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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Ein erfolgreicher Starrkopf
Zwischenüberschrift:
Erinnerung an den Papierfabrikanten Quirll
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Haste. Die kleine Verbindungsstraße zwischen Bramscher Straße und An der Netter Heide hat schon mehrfach ihren Namen gewechselt. Im Kaiserreich hieß sie Querstraße, was ihrer Lage zwischen den Ausfallstraßen durchaus entsprach. 1938 machten die Nazis daraus die Horst-Wessel-Straße. Nach dem Krieg änderte man den Namen in " Quirllsweg" um und setzte damit dem seinerzeit nach dem Piesberg größten Arbeitgeber für die Haster Bevölkerung, Georg Wilhelm Quirll (1760 bis 1837), ein Denkmal.

Der gebürtige Osnabrücker Quirll richtete um 1790 ein Gesuch an Herzog Friedrich. Er sei " willens, nach bestem Fleiß und Möglichkeit eine Papierfabrik in Gang zu bringen und solche vermittels Wasser- oder Windmühle anzulegen". Gleichzeitig erbat er sich die Lumpenpacht im Fürstentum als Rohstoffbasis die Papierherstellung aus Holz und Zellulose beherrschte man noch nicht.

1791 erwarb Quirll in der wasserreichen Wüste ein Grundstück in Erbpacht und holte die ersten Gastarbeiter nach Osnabrück: acht holländische Papiermacher-Familien, die er in einer kleinen Kolonie weit vor den Toren der Stadt ansiedelte. Dieser Kolonie gab man den Namen " Moskau", der bis heute im Städtischen Freibad fortlebt. Das Unternehmen lief ordentlich an. Ein Grund lag darin, dass nach dem Ende des Alten Reichs die Neuordnung der Verwaltungen nach viel Schreibpapier verlangte. 1806 beschäftigte Quirll in der Wüste 120 Personen. Um weniger von den Naturkräften abhängig zu sein, stellte er eine der ersten Dampfmaschinen in Osnabrück auf, was von großem kaufmännischen Weitblick zeugte. Daneben hatte er auch in Oesede eine Mühle aufgekauft und schöpfte dort Papier.

Beide Standorte, Wüste und Oesede, waren für Erweiterungen wenig geeignet. Deshalb machte der quirlige Quirll einen dritten Standort auf. 1808 sicherte er sich bei einer Versteigerung die verfallene Walkmühle des Wandmacher- und Lohgerberamtes an der Hase nördlich der Stadt, knapp unterhalb der Einmündung der Nette, und richtete auch hier eine Papierfertigung ein. Noch vor dem Ende des Jahres 1808 verließen die ersten Spielkarten und Tabaktüten das neue Werk.

Die Produktion war wegen Mangels an Lumpen nicht weiter zu steigern. In einem Gesuch an die Regierung bat Quirll, den Lumpenverkauf ins Ausland zu untersagen und ihm zuzuführen, damit er seine zehn Bütten durchgehend auslasten und damit Entlassungen vermeiden könne. Kummer bereitete Quirll auch der schwankende Wasserstand der Hase. Nicht nur die natürlichen Beeinträchtigungen bei Dürre oder Frost waren es, sondern auch der unterschiedliche Aufstau an den vorgelagerten städtischen Mühlen in der Stadt. 1811 zog Quirll die Konsequenz und installierte auch in der bald sogenannten " Quirllsmühle" an der Hase eine Dampfmaschine.

Vater Quirll und sein Sohn Karl (1790 bis 1857) waren als eigensinnig und egoistisch bekannt. Die Klagen über unrechtmäßigen Stau des Wassers und dadurch hervorgerufene Überschwemmungen füllen Bände in den städtischen Akten. Bürgermeister Thorbecke schrieb 1828: " Herr Quirll sen. ist bekannt für seine Starrköpfigkeit, und der Sohn gibt gerne den gleichen Ton an. Man kann mit ihm nach lange geübter Geduld nicht anders als mit Rigueur verfahren."

Bei allem, was man so sagte und schrieb über die Quirlls: Die Mühlen liefen gut. 1850 beschäftigte Karl Quirll in Haste und Oesede die Fertigung in der Wüste war eingestellt worden 200 Arbeiter und zusätzlich noch 70 Lumpensammler. Karls Sohn Wilhelm Quirll, geboren 1829, vergrößerte den Betrieb noch weiter, kaufte Gelände an und stellte weitere Maschinen auf. Bei günstiger Gelegenheit veräußerte er das ganze Unternehmen 1869 an seinen Vetter Wilhelm Westerkamp und den langjährigen Buchhalter Justus Eggemann. Da die beiden keine Erben hatten, wurde die Papierfabrik 1908 an die aus Breslau zugezogenen Brüder Gustav und Rudolf Kämmerer verkauft, genau 100 Jahre nach der Gründung.

Angesichts der erstarkenden Elektroindustrie stellten die Brüder Kämmerer auf die Herstellung von Isolierpapieren für Hochspannungs- und Fernmeldekabel um. Bedeutende Kapazitätserweiterungen erwiesen sich als notwendig, die nur durch die Hereinnahme der Großkunden Felten & Guilleaume und AEG gestemmt werden konnten. 1918 übernahmen sie die Firma ganz, die nun " Papierfabrik G.m.b.H. vorm. Gebrüder Kämmerer" hieß. Kanalhafen und Gleisanschluss begünstigten die Expansion. Vier weitere Papiermaschinen ließ das Unternehmen bis 1928 aufstellen. 1976 übernahm der finnische Konzern Ahlstrom. 2012 stiegen der schwedische Munksjö-Konzern und ein Finanzinvestor ein. Seit Anfang 2014 lautet die Firmierung wieder Kämmerer GmbH.
Bildtexte:
Die alte Quirll´sche Papiermühle an der Hase im Ausbauzustand 1934, als sie bereits als " Papierfabrik GmbH vormals Brüder Kämmerer" firmierte.
Kurze Straße in Haste der Quirllsweg.
Fotos:
Junkers Luftbild, entnommen aus: Wido Spratte, Osnabrück-Haste, Verlag Wenner 2008
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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