2009 eine " kleine Anlage" (190 Kilowatt) in Betrieb nahmen. Nach guten Erfahrungen wurde sie zwei Jahre später auf 400 Kilowatt erweitert. In diesem Jahr kam ein drittes Blockheizkraftwerk hinzu. Die Gesamtleistung beträgt in der Spitze 650 Kilowatt. Im Dauerbetrieb werden rund 440 Kilowatt Strom erzeugt.

Die Stromerzeuger dienen den Energieversorgern als Puffer. Die Regelung der Stromerzeugung findet automatisch statt. Westrup erhält dazu einen Hinweis auf dem Handy. Immer wenn zu viel Strom im Netz ist, wird die Leistung aus Westrups Biogas-Anlage gedrosselt. Seit diesem Jahr ist er auch in die flexible Stromproduktion eingestiegen. Wenn der Bedarf der Versorger am höchsten ist, meist pro Tag zweimal vier Stunden, liefert eines der drei Blockheizkraftwerke den erforderlichen Strom.

Auch wenn Westrup mit seiner Biogas-Anlage keine Einbußen zu befürchten hat, macht er sich doch Sorgen wegen der Einschränkungen des EEG 2014. Die Biogas-Branche habe bereits mit Jobabbau und Insolvenzen zu kämpfen, weil neue Anlagen aufgrund der reduzierten Stromvergütung nicht gebaut werden. Dadurch würden Innovationen, Betreuung und Weiterentwicklung der bestehenden Anlagen quasi auf null gestellt.

Die Rolle der Biogas-Produktion zur Stabilisierung der Stromnetze könne nicht von Windkraft oder Fotovoltaik übernommen werden. Westrup: " Das EEG 2014 fördert ausschließlich Großprojekte der Stromkonzerne und führt uns weg von der dezentralen Stromversorgung." Den Einfluss auf die EEG-Debatte durch die Stromkonzerne bezeichnet Dirk Westrup als " nicht unerheblich", da gebe es einige Punkte, die schieflaufen.
Bildtext:
Auf dem Hof Westrup in Bissendorf-Linne wandert Silomais zweimal durch Biogas-Anlagen, zuerst durch die Kuh, dann erst durch Gärbottiche. Am Ende steht die Stromerzeugung aus dem gewonnenen Methangas.
Foto:
Stefanie Preuin
Autor:
Gerd Kühler


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