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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Prägend für die Neustadt
Zwischenüberschrift:
Hammersenstraße im Stadtteil Schölerberg erinnert an Großweberei
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Vor dem Niedergang der deutschen Textilindustrie in den 1970er- und 1980er-Jahren war Osnabrück ein bedeutender Textilstandort. Größtes Unternehmen: die Firma F. H. Hammersen AG mit zeitweise bis zu 3800 Beschäftigten, Zweigwerken in Rheine, Bocholt, Rheydt und Riesa/ Sachsen und einem sechs Hektar großen Gelände für das Hauptwerk an der Iburger Straße zwischen Johannis-Friedhof und der Wörthstraße.

In dem Bestreben, die große Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg zu lindern und gleichzeitig die Beschäftigten an das Unternehmen zu binden, baute Hammersen etwa einen Kilometer weiter südlich eine " Arbeiterkolonie". Gegenüber vom Schölerberg entstanden westlich der Iburger Straße 41 Wohnhäuser mit mehr als 100 Wohnungen entlang der heutigen Straßen Bröckerweg, Im Brink, Vordembergestraße und Hammersenstraße. Als die Adressbücher noch Berufsbezeichnungen wiedergaben, konnte man bei den Häusern Hammersenstraße 12 bis 18 ablesen, dass sie keinesfalls fehlbelegt waren: Da sind ein Bleicher, ein Spinner, ein Websaalmeister, ein Stadtbote, ein Wickelanleger, ein Weber und ein Magazinverwalter aufgeführt (1976).

Verbilligte Werkswohnungen gehörten zu den freiwilligen Sozialleistungen patriarchalisch geführter Großunternehmen, mit denen die Elendsbedingungen der Frühindustrialisierung endgültig überwunden wurden. Bei Hammersen schien das Netz an unterstützenden Maßnahmen besonders engmaschig zu sein. " Der ganze Stadtteil hat davon profitiert", stellte eine Forschungsarbeit aus dem Jahr 1986 fest. So gab es den Werkskindergarten an der Miquelstraße, eine Fabrikkrankenschwester, die Werkssparkasse, eine Unterstützungskasse für in Not geratene Mitarbeiter und betriebliche Zusatzrenten, Chor und Sportgruppen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Mädchenheime hinzu, Weihnachtsgeld, " Einkellerungsbeihilfen" nach der Kartoffelernte, Schulentlassungsbeihilfen, Prämien und Sonderurlaub für Jubilare, verlängerte Schonfristen für junge Mütter und eine vertraglich gesicherte Gewinnbeteiligung .

Seit den 1930er-Jahren kooperierte Hammersen eng mit der schlesischen Dierig-Gruppe. 1935 wurde Hammersen über die gemeinsame Dachgesellschaft Deutsche Baumwoll-AG (Debag) mit der Dierig-Gruppe verschmolzen. Der größte Baumwollkonzern Mitteleuropas mit Sitz in Osnabrück war entstanden.

Nach der Totalzerstörung im Krieg und relativ zügigem Wiederaufbau erlebte Hammersen noch einige Blütejahre. 1950 war mit 2500 Beschäftigten ein Niveau von 60 Prozent der Vorkriegsproduktion erreicht. 1957 wurde das Verwaltungsgebäude längs der Iburger Straße als " ansprechende Visitenkarte des Osnabrücker Industriebetriebs" wiedererrichtet, ebenso eine moderne Färberei.

1978 wurde dann aber offenbar, dass der rasante Strukturwandel in der Textilwirtschaft auch an Hammersen nicht spurlos vorüberging. Christian Dierig, der Vorstandsvorsitzende der Dierig Holding in Augsburg, bat Stadt und Land um verbilligte Kredite. Investitionen von 20 bis 30 Millionen DM seien erforderlich, um dem Wettbewerbsdruck durch Billigimporte etwas entgegensetzen zu können. Die Stadt gab ein zins- und tilgungsfreies Darlehen von einer Million, das Land sagte eine Bürgschaft von zwölf Millionen zu. Doch es war vergebene Liebesmüh. Rosenmontag 1981 erfuhren die Arbeiter über einen Anschlag am Schwarzen Brett, dass beim Amtsgericht ein Vergleich angemeldet sei. " 362 Arbeitsplätze sind in höchster Gefahr", titelte die NOZ. Am 24. April 1981 beantragte die Geschäftsführung das Anschluss-Konkursverfahren. Zwei Monate später standen alle Maschinen still, und die Demontage begann.

Den größten Teil des Geländes erwarb die Nileg. Sie ließ von Ostern bis Herbst 1982 alle Gebäude abbrechen und das Gelände für eine Wohnbebauung planieren. Die Glocken der Lutherkirche läuteten, als am 1. Oktober 1982 das Wahrzeichen des Werks, der 85 Meter hohe Schornstein, gesprengt wurde. Nur das Verwaltungsgebäude an der Iburger Straße blieb stehen. Es beherbergt heute das Versorgungsamt. Entlang Baumwollweg, Spinnereiweg und Leggeweg sind schmucke Reihenhäuser entstanden.
Bildtexte:
Der 85 Meter hohe Schornstein galt als Wahrzeichen der Textilfabrik. Blick von Südwesten auf einen Teil der Werksanlage, um 1970.
Die Hammersenstraße begrenzt den parkartigen Akyürekplatz nach Süden. Dahinter sind Hammersen-Werkswohnungen an Bröckerweg und Im Brink zu erkennen.
Fotos:
Bosselmann, Archiv des Museums Idustriekultur, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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