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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Villa Schlikker als Gedenkort für Calmeyer
 
Villa Schlikker bald Hans-Calmeyer-Haus?
Zwischenüberschrift:
Rat erwägt Umbenennung des früheren Nazi-Hauptquartiers zu Ehren des Osnabrücker Judenretters
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Als Saboteur der " Endlösung" rettete der Osnabrücker Rechtsanwalt Hans Calmeyer (1903– 1972) im Zweiten Weltkrieg vielen Tausend Juden das Leben. Weil er als Mitarbeiter einer Hitler-Behörde in Holland gemeinsam mit den Verfolgten Stammbäume fälschte, wurde er schon vor langer Zeit vom Staat Israel als " Gerechter unter den Völkern" geehrt. Allein seine Heimatstadt tat sich bislang schwer damit, dem Leben und Werk des Beamten im Widerstand publikumswirksam gerecht zu werden.
Der Rat der Stadt Osnabrück hat nun die Verwaltung einstimmig damit beauftragt, die Eignung der Villa Schlikker als Ort für eine Dauerausstellung zu Calmeyer zu überprüfen. Auch eine Umbenennung des früheren Nazi-Hauptquartiers in Hans-Calmeyer-Haus wird erwogen.

Osnabrück. Ausgerechnet das " Braune Haus" in Osnabrück könnte bald den Namen eines weltberühmten Judenretters tragen. Der Rat erwägt, die Villa Schlikker in Hans-Calmeyer-Haus umzubenennen und das frühere Nazi-Hauptquartier dem Leben und Werk jenes Osnabrücker Rechtsanwalts zu widmen, der im Zweiten Weltkrieg viele Tausend verfolgter Menschen vor der Ermordung bewahrte.

Die Verwaltung wird prüfen, wie Hans Calmeyer (1903–1972) am besten in das zu überarbeitende Museumskonzept der Stadt passt. Anschließend soll die Sache im Kulturausschuss weiterverhandelt werden. Der entsprechende Beschluss, dem ein Antrag der CDU vorausgegangen war, fiel einstimmig.

" Es gibt in Osnabrück keinen Ort, in dem Hans Calmeyers Rettungswerk ausführlich und angemessen dargestellt wird", bedauert CDU-Fraktionsvorsitzender Fritz Brickwedde. In der Tat beschränkt sich die öffentliche Erinnerung in Calmeyers Geburtsstadt nahezu auf den nach ihm benannten Platz an der Lotter Straße (Westerberg), sein Ehrengrab am Heger Friedhof sowie eine 2012 enthüllte Gedenktafel an dessen Geburtshaus in der Martinistraße 17. Brickwedde forderte deshalb eine Dauerausstellung zu Ehren des Wohltäters, mit der sich Osnabrück " als Friedensstadt weiter profilieren" könne. Diese würde besonders Touristen aus den Niederlanden anziehen, so Brickwedde. Denn die meisten der von Calmeyer geretteten Juden stammten von dort.

Als Stätte einer würdigen Präsentation schwebt dem Chef der größten Ratsfraktion die Villa Schlikker vor, gegenwärtig Teil des Kulturgeschichtlichen Museums. Möglicherweise scheine sogar " eine Umbenennung des Gebäudes in Hans-Calmeyer-Haus geboten", sagt Brickwedde. Die im Jahr 1900 als Wohnhaus eines Industriellen errichtete Villa Schlikker war von 1932 bis 1945 Sitz der örtlichen NSDAP. Hier wurden während des Nationalsozialismus die Geschicke der Stadt bestimmt. Der Volksmund taufte es deshalb " Braunes Haus". Als die Alliierten nach Kriegsende die Stadt besetzten, richteten sie in der Villa Schlikker eine Militärregierung ein. Seit den 1960er-Jahren dient das Haus als Museum.

" Endlösung" sabotiert

Kommunalpolitiker aller Fraktionen und Gruppen zeigen sich offen für den Gedanken, Hans Calmeyer mehr Raum zu geben. " Er sollte in unserer Stadt mehr präsent sein gar keine Frage", bringt Christopher Cheeseman (Die Linke) die Sicht der Ratsmitglieder auf den Punkt. Ganz neu ist der Gedanke freilich nicht: Ex-Oberbürgermeister Boris Pistorius (SPD), heutiger Innenminister von Niedersachsen, hatte bereits vor zwei Jahren dafür geworben, in Osnabrück eine Schule nach Hans Calmeyer zu benennen. Und in der Schublade der örtlichen Hans-Calmeyer-Initiative schlummert seit geraumer Zeit ein Konzept für eine " Bleibe und Wirkungsstätte" zu Ehren des Judenretters auf dem Konversionsgelände an der Landwehrstraße.

Hans Calmeyer hatte zwischen 1941 und 1945 in den von Deutschland besetzten Niederlanden als Referent im Reichskommissariat die " Endlösung" sabotiert, indem er vielen Tausend Juden mit grotesken bürokratischen Tricks und Schwindeleien eine unverdächtige Abstammung attestierte und sie so vor dem Vernichtungslager bewahrte. Dokumentiert ist sein Rettungswerk im Archiv der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem .
Bildtexte:
Als Wohnhaus wurde die Villa Schikker 1900 von einem Industriellen errichtet. Dem die Nazis in Osnabrück diente sie als Parteisutz, den Allierten als Stadtkommantur. Seit dem 1960er-Jahren ist das Gebäude als Museum in gebrauch.
Von 1933 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war die Villa Schlikker die Verwaltungszentrale der Nationalsozialistischen Partei in Osnabrück. Der Volksmund taufte sie deshalb " Braunes Haus".
Hans Calmeyer, geboren 1903 und gestorben 1972 in Osnabrück, registrierte für die Nazis in den Niederlanden Juden. Tausenden rettete der Jurist das Leben. Unser Archivbild stammt aus den 1950er-Jahren.
Foto:
Jörg Martens, NOZ-Archiv

Kommentar
Besser spät als nie

Ein Straßenschild, ein Grab, ein Gedenktäfelchen: Viel mehr findet nicht, wer heute in Osnabrück nach Spuren von Hans Calmeyer sucht. Dabei stünde es der selbst ernannten Friedensstadt gut zu Gesicht, ihre mütterliche Verbundenheit mit einem der mutmaßlich größten Widerstandshelden geradezu in die Welt zu schreien. Stattdessen behandelt sie den Judenretter wie ein Stiefkind. Falsche Bescheidenheit! Oder schlechtes Marketing.

Es ist gut, dass im Gedenkjahr 2014, also 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, jetzt erneut ein Versuch unternommen wird, Hans Calmeyer endlich und dauerhaft ins kollektive Bewusstsein seiner Geburtsstadt zu rücken. Verehrt von den Nachfahren der Verfolgten, geadelt durch den Staat Israel vergessen von seiner Heimatstadt? Das darf nicht sein. Wer Osnabrück besucht, darf an Leben und Rettungswerk des todesmutigen Juristen nicht vorbeikommen.
Autor:
Sebastian Stricker
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