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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Sechs Spuren sind sechs zu viel
 
Mit der Kreissäge: Aus einer Brücke werden zwei
Zwischenüberschrift:
Planer haben sich verkalkuliert: Dütebrücke der Autobahn 1 wird für 60 Millionen Euro abgerissen und neu gebaut
 
Konstruktion von 1968 macht den Abbruch kompliziert
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Erst vier Spuren, dann sechs, dann wieder vier und nun der Abriss. Die Straßenbauer haben sich verkalkuliert, denn die 270 Meter lange Dütebrücke der Autobahn 1 in Atter ist dem Verkehr von heute nicht mehr gewachsen. In mehreren Etappen soll sie zerschnitten und durch einen Neubau ersetzt werden. 60 Millionen Euro kalkuliert der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen für die komplizierte Operation.

Der sechsstreifige Ausbau der Hansalinie steht schon lange auf der Bundesfernstraßen-Agenda. Da passte es den Planern gut ins Konzept, dass sich die 1968 errichtete Dütebrücke in Atter augenscheinlich so reibungslos umrüsten ließ.

2004 wurde das Bauwerk gründlich untersucht. Mit dem Resultat, dass die Statik zwei Spuren mehr verkraften würde. Schon im Folgejahr begann das Land Niedersachsen mit dem Umbau. Dabei wurde nicht etwa die Brücke verbreitert, sondern die Fahrbahn im Wesentlichen auf Kosten der Standstreifen.

Aus heutiger Sicht erscheint es kühn, der betagten Konstruktion mit einem Federstrich diese Mehrbelastung aufzubürden. Denn die Bauingenieure hatten mit Zahlen gerechnet, die eigentlich schon veraltet waren. 2010 trat eine neue Berechnungsgrundlage in Kraft mit deutlich höheren Lasten. Damit entzogen die Verantwortlichen dem sechsstreifigen Umbau nachträglich das Fundament.

Unter den verschärften Vorgaben schmolzen die Sicherheitsreserven zusammen wie ein Schneemann in der Frühlingssonne. Gerade noch fünf Jahre Lebensdauer attestierten die Statiker dem Bauwerk. Das war 2011. Als Sofortmaßnahme wurden die beiden neuen Fahrstreifen gleich wieder stillgelegt. Dauerhaft. Und beim Bund ein Ersatzneubau beantragt. 2016 sollen die Arbeiten beginnen. 60, 1 Millionen Euro werden dafür veranschlagt und vier Jahre Bauzeit.

Haben die Straßenbauer leichtfertig gehandelt, als sie vor zehn Jahren grünes Licht für den sechsspurigen Ausbau gaben? Wurden fahrlässig öffentliche Mittel aufs Spiel gesetzt? Und wie stand es um die Sicherheit der Autofahrer, die vom Verfallsdatum nichts wussten?

Es gehe nicht um akute Einsturzgefahr, sagt Harald Freystein, Brückenbauexperte der Niedersächsischen Behörde für Straßenbau und Verkehr. Sondern um extreme Belastungen, die das Material schneller ermüden ließen: " Der schwere Lkw-Verkehr tut den Brücken weh!" Und verkürze damit ihre Lebenserwartung. In einem aberwitzigen Ausmaß habe die Tonnage auf den Fernstraßen zugenommen, Schritt für Schritt seien die Normen angepasst worden. Wenn ein Brückenbauingenieur in den 60er-Jahren nach den Anforderungen von heute gerechnet hätte, dann, so Freystein, " hätten sie ihn wahrscheinlich gleich weggeschlossen".

Den Schaden, der durch den sechsspurigen Ausbau entstanden ist, hält der Straßenbauer für " sehr begrenzt. Eine neue Brücke koste 2500 Euro pro Quadratmeter, für die beiden Fahrspuren seien nur 100 bis 150 Euro pro qm ausgegeben worden. Eine verlorene Investition, die er zwar bedauert, aber mit einem Vergleich relativiert: " Man kauft einen Satz Reifen und denkt, das Auto hält noch." Heute sei man eben schlauer als vor zehn Jahren. Und vorsichtiger.

" Keiner würde seine Hand dafür ins Feuer legen", sagt
Nikolai Weber, Projektleiter des Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen. Weil ihre Schäden bekannt sind, steht die Brücke unter verschärfter Beobachtung. Einmal im Jahr wird das gesamte Bauwerk einer Sonderprüfung unterzogen. Dabei klopfen zwei Fachleute im Auftrag von Straßen NRW zwei Wochen lang jeden Quadratmeter ab, halten Ausschau nach Lecks und Rissen. Vier oder fünf Jahre muss ein Teil der Brücke noch halten. Nur mit einer zusätzlichen Stabilisierung ist das zu schaffen. Es muss schnell gehen. Die ersten Aufträge sind schon vergeben.
Bildtexte:
Das Verfallsdatum bald erreicht: Aus einem Stück wurde die Autobahnbrücke in Atter 1968 gebaut. Vor dem Abriss muss sie der Länge nach durchgeschnitten werden.
Hier war mal ein Fahrstreifen: Nach der Neuberechnung wurde er sofort wieder abgesperrt und zur Standspur umgewidmet. Die Brücke ist den Belastungen nicht gewachsen.
Unter verschärfter Beobachtung steht die Brücke, seit ihre begrenzte Lebensdauer errechnet wurde.
Nicht mehr zu retten: Die 270 Meter lange Autobahnbrücke aus dem Jahr 1968 wurde noch vor wenigen Jahren sechsstreifig ausgebaut, dann aber doch auf vier Spuren begrenzt. Jetzt ist sie reif für den Abriss.
Fotos:
Gert Westdörp

Osnabrück. So etwas gibt es nur in Atter: Die Autobahnbrücke über die Düte wurde vor 46 Jahren in einem Stück erbaut. Das macht ihren Abriss zu einer besonderen Herausforderung. Auf 270 Meter Länge muss das Bauwerk zunächst in zwei Hälften zersägt werden. Die sind aber allein nicht tragfähig.
" Das ist europaweit einmalig", sagt Projektleiter Nikolai Weber vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen. Fast alle Autobahnbrücken bestehen aus zwei separaten Bauwerken mit den Fahrbahnen für jeweils eine Richtung. So eine Teilbrücke ist deshalb auch ohne ihr Gegenstück funktionsfähig. Ganz anders die Dütebrücke in Osnabrück. Brückenspezialist Nikolai Weber von Straßen NRW kann sich gar nicht erklären, warum seine Vorgänger von 1968 sie als Einteiler konzipierten.
Beim Abbruch der Autobahnbrücke erweist sich die Konstruktion als großes Handicap. Weil der Verkehr während der Bauzeit weiterfließen soll, muss zunächst eine Hälfte der Brücke stehen bleiben. Deshalb wollen die Straßenbauer die Betonkonstruktion auf ihrer gesamten Länge mit fünf oder sechs riesigen Kreissägen trennen.
Wenn die Operation gelungen ist, kann die östliche Seite abgetragen werden, während Autos und Lastwagen in vermindertem Tempo über die verbleibende westliche Brückenhälfte rollen. So weit die Theorie. Die verbleibende Brückenhälfte allein ist aber nicht standsicher, schon gar nicht, wenn sie allein den gesamten Verkehr aufnehmen soll immerhin 64 000 Fahrzeuge täglich, davon 16 000 Lkw.
Um das amputierte Bauwerk zu stützen, muss deshalb zuvor ein massives Traggerüst errichtet werden. Eine ähnliche Konstruktion wie die Schalung, die damals beim Bau der Brücke verwendet wurde, sagt Weber. Allerdings noch etwas stabiler, weil es nicht nur das Gewicht der Brücke, sondern auch die Lasten des Verkehrs aushalten muss.
Sobald die östliche Hälfte abgebrochen ist, kann mit dem Neubau begonnen werden für die drei Spuren in Richtung Münster. Die nächsten Schritte ergeben sich von selbst: Umleitung auf das neue Bauwerk, Abbruch der westlichen Brückenhälfte mit anschließendem Neubau für die drei Spuren in Richtung Bremen.
Vier Jahre kalkuliert der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen für Abriss und Neubau. Erschwert wird die Planung, weil die Brücke nicht nur die Düte, sondern auch die elektrifizierte Eisenbahnstrecke zwischen Osnabrück und Amsterdam überspannt. Wegen der Oberleitung können bestimmte Arbeiten nur in vorher festgelegten Betriebspausen ausgeführt werden. Ein weiteres Handicap für die Straßenbauer ist der Umstand, dass sie das benachbarte Naturschutzgebiet während der Bauarbeiten als absolute Tabuzone respektieren müssen.
Errichtet wird die neue Dütebrücke in Stahlbetonverbundbauweise. Weil die Widerlager zurückgesetzt werden, erhöht sich ihre Gesamtlänge auf stolze 301 Meter. Als Lebensdauer werden heute übrigens 80 bis 100 Jahre kalkuliert.
Bildtext:
Beschmiert, aber wiederverwertbar: Die Lärmschutzwand auf der Dütebrücke soll auch auf dem Neubau installiert werden, dann allerdings etwas höher als bisher.

Länger und natürlich breiter

Die neue Dütebrücke wird als Stahlbetonverbundkonstruktion errichtet. Statt der acht Stützenpaare sind nur noch sieben erforderlich, die gesamte Breite wächst auf 36, 60 m, die Länge auf 301 m. Für jeden Pfeiler müssen 13 Ortbetonpfähle 20 bis 24 Meter tief in den Untergrund gerammt werden. Die Lärmschutzwand von 2007 wird abmontiert und, auf vier Meter erhöht, erneut installiert.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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