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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Kampf gegen die Anarchie am Neumarkt
 
Fußgänger am Neumarkt machen Probleme
Zwischenüberschrift:
Schaulust und Leichtsinn zwingen Bauarbeiter und Busfahrer zu besonderer Vorsicht
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Die einen irrlichtern um die Baustelle herum und brechen auf ihrem Weg auf die andere Straßenseite eine Verkehrsregel nach der anderen, die anderen können sich von ihrem Stammplatz am Bauzaun gar nicht mehr trennen und behindern so die Arbeiten: Fußgänger bereiten den Verantwortlichen und Ausführenden des Tunnelabbruchs am Neumarkt Kopfzerbrechen.
Täglich bringen sich viele durch leichtsinniges und rücksichtsloses Verhalten nicht nur selbst in Gefahr, sondern auch die Bauarbeiter und Busfahrer gehörig ins Schwitzen. Permanent sucht die Stadt Osnabrück den besten Kompromiss zwischen Sensation und Sicherheit. Ein Grat, so schmal wie der mit Baken abgesteckte Pfad, welcher die Massen zurzeit von der Großen Straße am Krater vorbei in die Johannisstraße führt.

Osnabrück. Am Anfang schimpften alle über störrische Autofahrer, die trotz der Sperrung unbeirrt und schnurstracks über den Neumarkt fuhren. Dank strenger Kontrollen durch die Polizei hat sich das Problem aber so gut wie erledigt. Jetzt, wo die Blechlawine ausbleibt, wird ein anderes deutlich: Das größte Hindernis rund um die Riesenbaustelle in der Innenstadt sind die Fußgänger.

Die einen hechten bei Rot und abseits der markierten Furten über die Straße und stürzen damit anrollende Busfahrer in große Not. Die anderen beugen sich für einen Blick in den Krater weit über Absperrungen und blenden dabei alle Gefahren aus, die von den zig Tonnen schweren, weit ausschwenkenden Abbruchmaschinen und umherfliegenden Stahlbetontrümmern ausgehen. Wieder andere stellen gaffend die Ein- und Ausgänge der Baustelle zu, sobald sich irgendwo ein Spalt für Last- und Lieferwagen öffnet. Manche sind aber auch einfach nur desorientiert in diesem von Dreck und Lärm begleiteten Getümmel, das sich wie eine Horde Ameisen seine Wege von der einen auf die andere Straßenseite über weite und wechselnde Pfade suchen muss.

" Natürlich wollen die Leute gucken", weiß Lutz Vorreyer vom Fachdienst Straßenbau, der das Projekt Tunnelabbruch leitet. Am liebsten aber hätte der Chefingenieur in Diensten der Stadt meterhohe, blickdichte Wände um die Baustelle gezogen. " Zum Schutz der Fußgänger, aber auch zu unserem eigenen. Denn ein Unfall ist das Schlimmste, was uns passieren kann."

Der Neumarkt: An keinem anderen Ort der Innenstadt knubbelt es sich so wie hier. 90 000 Menschen, die in Busse ein- und aussteigen, zählt der Osnabrücker Verkehrsbetrieb täglich. Hinzu kommen Einkaufsbummler, Spaziergänger und Schaulustigen, die sich beim Anblick von stählernen Ungetümen die Zeit vertreiben. Sei es der Angestellte in der Mittagspause, die junge Mutter mit ihrem Kind oder die Oma samt Enkel: " Wahnsinnige Ströme" von Fußgängern hat Lutz Vorreyer folglich am Neumarkt ausgemacht. Und wenn erst die Schule wieder losgehe, werde es " die Hölle".

Seit im Juni der vor über einem Jahr begonnene Passagen-Rückbau fortgesetzt wurde, sah sich die Verwaltung bereits mehrfach gezwungen, das ohnehin enge Baufeld auf Kosten der ausführenden Baufirmen weiter einzuschnüren. Eine angepasste Beschilderung soll nun die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer gewährleisten und den gestressten Bauarbeitern etwas Ruhe verschaffen. Da rüber hinaus hält die Fußgänger ein mäandernder Verbund aus hüfthohen, rot-weißen Kunststoff-Baken im Zaum. " Das mussten wir machen, weil viele Fußgänger sich nicht an die Regeln gehalten haben", erklärt Projektleiter Vorreyer. Sein Fazit nach knapp drei Monaten Tunnelabbruch: " Der Bürger unterschätzt die Gefahr."

Davon können auch die Stadtwerke ein Liedchen singen. Begegnen sich ihre Busse an der Baustelle, passt oft kein Blatt Papier zwischen die Fahrzeuge. Dann ist Schritttempo angesagt höchstens. Dass bislang am Neumarkt alles glimpflich ausgegangen sei, sei auch der besonderen Umsicht der Busfahrer zu verdanken. " Wie sie in diesem Gewusel den Überblick behalten und mit der Ausnahmesituation besonnen umgehen, davor kann man nur den Hut ziehen", erklärt Sprecher Marco Hörmeyer. " Die Busfahrer leisten einen super Job."

Monatelang hatten die Stadtwerke an einem Plan getüftelt, wie der Busverkehr während der Bauarbeiten am besten zu bewerkstelligen sei. Ununterbrochen wird daran gefeilt. Viel investiert der Verkehrsbetrieb auch in die Information vor Ort. Offizielle Stellen sprechen von einem " prominenten fünfstelligen Betrag", auf dem die Stadtwerke wegen diverser Marketingaktionen rund um die Neumarkt-Baustelle hängen bleiben.

Wie schon in der ersten Bauphase im Sommer 2013 sendet das " Unternehmen Lebensqualität" etwa Heerscharen von Engeln in gelben Warnwesten aus, die Fahrgästen in und aus dem Bus helfen, ihnen Abfahrtspläne erklären und sie zum richtigen Bussteig führen was nicht einfach ist, seit die Haltestellen vor dem Landgericht verschwunden sind und die in der Johannisstraße vorübergehend nicht angefahren werden. Unterstützt werden sie dabei von geschulten Mitarbeitern der Bahnhofsmission. Und bei besonders großem Bedarf buchen die Stadtwerke weitere Kräfte bei einer Promotion agentur.
Bildtext:
Das größte Hindernis rund um die Riesenbaustelle am Neumarkt sind zurzeit die Fußgänger. Mit leichtsinnigen Fahrbahnüberquerungen und überbordender Neugier entlang der Absperrungen bringen sie sich immer wieder selbst in Gefahr sowie Busfahrer und Bauarbeiter ins Schwitzen.
Foto:
Gert Westdörp

Kommentar
Ignorant und rücksichtslos

Die Fußgänger machen, was sie wollen: Dieser fatale Eindruck hat sich festgesetzt bei den Verantwortlichen, Ausführenden und anderen Beteiligten der Neumarkt-Baustelle. Er stammt nicht von ungefähr.

Wer das rege Treiben an diesem Knotenpunkt selbst einmal eine Weile beobachtet und dabei nicht nur in den Krater starrt, mag die Auffassung teilen, dass Hinweisschilder und Verkehrsregeln für viele, die hier zu Fuß oder auch auf dem Rad unterwegs sind, tatsächlich nicht mehr zu sein scheinen als unverbindliche Handlungsempfehlungen. Doch diese Ignoranz und Rücksichtslosigkeit gefährden nicht nur die eigene körperliche Unversehrtheit. Sie strapazieren auch unnötig die Nerven von Dritten, die eigentlich nur in Ruhe und angstfrei ihr Tagwerk erledigen wollen (und sollen). Allen voran die Bauarbeiter und Busfahrer.

Es grenzt an ein Wunder, dass dies- und jenseits des Bauzauns noch niemand nennenswert zu Schaden gekommen ist, seit hier wieder die Bagger rollen. Aber es ist keins: Nur den vielfältigen Vorkehrungen und Vorsichtsmaßnahmen der Stadt ist das zu verdanken.
Autor:
Sebastian Stricker


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