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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Adresse mit wechselhafter Geschichte
Zwischenüberschrift:
Die Schlossstraße 15 beherbergte schon die erste Privat-Kita der Stadt und ein Hotel
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Die Schlossstraße war schon immer eine gute Adresse, insbesondere östlich des Walls. Wer hätte schon etwas gegen die Nachbarschaft des fürstbischöflichen Residenzschlosses und des prächtigen Schlossgartens einzuwenden? Das dachte sich wohl auch Familie Schürbrock, als sie 1921 die Pläne für eine frei stehende Villa auf dem Grundstück Schlossstraße 15 einreichte, zwei Häuser weiter als Familie Nußbaum. Seither hat das Gebäude viel erlebt.

Aus unbekannten Gründen verkaufte Fräulein Hedwig Schürbrock das 1925 fertiggestellte Haus noch in den 1920er-Jahren an den wohlhabenden Arzt Dr. Eugen Schlief und dessen Ehefrau Maria. Schlief war 1927 zum Chefarzt der Inneren Medizin am Marienhospital avanciert. Die Familie wohnte froh und glücklich in der repräsentativen, an klassizistischen Vorbildern orientierten Villa mit dem großen Gartengrundstück. Bis 1942 die ersten Bomben fielen und das Haus stark beschädigten. Sohn Peter Schlief spricht heute von " grenzenlosem Optimismus", den seine Eltern damals noch besessen hätten, als sie das Haus wiederaufbauten. Besondere Mühe hätten sie sich nicht zu geben brauchen, denn Palmsonntag 1945 wurde das Haus abermals getroffen und diesmal noch gründlicher zerstört.

Der Brand hatte selbst die stehen gebliebenen Außenmauern so geschädigt, dass sie abgetragen werden mussten. " Wir hausten zunächst in einer Holzbaracke im Garten", erinnert sich Peter Schlief, " bis dann 1947 das Erdgeschoss wieder hochgezogen war, und wir unter einem Notdach wieder einziehen konnten." 1952 waren das Obergeschoss und der Dachstuhl aufgesetzt, Letzterer in vereinfachter Form, denn " Denkmalschutz war damals kein Thema", so Schlief.

Die meisten Menschen mussten sich nach dem Krieg neu orientieren und eine Aufgabe suchen, von der sie leben konnten. So auch Peter Schliefs unverheiratet gebliebene Schwester Marianne. Startkapital war der für die Nachkriegsverhältnisse üppig vorhandene Wohnraum der Familie. Bevor irgendwelche Zwangseinweisungen ins Haus standen, lebte Marianne ihren " Kinderwunsch" auf besondere Art und Weise aus: Sie bekam gleich mehr als hundert davon, und zwar als Leiterin eines von ihr gegründeten Privatkindergartens im Obergeschoss des Hauses. Viele andere Kindergärten öffentlicher Träger lagen noch in Trümmern, da kam eine Privatinitiative dieser Art gerade recht.

Der " Kindergarten im Wohnzimmer", wie er später auch genannt wurde, erfreute sich von Anfang an großer Beliebtheit und kam fast nie ohne lange Wartelisten für die Anmeldung aus. Insbesondere, nachdem die Stadt die Kinderzahl auf 40 begrenzt hatte, was angesichts der Raumverhältnisse 130 Quadratmeter verteilt auf einen großen und drei kleinere Räume und der begrenzten Rettungsmöglichkeiten aus dem Obergeschoss heute durchaus nachvollziehbar erscheint.

Gespielt wurde aber keineswegs nur im Wohnzimmer. " Der große Garten war einfach ideal", erinnert sich die heutige Leiterin Sabine Ellermann. Dieser stieß bis an die Rückfront des Finanzamts. Eigentlich war nur eine Hälfte für die Kinder vorgesehen und die andere Hälfte der im Haus wohnenden Seniorin Maria Schlief vorbehalten. " Aber wenn wir mal mehr Platz brauchten, dann haben wir gefragt, ob wir den ganzen Garten belegen dürfen, und dann hieß es eigentlich immer: Na gut!′", so Ellermann.

Sie selbst ist seit 1981 dabei. Lange Betriebszugehörigkeiten des pädagogischen Personals scheinen ein Markenzeichen des Kindergartens zu sein und für ein ausgesprochen gutes Klima zwischen allen Beteiligten zu sprechen. Ellermanns Vorgängerin, die vor zwei Monaten in den Ruhestand verabschiedete Edeltraut Saal, brachte es sogar auf 39 Dienstjahre.

Das enge Vertrauensverhältnis zu den Eltern kam in der ersten Krise des Kindergartens zum Ausdruck, als die Gründerin und Leiterin Marianne Schlief 1972 überraschend im Alter von nur 48 Jahren starb. Es entsprach ihrem Vermächtnis, dass der Kindergarten weitergeführt werde. Die Elternschaft wollte es sowieso, begab sich sogar in unternehmerische Verantwortung und gründete den bis heute bestehenden Trägerverein " Marianne Schlief e. V.". Die Seniorin Maria Schlief begnügte sich als Hauseigentümerin mit einer eher symbolischen Miete und war froh, dass das Lebenswerk ihrer Tochter fortbestand.

Alles änderte sich und jetzt kam die Krise Nummer zwei mit dem Tod von Maria Schlief 1987. Eine Rechtsanwältin kaufte der Erbengemeinschaft das Haus ab und erhöhte die Miete auf ein nach ihrer Ansicht ortsübliches Maß, was die Kalkulationsgrundlage des Trägervereins jedoch über den Haufen warf und ihn an den Rand des Konkurses brachte. Einige weitere Streitpunkte mit der neuen Eigentümerin, der der Klageweg nicht unbekannt war, führten schließlich dazu, dass der Trägerverein sich nach einer neuen Bleibe umsah. Und 1992 im Haus Katharinenstraße 22 auch fand. Die Stadt war bereit, die Umbaukosten dort zu übernehmen. Alles wäre wieder gut gewesen, wenn nicht der Erdboden im Garten als schadstoffbelastet erkannt worden wäre. Fast ein Jahr konnten die Kinder nicht draußen spielen, weil der Boden ausgekoffert werden musste. Und damit noch nicht genug: Auch der neue Boden enthielt in unzulässiger Konzentration Giftstoffe, sodass ein zweiter Austausch notwendig wurde.

Doch all diese Krisen sind überstanden. Seit 1997 bewegt sich der Kindergarten " Marianne Schlief" wieder in ruhigem Fahrwasser und erfreut sich auch in der Katharinenstraße lebhaften Zuspruchs.

Auch an der Schlossstraße 15 ging das Leben weiter. Nach einer Zwischennutzung mit Obdachlosen und Asylbewerbern richtete die Rechtsanwältin das Haus zu einem kleinen, aber feinen Garni-Hotel her. Die Nähe des Residenzschlosses münzte sie in " Schlossresidenz" als klangvollen Namen dafür um. Gemeinsam mit ihrem griechischen Lebensgefährten, einem früheren Kapitän in der Handelsmarine, sprach sie ein gehobenes Übernachtungspublikum an, das bereit war, für die mit wertvollen Antiquitäten individuell möblierten sieben Zimmer auch entsprechende Preise zu bezahlen.

Nach dem Tod der Rechtsanwältin führte ihr Partner den Hotelbetrieb erfolgreich weiter, bis er ihn im Februar 2013 aus Altersgründen aufgab und das Anwesen verkaufte. Derzeit wird wieder umgebaut und renoviert. Dem Vernehmen nach will ein Textilkaufmann aus Düsseldorf dort Musterräume einrichten.
Bildtexte:
Die Stadtvilla Schlossstraße 15 wird nach ihren Lebensabschnitten als Wohnhaus, als Kindergarten und als Hotel gerade wieder einmal renoviert.
" Tante Marianne" und ein Teil ihrer Kinderschar: Kindergartengründerin und - leiterin Marianne Schlief in den 1950er-Jahren im Garten des Hauses Schlossstraße 15. Fotoanlass war offensichtlich der Abschied von den " Großen", die in die Schule kommen.
Der große Garten war zum Spielen ideal, wie diese Aufnahme aus dem Jahr 1958 beweist.
Fotos:
Joachim Dierks, Archiv Kindergarten Marianne Schlief
Autor:
Joachim Dierks
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