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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
"Schält die Kartoffeln dünn!"
Zwischenüberschrift:
Januar 1915: Sorge um Getreidevorräte, fremdländische Namen und Steuererklärungen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Mit staatstragendem Pathos blickt das " Osnabrücker Tageblatt" auf den Jahreswechsel zurück: " Stiller und ernster als sonst sind wir in das neue Jahr hinübergezogen, mit dem der Krieg 1914 zum Krieg 1914/ 15 geworden ist; stiller, aber nicht weniger hoffnungsvoll und zuversichtlich und erfüllt von der Siegesgewissheit, welcher der Kaiser in seiner Ansprache Ausdruck gab."

Im Großen Hauptquartier zu Charleville-Mézières hatte Wilhelm II. am Neujahrstag erklärt, dass das deutsche Volk " in beispielloser Eintracht" bereit sei, sein bestes herzugeben für den heiligen heimischen Herd, " den wir gegen frevelhaften Überfall verteidigen". Indessen sieht die Ernährungslage rund um den heimischen Herd zunehmend kritisch aus. Gekappte Importwege und unzulängliche Bevorratung wirken sich aus, wie man aus heutiger Sicht ergänzen könnte. Das Weizenmehl wird nach amtlichen Schätzungen nur noch bis April 1915 reichen.

Kriegsbrot

Als Maßnahme zur Streckung der Vorräte wird das " Kriegsbrot", abgekürzt " K-Brot", propagiert, das bis zu 20 Prozent Kartoffelmehl oder Kartoffelflocken enthält. Leider werde es noch viel zu wenig verlangt, klagt das " Tageblatt", besonders in den wohlhabenderen Gegenden, und sieht darin ein " Zeichen dafür, dass der Bevölkerung der Ernst der Nahrungsmittelversorgung im Kriege noch nicht genügend einleuchtet. Jedermann sollte das K-Brot als dasjenige ansehen, welches ihm die patriotische Ehre als Nahrungsmittel vorschreibt, und jede Anschauung, als ob dieses Brot etwa eine Proletarisierung des Speisezettels für ihn bedeute, sollte er als unpatriotisch zurückweisen."

Schweinefutter

In der Rubrik " Kriegshilfe für die Hausfrau" wird daran erinnert, dass bei dem großen Mangel an Schweinefutter (" Wer Brotgetreide verfüttert, versündigt sich am Vaterlande und macht sich strafbar!") mehr als bislang die Küchenabfälle dafür Verwendung finden müssen. " Wir bitten unsere Hausfrauen, die als Schweinefutter geeigneten festen Küchenabfälle (Fleisch, Fisch, Brot, Gemüse, Kartoffelschalen usw.) getrennt von dem Hausmüll in geeigneten Behältern aufzubewahren. Die Abholung erfolgt von der städtischen Müllabfuhr mit besonderen Wagen." Die Abfälle sollen zunächst in der städtischen Schweinemästerei auf dem Grundstück der Armen-Arbeitsanstalt verwertet werden. Wenn mehr anfällt, als dort verfüttert werden kann, ist an eine Abgabe auch an private Haushalte mit Schweinehaltung gedacht.

Weitere Ratschläge: " Schält die Kartoffeln dünn, oder besser noch, kocht sie mit der Schale! Kauft kein Weißbrot, sondern K-Brot! Jede alte Brotrinde ist heute kostbar. Halten wir auch die Kinder an, das Brot zu schätzen. Bringen wir ihnen bei, dass es Sünde ist, wenn auch nur das kleinste Stück verkommt." Besonders am Weizenmehl soll gespart werden: " Voll Scham muss uns Hausfrauen der Gedanke erfüllen, dass auch hier in Osnabrück in der Kriegszeit der Kuchenverbrauch gestiegen ist. Jetzt, wo das Weihnachtsfest vorüber und leider eine gewaltige Menge Weizenmehl zum Kuchenbacken verwendet ist, müssen wir uns die Entbehrung an Kuchen auferlegen."

Am 15. Januar tritt eine Bundesratsverordnung in Kraft, die ebenfalls darauf abzielt, die Weizenvorräte zu schonen. Danach darf zwischen 7 Uhr abends und 7 Uhr morgens nicht gebacken werden. Bislang begann das Brötchenbacken um 3 Uhr oder 4 Uhr in der Früh, um frische Brötchen für den Morgenkaffee herzustellen. " Wer solche will, wird sie altbacken′ genießen müssen. Richtiger wäre es, das Brötchenessen in der Kriegszeit ganz aufzugeben, und zwar im vaterländischen Interesse", schreibt das " Tageblatt".

Eingedeutschte Namen

Das " Kaffeehaus Bellevue vor dem Martinitore" und das " Café Monopol am Johannistore" haben ihre Namen mehr oder weniger freiwillig verdeutscht. Sie heißen jetzt " Zur schönen Aussicht" und " Kaffee Deutsches Haus". Die Zeitung kommentiert: " Beides sind gut deutsche Bezeichnungen, die angenehm berühren und ein weiterer Beweis dafür sind, dass unsere Sprache reich genug ist, um allen Anforderungen zu genügen."

Der Krieg habe nicht nur etliche Familien in tiefe Trauer gestürzt, da viele Söhne der Stadt " ihren Heldenmut mit dem Tod besiegelt" haben, betont Oberbürgermeister Julius Rißmüller in seiner Rede zum Handgiftentag. Er habe auch der Stadtverwaltung unerwartete Aufgaben beschert wie die Regelung von Einquartierungen, die Fürsorge für Familien ohne Vater, die Errichtung von Speisehallen, die Sorge für die Arbeitslosen, die Beschaffung von Lebensmitteln und die Festsetzung von Höchstpreisen.

Bau der Backhausschule

Dennoch sei eine ganze Reihe von im Frieden begonnenen Maßnahmen fertiggestellt oder entscheidend befördert worden. Rißmüller nannte Brücken im Zuge der Höherlegung der Eisenbahn, Kleinwohnungen an Oststraße und Blücherstraße, die evangelische Knabenbürgerschule (Backhausschule), die städtische Sparkasse am Neumarkt, das Eichamtsgebäude, die Stadtgärtnerei am Westerberg, die katholische Bürgerschule am Herrenteichswall. Der Stadthafen sei leider noch nicht fertig, damit dürfe man aber wohl in der ersten Jahreshälfte 1915 rechnen.

Die Fiskalverwaltung hat verfügt, dass auch im Feld stehende Soldaten die Steuererklärung für 1914 pünktlich abzugeben haben. Das wird vielfach als unsensibel und unverständlich kritisiert. Ein gewisser Gottlieb verfasst ein Spottgedicht, das die Zeitung abdruckt: " Und als er nach Polen gezogen, das blitzende Schwert in der Hand, ward ihm der Steuerbogen feldpostlich nachgesandt. Was galt ihm jetzt Schlaf und Ernährung, seine einzige Sorge war: Abgabe der Steuererklärung, bis 20. Januar. Weit mehr als des Todes Grinsen interessierte es ihn, die Hypothekenzinsen vom Einkommen abzuzieh′n."
Bildtext:
Kriegsbrot statt Nuckelflasche und Plätzchen: So fordert es eine zeitgenössische Propagandakarte (aus der Sammlung des Kulturgeschichtlichem Museum Osnabrück).
Autor:
Joachim Dierks


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