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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Ein Blitzschlag aus Beton, Holz und Metall
Zwischenüberschrift:
Damals ein Streitfall, inzwischen ein Klassiker: Das Felix-Nussbaum-Haus hat Osnabrücks Stadtbild verändert
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Architektur in Osnabrück? Kein Gebäude prägt diese Vorstellung seit 16 Jahren so intensiv wie das Felix-Nussbaum-Haus. Der Museumsbau von Daniel Libeskind hat das Stadtbild entscheidend verändert.
Was ist dieses Gebäude eigentlich ein Handkantenschlag in das Weichbild der Stadt, ein Blitz aus Beton, ein Kunstbunker, eine Museumsskulptur? Das Osnabrücker Felix-Nussbaum-Haus hat die Fantasie der Architekturkritiker mächtig angeschoben. Zur Eröffnung 1998 war dieses Haus der erste realisierte Bau des inzwischen weltberühmten Architekten Daniel Libeskind und nahezu unausweichlich auch ein öffentlicher Streitfall.
Kein Wunder. Die Jury hatte mit ihrem Votum für Libes kinds Splitter-Architektur unerwartet konsequent entschieden. Das Resultat war eine nahezu perfekte Symbiose zwischen einer düsteren und beklemmenden, in jedem Fall aber packenden Architektur und den Bildern des Osnabrücker Malers Felix Nussbaum (1904–1944), der vor seinem Tod im Konzentrationslager Auschwitz die Schrecken von Exil und Verfolgung in seine intensiven Bildmotive gebannt hatte. Pathos und Bedeutung: In diesem Punkt entsprechen sich Museum und Nussbaums Kunst perfekt.
Libeskind konzipierte das " Museum ohne Ausgang" wie das 2001 eröffnete Jüdische Museum Berlin als Anbau an ein schon bestehendes Museum. In Osnabrück zeigt sein Bau dem klassizistischen Kulturgeschichtlichen Museum die kalte Schulter in Gestalt einer blanken Betonwand. Das ist nicht das einzige gebaute Dementi jener bürgerlichen Freitreppenherrlichkeit, die den Altbau zum Zeugen einer tief vergangenen Repräsentationskultur macht. Libeskind verpasste seinem kantigen Riegel eine schwere Eisentür als sinistrem Entrée und stellte nicht nur damit den Verweischarakter seiner Formensprache über den Nutzwert des Hauses.
Haus der spitzen Winkel
Fensterschnitte, schmal und gezackt wie Blitzschläge, geneigte und zuweilen mit Gitterrosten durchbrochene Böden, spitze Winkel, plötzliche Richtungswechsel: Der ganze Kerkercharme dieses Museums könnte als bloßer Gruseleffekt kritisiert werden, wären die einzelnen Elemente dieser Architektur nicht konsequent an Biografie und Werk Nussbaums orientiert.
Libeskind baute eine Architektur, die so diskontinuierlich verläuft wie Biografie, Werk und Werküberlieferung des exilierten, verfolgten und am Ende ermordeten Malers. Selbst die Ausrichtungen der einzelnen Gebäudetrakte visieren mit Brüssel und Auschwitz zentrale Stationen von Nussbaums kurzem, gewaltsam beendetem Leben an.
Kein Wunder also, dass Libeskinds als Anbau errichtetes Gebäude längst das kleine Museumsareal in der Osnabrücker City dominiert. Inzwischen manifestiert auch ein neues, gleichfalls von Libeskind konzipiertes Entrée die Umkehr der Hierarchie zwischen Haupthaus und vermeintlichem Annex. Libes kind verlieh dem 2011 eröffneten, verbindenden Bautrakt mit gekippter Türfassung und gezackten Fensterschnitten die gleiche Anmutung wie dem Felix-Nussbaum-Haus selbst. Dessen einstige Schärfe scheint nun allein dadurch gemildert, dass der einstige Solitär in ein größeres Gefüge eingebunden ist.
Der Besucher geht jetzt durch einen neuen Glasgang Nussbaums Bildern entgegen. Libeskind hat in dem Entréegebäude die zuvor eher zu klein dimensionierten Serviceareale gebündelt. Der Eingang führt jetzt direkt in die Ausstellung, zu der auch ein neu zugeschnittener Raum gehört, der mit dem Konstruktivisten Friedrich Vordemberge-Gildewart (1899–1962) dem neben Nussbaum zweiten international bedeutenden Künstler Osnabrücks gewidmet ist.
Das Felix-Nussbaum-Haus hat längst seinen Platz als einer der neuen Klassiker zeitgenössischen Museumsbaus eingenommen. Dies gilt gerade im vergleichenden Blick auf das minimalistisch konzipierte Varusschlacht-Museum von Annette Gigon und Mike Guyer in Bramsche-Kalkriese und das von Frank O. Gehry als Backsteinwirbel gestaltete Museum Marta im ostwestfälischen Herford. Die vehemente Stringenz des Felix-Nussbaum-Hauses erweist sich bisweilen allerdings auch als seine Schwäche.
Die Symbiose zwischen Libeskinds Architektur und Nussbaums Bildern scheint unauflöslich zu sein. Präsentationen anderer Kunstpositionen geraten an diesem Ort nicht immer zufriedenstellend.
Bewegung kommt nun von anderer Seite in das strenge Haus. Wie aktuelle, in der Neuen Osnabrücker Zeitung publizierte Recherchen ergeben haben, hat Felix Nussbaum im Konzentrationslager Auschwitz wesentlich länger als bisher angenommen noch gelebt. Die neue Faktenlage dürfte die Beschäftigung mit Felix Nussbaums Biografie neu anstoßen und die Präsentation seiner Bilder verändern helfen. Nicht nur Libeskinds Museum ist ohne Ausgang und Ende zu denken. Mindestens das Gleiche gilt auch für die Sicht auf Felix Nussbaum.
Bildtexte:
Eine mit Zinkblech verkleidete Brücke verbindet Nussbaum-Haus und Kulturgeschichtliches Museum.
Mit dem Zickzack-Muster: das neue Entréedes Nussbaum-Hauses.
Fotos:
Jörn Martens
Autor:
Stefan Lüddemann


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