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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Der Wind pfiff durch die Fensterhöhlen
Zwischenüberschrift:
Der zerstörte Nikolaiort
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Ein trostloses Bild bot der Nikolaiort an jenem kalten Wintertag vor rund 70 Jahren, als Flugschnee die Straßenbahngleise verdeckte und nur wenige Passanten sich auf den einst verkehrsreichen Platz wagten. Was sollten sie da auch, " Window-Shopping" wäre sinnlos gewesen. Das einst stolze Kaufhaus Hettlage & Lampe in der Bildmitte war nichts mehr als eine ausgebrannte Ruine mit schwarzen Fensterhöhlen.

Das undatierte Foto ist möglicherweise an einem Sonntag im Winter 1944/ 45 aufgenommen worden darauf deutet die gänzliche Abwesenheit von Fahrzeugen hin. Jedenfalls muss es nach dem 13. September 1944 gewesen sein, dem Tag des zweitschwersten Luftangriffs, der dem alten Osnabrück sein Gesicht raubte und auch Hettlage & Lampe zur Ruine machte. Am rechten Bildrand sieht man die Hausecke des Kaiser-Cafés, links ein Fassadenteil des Kunstgewerbehauses Carl Schäffer. Schäffer wurde am 13. September auch getroffen, allerdings nicht so gründlich wie beim letzten und schwersten Angriff am Palmsonntag 1945, der dem Haus den Rest gab und die Außenmauern nicht in dieser Höhe stehen ließ. Deshalb auch die Vermutung, dass das Foto aus dem Winter 1944/ 45 stammt.

Das Grundstück Nikolaiort 5 ist ein echtes " Filetstück", das den Zwickel zwischen Kamp und Krahnstraße ausfüllt und optisch den Platz beherrscht. Mit sechs einmündenden Straßen (außer den beiden schon genannten sind das Große Straße, Domhof, Schwedenstraße und Herrenteichsstraße) war der Nikolaiort der zentrale Verkehrsknoten mit einer " Verteilerfunktion" für die nördliche Altstadt. Erst 1984 wurde es ruhiger, als der Nikolaiort ein Teil der Fußgängerzone Innenstadt wurde.

Seinen Namen hat der Nikolaiort von der Nikolaikapelle. Sie stand bis zum Ende des 18. Jahrhunderts im Bereich des heutigen Grundstücks Domhof 9 (" Pizza-Hut") und wurde dann niedergelegt, um den Kutschen ein besseres Durchkommen zum Domhof und zur Hase straße zu ermöglichen. Im 19. Jahrhundert fand auf dem Nikolaiort regelmäßig um Martini (11. November) ein großer Ferkelmarkt statt. Stall und Innenhof des Wirtshauses " Zum Bremer Schlüssel", Nikolaiort 7 (heute Teil des Kaufhauses Schäffer), waren dann stets mit quiekenden Schweinchen gefüllt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm das Haushalts- und Spielwarengeschäft A. Trepper das Filet-Grundstück zwischen Kamp und Krahnstraße mit einem vergleichsweise bescheidenen Fachwerkhaus im Ackerbürgerstil ein. 1901 zog Trepper zur Turmstraße und machte den Weg frei für einen repräsentativen Neubau im Historismusstil des Manufakturwarengeschäfts Hettlage & Lampe. Wie die Kaufmannsfamilien Bren ninkmeyer (C& A) und Boecker sowie Stockmann stammen die Hettlages und Lampes aus dem westfälischen Dorf Mettingen, der " Wiege des europäischen Textilhandels", wo die Ahnen im 18. Jahrhundert als " Tödden" den Fernhandel aufnahmen. Die Wanderhändler wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts sesshaft. 1902 gründeten Alois Hettlage und Otto Lampe das " Fachgeschäft für Herren- und Knabenbekleidung" in Osnabrück.

Hettlage & Lampe ging 1969 in der Unternehmensgruppe Gebrüder Hettlage auf, einem weitverzweigten Firmenkonglomerat mit mehreren Haupt- und Nebenlinien. Mehrfach wurde um- und angebaut, bis 1991 die Gebrüder Hettlage KG zum ganz großen Wurf ausholte: Für einen zweistelligen Millionen-DM-Betrag wurde der bis dahin eher schlichte Bau zu einem modernen Konsumtempel mit großem Lichthof und konkav gewölbten Fensterfronten über dem Haupteingang umgestaltet. Die mit 5500 Quadratmeter nahezu verdoppelte Verkaufsfläche rückte das Osnabrücker Haus auf Platz 1 der 38 deutschen Hettlage-Häuser. Doch schon zwei Jahre später bekam das " Flaggschiff mit traditionsreicher Vergangenheit" Schlagseite. Im September 1994 wurde ein Sanierungsexperte geholt, der " ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten" einräumte. Mit dem Engagement in den neuen Bundesländern habe man sich übernommen, hieß es, und in das Osnabrücker Haus sei ein zu hoher Betrag investiert worden. Gesucht wurde ein Kapitalgeber, der 30 Millionen DM Eigenkapital mitbringe. Doch der wurde nicht gefunden. Im November 1994 gingen im Osnabrücker Haus die Lichter aus, zuletzt 70 Mitarbeiter standen auf der Straße.

Die Immobilie Nikolaiort 5 blieb aber weiterhin " anziehend": Das Bekleidungshaus Peek & Cloppenburg übernahm den Standort. Das Osnabrücker Geschäft ist eines von 23 der Hamburger Unternehmensgruppe. Daneben existiert, wirtschaftlich und rechtlich unabhängig, die Peek & Cloppenburg KG Düsseldorf mit 64 Standorten.
Bildtexte:
Der Nikolaiort, vermutlich im Winter 1944/ 45. Der Blick geht aus der Herrenteichsstraße auf das zerstörte Bekleidungshaus Hettlage & Lampe (undatiertes Foto aus der Sammlung Helmut Riecken).
Nach Wiederaufbau und mehreren Umbauten präsentiert sich heute Peek & Cloppenburg an der gleichen Stelle. Derzeit läuft ein Modernisierungsumbau.
Foto:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks
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