User Online: 3 | Timeout: 17:39Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Bedürftige meiden Sozialticket
 
Sozialticket floppt – und soll bleiben
Zwischenüberschrift:
Stadt will trotz schwacher Resonanz am verbilligten Busfahren für Bedürftige festhalten
Artikel:
Kleinbild
 
Kleinbild
 
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Das Sozialticket für Osnabrückpass-Inhaber ist gut gemeint, aber ist es auch gut gemacht? Eher nicht, wenn man sich die Bilanz nach einem Jahr verbilligtem Busfahren für Bedürftige in Osnabrück ansieht. Gerade einmal 3300 dieser Rabatt-Fahrscheine verkauften die Stadtwerke seit September 2013 an Bürger mit nachweislich wenig Geld. Gerechnet wurde mit über 19 000. Die wenigsten Käufer waren Neukunden. Die meisten entstammten nicht einmal der ursprünglich ins Auge gefassten Kernzielgruppe der jungen Leute und Familien. Im Gegenteil: Die Zahl der Nutzer steigt mit zunehmendem Alter, am beliebtesten ist das Sozialticket bei den über 60-Jährigen. Trotz der schwachen Resonanz wollen Stadt und Stadtwerke das Angebot beibehalten als Zeichen des guten Willens, wie es heißt.

Osnabrück. Kaum Nutzer, kein Umwelteffekt: Das vor einem Jahr auf Probe eingeführte Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr in Osnabrück hat den Härtetest nicht bestanden. Die Stadt will trotzdem an der Billigfahrkarte für Menschen mit wenig Geld festhalten als Zeichen des guten Willens.

Seit September 2013 ist das Busfahren für Bedürftige günstiger. In der Preisstufe 0 (Osnabrück/ Belm) zahlen sie bei Vorlage des Osnabrück-Passes für eine übertragbare 8-Fahrten-Karte den Kinderpreis: 10, 20 statt 16 Euro. Ein Sonderangebot, das die Zielgruppe bislang verschmäht. Schätzungsweise 3300 Sozialtickets haben die Stadtwerke erst verkauft sechsmal weniger als geplant.

" Die Nachfrage blieb hinter den Erwartungen zurück", sagt Katja Diehl, Sprecherin des Verkehrsbetriebs. Anke Jacobsen (Grüne) als Vorsitzende des Sozialausschusses nennt das Ergebnis " sehr enttäuschend".

Eine Auswertung der Stadtwerke gibt nähere Aufschlüsse. Demnach wurden von Oktober 2013 bis Juni 2014 monatlich zwischen 238 und 366 Sozialtickets gezogen. Bei etwas mehr als 16 000 Osnabrück-Pass-Inhabern (von denen weit mehr als die Hälfte minderjährig ist) entspricht das einer Quote von nicht einmal zwei Prozent. Ursprünglich angepeilt waren zehn Prozent.

Um mehr über die Nutzer zu erfahren, wurden sie während des Probelaufs zweimal anonym befragt. Aus den Angaben von 255 Sozialticket-Käufern ergibt sich folgendes Bild: Knapp drei Viertel sind weiblich, und die Bereitschaft zur Nutzung steigt mit zunehmendem Alter. So ist die Mehrzahl mindestens 60 Jahre alt (35 Prozent), gut ein Viertel zwischen 50 und 59 Jahre und rund ein Fünftel zwischen 40 und 49. Osnabrück-Passinhaber unter 20 Jahren machen vom Sozialticket fast nie Gebrauch. Entscheidend aber sind folgende Zahlen: Nicht einmal jeder zehnte Sozialticket-Käufer nutzt den ÖPNV täglich (9 Prozent), mancher sogar seltener als einmal im Monat (6 Prozent). Die meisten fahren aber mindestens einmal pro Woche mit dem Bus (53 Prozent). Schlussfolgerung der Stadtwerke: Das Sonderangebot hat bislang kaum neue Kunden gebracht. Und damit weder viel frisches Geld in die Kasse gespült noch nennenswert zur Entlastung der Umwelt beigetragen. Denn wer das Sozialticket in Anspruch nimmt, sind überwiegend Wechsler: So hatten die Anspruchsberechtigten vor der Einführung überwiegend reguläre Mehrfahrtenkarten (46 Prozent) gezogen, Tageskarten (19 Prozent) gewählt sowie Einzelfahrscheine (13 Prozent). Die wenigsten verfügten über länger gültige Zeitkarten oder sogar Abonnements.

Immerhin: Wegen der schwachen Verkaufszahlen kommt die Stadt Osnabrück das Fahrschein-Experiment weniger teuer zu stehen als angenommen. Weil sie den Stadtwerken die Differenz zum Normalpreis erstattet, zahlt die Kommune beim Sozialticket anstatt der kalkulierten 111 000 Euro im ersten Jahr nur 19 000 Euro drauf.

Abbrechen wollen den Feldversuch aber weder Stadtwerke noch Kommunalpolitiker. Im Gegenteil: Der bis zum 31. August befristete Vertrag zwischen Stadtwerken und Stadt soll sogar auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Warum? Katja Diehl vom Verkehrsbetrieb sagt, das Sozialticket habe seinen berechtigten Platz in einer gesellschaftlich ausgewogenen Tarifstruktur eingenommen, sei " ein Statement, das auch einkommensschwachen Mitbürgern Mobilität verspricht" und seine Beibehaltung " ein Signal an alle". Sozialausschuss-Vorsitzende Jacobsen erklärt: " Uns ist ganz wichtig, dass es bleibt." Das Sozialticket werde sich noch als wertvoll erweisen, weil es mehr Teilhabe am öffentlichen Leben ermögliche, so die Grüne. Und mit jedem Kunden, den es zum Umstieg von Auto auf Bus bewegt, steige auch der ökologische Nutzen. Gleichwohl fordert Jacobsen Konsequenzen aus dem Flop: " Wir müssen das Sozialticket noch mehr bekannt machen."
Bildtext:
Ladenhüter: 3300 Sozialtickets haben die Stadtwerk in einem Jahr verkauft - sechsmal weniger als geplant. Die 8-Fahrten-Karte ermöglicht Osnabrück-Pass-Inhaber eine innerstädtische Busbenutzung zum Kinderpreis.
Foto:
Klaus Lindemann

Kommentar
Noch zu teuer

Das Sozialticket ist in seiner jetzigen Form ein Ladenhüter. Stadt und Stadtwerke wollen es trotzdem weiter ins Schaufenster stellen. Um das Produkt anzupreisen, was ein Jahr lang völlig verschlafen wurde? Vielleicht. Wahrscheinlich aber auch, um sich mit dem bloßen Angebot zu schmücken. Frei nach dem Motto: Seht her, wir leisten uns in Osnabrück eine ÖPNV-Subvention für Bedürftige! Wie scheinheilig. Solange sich das Sozialticket nicht verkauft wie geschnitten Brot und damit der Sozialetat schmerzhaft belastet wird, ist die Großzügigkeit vorgeschoben.

Das Sozialticket sollte mehr sein als ein Statement. Um die gewünschten Effekte zu erzielen, also Neukunden-Gewinnung und Umweltschonung, muss es aber viel enger auf die Zielgruppe zugeschnitten werden. Und weil die schon per Definition wenig Geld hat, geht das erst recht nur über den Preis. Ein Rabatt auf den Normaltarif von gut einem Drittel ist für Osnabrück-Pass-Inhaber jedenfalls zu wenig, anders gesagt: Über zehn Euro für acht innerstädtische Busfahrten sind Hartz-IV-Beziehern und anderen Empfängern von Sozialleistungen zu viel. Aber muss Busfahren sie überhaupt etwas kosten? In Tagen, wo laut über ein Bürgerticket nachgedacht wird, ist diese Frage erlaubt. Die Stadtwerke-Auswertung belegt: Junge Leute und Familien wissen mit dem jetzigen Sozialticket überhaupt nichts anzufangen. Dabei hatten die Planer gerade sie als Nutzer im Auge.
Autor:
Sebastian Stricker


Anfang der Liste Ende der Liste