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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
"Abgewickelt und kaputtgespart"
Zwischenüberschrift:
Nach Entwidmung der Melanchthonkirche erhebt Ex-Pastor Jochen Ohliger Vorwürfe
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Die Glocken der Melanchthonkirche haben am vergangenen Sonntag zum letzten Mal geläutet, doch die Entwidmung des evangelisch-lutherischen Gotteshauses auf dem Kalkhügel hallt nach. Mit Jochen Ohliger wirft ein ehemaliger Pastor den Entscheidern von Landeskirche und Südstadtkirchengemeinde vor, die Schließung allein aufs Geld zu schieben. Das sei scheinheilig.

Alt und größtenteils hausgemacht sind für den emeritierten Geistlichen die Probleme, welche jetzt binnen weniger Tage zum Aus der zuletzt kaum noch genutzten Kirche am Bergerskamp führten. Sein Eindruck: " Man hat sie nicht mehr gewollt." Die Melanchthongemeinde sei über Jahre hinweg " abgewickelt und kaputtgespart" worden, sagt Ohliger. Finanzielle Schwierigkeiten seien zwar nicht zu leugnen. " Aber wenn sich Kirche nur noch darüber definiert, verliert sie ihren Grund."

Ansichten eines Mannes, der immer schon zu den unbequemeren Dienern Gottes zählte. 23 Jahre lang wirkte Jochen Ohliger in der Melanchthongemeinde und damit länger als jeder andere Pastor vor und nach ihm. Er prägte einst ihren Ruf, besonders fortschrittlich zu sein. Denn wer zwischen 1969 und 1992 die protestantischen Gottesdienste auf dem Kalkhügel besuchte, erlebte einen Seelsorger, der nicht nur zu integrieren und mitzureißen verstand. Sondern der auch aufmuckte, wenn ihm etwas nicht passte. Der Stellung bezog. Etwas wagte. Stichwort Friedensbewegung, Stichwort Anti-Atom-Bewegung. Stichwort Freie Osnabrücker Pfarrkonferenz, eine von ihm mitbegründete Gruppe kritischer Pastoren.

" Wir waren nicht die Frommsten", erinnert sich Ohliger. Was nicht heißen soll, dass für ihn nicht stets das Evangelium der Maßstab war. Die Menschen nahmen ihm den Reformeifer jedenfalls ab: Zu seinen besten Zeiten war die Melanchthonkirche sonntags rappelvoll.

Umso mehr schmerzt den Querdenker die Entwidmung. Für ihn ist sie keineswegs unausweichlich gewesen oder das notwendige Übel, als das es führende Köpfe jetzt darstellen. Vielmehr scheine sie Ausdruck für mangelndes Engagement und Fantasielosigkeit auf allen Ebenen zu sein. Eine Entwicklung, die laut Ohliger lange vor der Gründung der Südstadtkirchengemeinde 2009 ihren Lauf nahm die aber durch den so erreichten Zusammenschluss der vier evangelisch-lutherischen Gemeinden Luther, Lukas (beide Schölerberg), Margareten (Voxtrup) und Melanchthon (Kalkhügel) zementiert wurde. Und vor der Ohliger auch im Ruhestand wiederholt warnte.

Zwar sei die Fusion gut gewesen, weil sie Kräfte bündele und effektiveres Arbeiten erlaube, schrieb er etwa Ende Mai 2012 in einer Protestnote adressiert unter anderem an Pastor Martin Wolter und den Kirchenvorstand. " Aber ich bin traurig über den Ausverkauf evangelischer Grundsätze und empört über das Kaputtsparen einer Gemeinde."

Jochen Ohliger bezeichnete den sonntäglichen Gottesdienst als zentral und vorrangig und äußerte seine fehlende Einsicht darüber, dass dieser in Melanchthon künftig nur noch einmal im Monat gefeiert werden solle. Rückendeckung erhielt er von Vorgänger Klaus Künkel (1959–1963), der den Brief mit unterzeichnete. Handschriftlich fügte dieser hinzu: " Gerade in Erinnerung an die gelungenen 50-Jahr-Feiern beklage ich die Nichtzukunft der Melanchthon-Kirchengemeinde und hoffe auf Planänderung." Vergeblich.

Zusehends rutschte die Zahl der Gottesdienstbesucher weiter in den Keller. Als sich schließlich Verkaufsgerüchte um das Gotteshaus verdichteten, legte Ohliger nach. In einem Brief von Oktober 2013 fasste er die " Gedanken eines enttäuschten und sehr zornigen alten Pastors" zusammen. Er habe 1992 " eine sehr lebendige Gemeinde" hinterlassen: Ergebnis einer " anstrengenden, auch strittigen, aber zielgerichteten Arbeit", an der sich Kirchenvorstand, Diakonin sowie viele Jugendliche und Erwachsene ehrenamtlich beteiligt hätten. " Heute ist davon so gut wie nichts übrig geblieben", stellte Ohliger fest. Ohne Namen zu nennen, lastete er den Verantwortlichen schon damals " Bequemlichkeit" an: Anstatt alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die brachliegende Melanchthongemeinde und ihren besonderen Sakralbau aus tiefer Überzeugung unbedingt zu erhalten, würden Gründe gesucht, um sie aufzugeben.

Im Februar 2015, wenige Tage nach der Entwidmung, klingt sein Protest so: " Ich habe nichts gegen Schließung von Kirchen generell. Was mich stört, ist die Unaufrichtigkeit, mit der es hier vollzogen wurde." Auch die Menschen der Melanchthongemeinde hätten es nicht verstanden, das Aus ihrer Kirche zu verhindern. Jochen Ohliger: " Sie hätten sich mutiger wehren können."

Für die Zukunft wünscht er sich eine kulturelle Nutzung des Gebäudes. " Theater fantastisch! Auch ein Konzertsaal ist sehr gut vorstellbar. Die Akustik in der Melanchthonkirche ist hervorragend." Auf ihn hat zuletzt trotzdem keiner gehört. Zum Entwidmungsgottesdienst, sagt Ohliger, sei er nicht einmal eingeladen gewesen.
Bildtext:
Der frühere Pastor Jochen Ohliger glaubt, die Entwidmung der Osnabrücker Melanchthonkirche wäre zu verhindern gewesen, wenn man nur ernsthaft gewollt hätte. Offenbar habe es der Gemeinde an Mut und Fantasie gemangelt und das über Jahre hinweg.
Fotos:
Jörn Martens
Autor:
Sebastian Stricker


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