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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Der mühselige Kampf gegen den Zahn der Zeit
Zwischenüberschrift:
Fassade der Altstädter Schule wird mit viel Liebe zum Detail saniert
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück. Es gab eine Zeit das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium (EMA) war damals noch in der Lotter Straße zu Hause da stürmten aufgeregte Passanten in das Sekretariat der Schule und meldeten Rauch, der in dicken Schwaden aus dem Dach quoll. Die Schulsekretärinnen konnten sie beruhigen: Es brannte nicht, es war nur der Chemielehrer, der mal wieder mit seinem geliebten Bergernebel eine Schulklasse beeindruckte. Dach und Fenster waren schon seinerzeit, in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, undicht und sanierungsbedürftig.

Seitdem ist viel passiert: Das EMA residiert schon lange im Schulzentrum Sonnenhügel, und die Stadt hat schon so manchen Euro in das historisch wertvolle Gebäude investiert. Und das tut sie derzeit wieder. Fassaden- und Dachsanierung heißt das Thema, um im Schuljargon zu bleiben. Der Aufgabe stellt sich der Fachbereich Immobilien- und Gebäudemanagement, der sich kompetente Hilfe hinzugezogen hat in Person von Christoph Probst. Der Mann ist bauleitender Restaurator, darauf legt er Wert. Er liebt und lebt seinen Beruf. Wenn er die Hand auf die alten Westerberger Kalksteinbrocken legt, aus denen der größte Teil des Mauerwerks erstellt ist, mutet das schon fast zärtlich an. Probst bewundert die Erbauer, die im 19. Jahrhundert an der Lotter Straße/ Ecke Arndtstraße die Schule mit viel Liebe zum Detail errichtet haben. Und er erweist ihnen die Ehre, wenn er das angegriffene Gemäuer wieder herrichtet originalgetreu und unter größtmöglichem Erhalt der alten Bausub stanz. Und wo die Substanz nicht mehr reicht, wird nachproduziert, zum Beispiel ein spezieller Mörtel. Wir machen es so, wie es war″, sagt Probst unter beifälligem Nicken von Wilfried Klein vom Fachdienst Immobilien- und Gebäudemanagement. So, wie es war″ heißt zum Beispiel, dass die Fugen an der Gebäudeseite zur Arndtstraße, mit speziellem Mörtel und einer speziellen Kelle wiederhergestellt werden. Die Kelle habe ich mir eigens für diese Arbeit angefertigt″, sagt René Rowald vom ausführenden Bauunternehmen aus Bamberg. Der Clou: Um dem rechteckig gehauenen Stein eine noch regelmäßigere Optik zu geben, hatten die Erbauer eine schmale Nut in die Fuge gestrichen und diese dann mit roter Farbe nachgezogen. Eben für diese kleine Nut brauchte es die spezielle Kelle. An jenen Stellen, die keiner Ausbesserung bedürfen, bleibt alles, wie es ist. Wir behalten diese Flächen im Original als Referenzflächen″, sagt Probst. So werden auch nachfolgende Generationen erkennen können, wie viel Wert im Jahr 2014 bei der Restaurierung auf die originalgetreue Wiederherstellung der Fassade gelegt wurde.

Dass dem so ist, darauf achtet auch die städtische Denkmalpflege in Person von Ansgar Westermeyer. Man sei lange Jahre davon ausgegangen, dass das Gebäude während des Zweiten Weltkrieges von Bombentreffern verschont geblieben sei, so Westermeyer. Gleichzeitig habe man sich aber über die starken Verwerfungen im Mauerwerk gewundert. Auf Luftbildern war die Schule stets unversehrt mit Dach zu sehen.″ Erst spät seien Belege aufgetaucht, die bezeugen, dass ein Bombentreffer die Lehranstalt in den letzten Kriegsjahren sogar schwer beschädigt hatte. Westermeyer führt die anfängliche Irritation darauf zurück, dass das Dach relativ schnell nach dem Treffer wieder eingedeckt worden ist.

Zur Fassade gehören selbstredend auch die Fenster. Etliche sind morsch, verzogen und längst nicht mehr dicht. Wen wundert′s? Versehen sie doch nunmehr seit weit mehr als hundert Jahren ihren Dienst. Allerdings irrt, wer da meint, dass die Fenster einfach ausgetauscht werden. Auch hier wird erhaltenswerte Substanz natürlich erhalten und nur das erneuert, was unbedingt erneuert werden muss.

Richtiggehend ins Schwärmen gerät Probst, wenn er das Gerüst bis zur Traufe hinauf erklettert hat. Hier in luftiger Höhe haben unsere Vorväter Kunstvolles geleistet: An dieser Stelle ist das Bauwerk mit sehr aufwendig gearbeiteten Terrakottakonsolen unter der Traufe und mit einem Gurtgesimsband aus Terrakottafliesen in der Horizontalen gegliedert. Dass sich die Erbauer selbst in dieser Höhe noch so viel Arbeit gemacht haben, nötigt dem Restaurator einigen Respekt ab. Normalerweise werden Bauten nach oben hin schlichter, da dorthin niemand sehen kann″, so Probst. Gebrannt wurden die Konsolen bei Grodian in Osnabrück. Der Stempel des Herstellers ist noch heute erkennbar. Nicht zu rettende Konsolen wurden jetzt nachgebrannt.

Auch in Bodennähe hatten sich die Erbauer erkennbare Mühe gegeben, ihr Werk über die Jahrhunderte zu retten. Hier allerdings ist nicht gut gelungen, was gut gemeint war. Eisenverbindungen sollten dem Mauerwerk einen ewigen Bestand sichern. Dieses Ansinnen schlug fehl, weil die Eisenhaken in Rost erblühten und so in Teilbereichen das Siebenfache ihrer ursprünglichen Größe annahmen. Das war zu viel für den Stein, er kapitulierte vor dem großen Druck, bildete Risse und platzte an vielen Stellen auf. Das verschafft den Bamberger Handwerkern über 100 Jahre später einen sicheren Broterwerb. Die defekten Steine müssen je nach Schadensfall ausgebaut und durch neue ersetzt werden. Wobei es neu″ nicht unbedingt trifft. Wir lagern Abbruchmaterial″, beschreibt Klein das städtische Recyclingverfahren im Denkmalschutzbereich. So haben die Restauratoren im Falle eines Falles ein kleines Reservoir an alten Baumaterialien, auf das sie zurückgreifen, um Schäden so originalgetreu wie möglich ausbessern zu können.

Die Hofseite der Fassade haben die Restauratoren bereits abgearbeitet. Derzeit wird die Fassade des im Jahr 1913 errichteten südlichen Anbaus an der Arndtstraße saniert. Diese Arbeiten sollen bis zum Herbst abgeschlossen sein. Im März des kommenden Jahres ist dann die Fassade zur Lotter Straße an der Reihe, ebenso das Dach und der alte Fahnenmast. Das Ende der umfangreichen Arbeiten ist für November 2015 geplant. Diese beiden letzten Bauabschnitte kosten die Stadt etwa 1, 4 Millionen Euro. Dann wird ein wunderschönes Stück Osnabrücker Architektur für die kommenden Jahrzehnte gerüstet sein. Und seine Nutzer die Altstädter Schule, die Arbeitslosenselbsthilfe und das EMA-Theater können ihre Räume wieder betreten, ohne Gefahr zu laufen, von herunterfallendem Mauerwerk getroffen zu werden.
Bildtexte:
Wind und Wetter, aber auch der Bewuchs mit Efeu und Wein hat der Fassade der Altstädter Schule bis hinauf zu den Gesimsen seit 1870 schwer zugesetzt.
Die Fenster sind verzogen und schließen zum Teil nicht mehr richtig.
Die aufwendigen Stilelemente sind auf Traufenhöhe eher ungewöhnlich, weil für Betrachter am Boden schlecht sichtbar.
Die Terrakottakonsolen und die Terrakottafliesen des Gurtgesimsbandes wurden in Osnabrück gebrannt
Die Fassade zur Seite des Schulhofes mit dem Eingang zur Altstädter Schule ist bereits saniert und zeigt schon wieder die Schönheit des Gebäudes.
Mit einer speziellen Fuge verschafften die Erbauer dem behauenen Stein ein regelmäßiges Bild.
Fotos:
Michael Gründel

Oberbürgermeister Johannes von Miquel ließ 1868 das Königliche Realgymnasium von Stadtbaumeister Wilhelm Richard erbauen
Der Bau des Königlichen Realgymnasiums an der Lotter Straße des späteren Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums (EMA) geht auf Johannes von Miquel zurück. Miquel war von 1865 bis 1870 Bürgermeister bzw. später auch Oberbürgermeister von Osnabrück. Walter Kaufmann berichtet in einer zur 100-Jahr-Feier des EMA herausgegebenen Publikation, wie sehr Miquel sich für den Neubau der Schule vor dem Heger Tor einsetzte.

Das Realgymnasium war über mehrere Standorte im Stadtgebiet verteilt. Wachsende Schülerzahlen bescherten eine Raumnot, die nur durch einen Neubau behoben werden konnte. Bereits in der Magistratssitzung am 3. Mai 1867 hatte Miquel erklärt, dass der Schulbau sofort in Angriff genommen werden sollte. Mehrere Standorte waren in der Diskussion. Die Wahl fiel schließlich auf die sogenannten Buttergärten vor dem Heger Tor.

Anfang August 1868 begann der Bau mit den ersten Erdarbeiten, die Grundsteinlegung erfolgte am 2. Oktober desselben Jahres. Eingeweiht wurde die neue von Stadtbaumeister Wilhelm Richard gebaute Schule am 2. Mai 1870. Bis heute erhaltene Bauten Richards sind neben dem Realgymnasium das Stüvehaus oder der Hannoversche Bahnhof. Typisch für Richards Baustil sind die neuromanischen Rundbögen.

Im Jahr 1913 wurde die Schule um den südlichen Anbau an der Arndtstraße erweitert.

Am 10. August 1942 beschädigte eine Bombe das Gebäude schwer. Im Januar 1944 konnte ein Notdach aufgesetzt und wieder unterrichtet werden. Heute sind in dem Gebäude die Altstädter Grundschule, die Arbeitslosenselbsthilfe und das EMA-Theater untergebracht.
Bildtext:
Die Schule zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Foto:
Archiv/ Lichtenberg
Autor:
Dietmar Kröger
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