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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Nussbaum starb später als vermutet
 
Nussbaum war Auschwitz-Häftling B-3594
 
Exil und Verfolgung überschatteten sein Leben
Zwischenüberschrift:
Neue Erkenntnisse durch KZ-Akte
 
Osnabrücker Maler lebte sieben Wochen länger als angenommen – Todesumstände nach wie vor unklar
 
Felix Nussbaum hat im Alter von 18 Jahren seine Heimatstadt Osnabrück verlassen
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Der Osnabrücker Maler Felix Nussbaum ist offenbar später gestorben als bislang angenommen. Nach Recherchen unserer Zeitung existiert eine Krankenakte aus dem KZ Auschwitz, die belegt, dass der jüdische Künstler noch nach den bisher vermuteten Todesdaten, dem 2. oder 9. August 1944, gelebt hat.
Nussbaum, der nach der nationalsozialistischen Machtergreifung zuletzt im Exil in Brüssel lebte, war am 20. Juni 1944 mit seiner Frau Felka Platek von der Wehrmacht zunächst ins Sammellager Mechelen nahe Brüssel verschleppt worden. Von dort ging es am 31. Juli 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz, wo der Transport am 2. August ankam.
Die Lis te des 26. Judentransports von Mechelen nennt an Stelle 284 Nussbaum mit dem Zusatz " Kunstmaler". Dies war bislang das letzte bekannte Dokument, auf dem der Name des Osnabrückers auftauchte. Und weil bei Ankunft in Auschwitz ein Teil der Häftlinge direkt in die Gaskammer geschickt wurde, gingen Experten davon aus, dass Nussbaum am 2. August 1944 gestorben sein musste. Ein Todeserklärungsbeschluss des Amtsgerichtes Osnabrück vom 24. August 1955 nennt hingegen den 9. August 1944 als Todeszeitpunkt.
Einen Großteil der Akten, die darüber genauer Auskunft geben könnten, gibt es laut William Conelly, Historiker vom United States Holocaust Memorial Museum in Washington, nicht mehr. Die Nazis hätten kurz vor der Befreiung von Auschwitz vieles vernichtet.
Nach Recherchen unserer Zeitung existiert aber ein Dokument, das die angenommenen Todesdaten widerlegt: Im Staatsarchiv der Russischen Föderation in Moskau lagert eine Notiz aus dem Lager-Hospital des KZ Auschwitz. In ihr sind Namen und Gefangenennummern sowie Diagnosen von jenen Häftlingen genannt, die dort behandelt wurden. Auch Felix Nussbaum ist gelistet, mit der Häftlingsnummer B-3594. Sie passt in die Reihe der Nummern, die nach Forschungen der ehemaligen Mitarbeiterin des Museum Auschwitz, Danuta Czech, die Männer des Mechelen-Transportes erhalten hatten. Die Akte trägt das Datum vom 20. September 1944. Nussbaum hat demzufolge in Auschwitz noch mindestens sieben Wochen gelebt.
Eva Berger, stellvertretende Leiterin des Felix-Nussbaum-Hauses Osnabrück, hält die Notiz für sehr bedeutend: " Ich finde ausgesprochen wichtig, dass man jetzt weiß, dass er doch länger gelebt hat als bisher angenommen. Wir werden künftig im Museum sagen, dass er bis mindestens zum 20. September lebte." Sie sieht nun einen Anreiz für weitere Forschungen: " Man hat jetzt eine Aufgabe und kann eventuell mehr in Erfahrung bringen. Bisher wussten wir ja gar nicht, dass in Moskau Unterlagen zu Nussbaum lagern oder dass Nussbaum ins Lagerhospital kam."
Auch Heiko Schlatermund von der Felix-Nussbaum-Gesellschaft in Osnabrück misst den jüngsten Recherche-Ergebnissen hohe Bedeutung bei: " Wir überlegen derzeit, wie wir Nussbaums in seinem 70. Todesjahr gedenken können. Wenn es jetzt neue Erkenntnisse zu seiner Geschichte gibt, ist das natürlich umso spannender und hochinteressant."
Bildtext:
" Selbstbildnis mit Judenpass": Nussbaums Werk spiegelte den Holocaust.
Foto:
dpa

Kommentar
Der unbekannte Felix Nussbaum

Felix Nussbaum hat das

Martyrium der Opfer des Holocausts nicht nur in seinen Bildern vorweggenommen. Der Osnabrücker Maler hat dieses Martyrium auch durchlebt und zwar wesentlich länger als bislang bekannt. Das ist die sensationelle Nachricht, die sich mit dem Archivfund in Auschwitz-Birkenau verbindet. Als Maler schuf er mit seinem " Selbstbildnis mit Judenpass" die Ikone einer Kunst, die sich gegen Verfolgung, Exil und Todesdrohung auflehnte.

Jetzt ist klar: Wir wissen über die letzte Lebensphase des Künstlers so gut wie nichts. Sein Werk ist im Osnabrücker Felix-Nussbaum-Haus und in Ausstellungen weltweit präsent. Aber der Archivfund macht klar: Es gibt den unbekannten Felix Nussbaum. Für die Nussbaum-Forschung stellen sich neue Aufgaben. Was hat der Künstler durchlitten? Wie und wann ist er gestorben? Mit wem hatte er Kontakt? Und vor allem: Hat Felix Nussbaum in Auschwitz womöglich noch gemalt oder gezeichnet? Was für eine Vorstellung.

Dabei geht es nicht um Spekulation, sondern um historische Aufklärung. Denn Nussbaum steht wie kein zweiter Künstler für die Auseinandersetzung mit dem Holocaust als der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Seine Bilder machen ihn zum Repräsentanten einer ganzen Generation. Damit ergeben sich besondere Ansprüche an die Erforschung von Nussbaums Leben. Jetzt ist ein neuer Impuls gefragt. Nussbaums Heimatstadt Osnabrück sollte ihn geben.

Osnabrück. Das Leben des jüdischen Malers Felix Nussbaum ist relativ gut dokumentiert. Nur über die Umstände seines Todes ist bisher wenig bekannt. Heute vor 70 Jahren soll der gebürtige Osnabrücker in Auschwitz ermordet worden sein. Ein jetzt entdecktes Dokument zeigt: Nussbaum wurde zum Häftling im Todeslager und lebte dort mutmaßlich länger als bisher angenommen. Doch wie sahen seine letzten Tage aus?

Sicher ist nur, dass der Transport, mit dem Nussbaum und seine Frau Felka Platek von Belgien nach Auschwitz deportiert wurden, am 2. August 1944 seinen Bestimmungsort erreichte. Was dort geschah, dürfte dem geähnelt haben, was über viele andere Transporte, die in diesem Vernichtungslager ankamen, bekannt ist. Zunächst wurden die Juden einem Selektionsprozess unterzogen, der von SS-Ärzten und Auf sehern durchgeführt wurde. Diejenigen, die für arbeits fähig befunden wurden, schickte man ins Lager, wo sie registriert, mit Entlausungspulver beworfen und auf die Baracken aufgeteilt wurden. Die anderen wurden direkt in die Gaskammern geschickt.

Danuta Czech, ehemalige Mitarbeiterin des heutigen Museums Auschwitz, fand heraus, dass insgesamt 223 Männer und 138 Frauen des Nussbaum-Transportes bei der Selektion für arbeitsfähig befunden wurden. Die übrigen 202 Menschen wurden sofort vergast.

Der Historiker William Conelly vom United States Holocaust Memorial Museum in Washington beurteilt die Zahl der selektierten Personen dieses Transportes als ungewöhnlich hoch: " Es scheint, als seien viel mehr Menschen als üblich selektiert und somit zu Gefangenen geworden. Anstatt direkt ermordet zu werden, gelangten 80 Prozent der Männer in Gefangenschaft." Wer aus diesem Transport direkt den qualvollen Tod starb und wer das zweifelhafte Glück hatte, zum Häftling und Zwangsarbeiter in Auschwitz zu werden, lässt sich heute nur sehr schwer rekonstruieren. Danuta Czech konnte aber Aktenfragmente auswerten, wonach all jene Männer des Mechelen-Transportes, die nicht direkt in die Gaskammer gebracht wurden, eine Häftlingsnummer zwischen B-3450 und B-3672 zugeteilt bekamen.

Archivfund in Moskau

Was auf den ersten Blick für die Erforschung des Schicksals Nussbaums wenig nützlich anmutet, entpuppt sich vor dem Hintergrund eines bisher nicht bekannten Dokumentes, das im Staatsarchiv der Russischen Föderation in Moskau lagert, als Glücksfall für die Spurensuche: Eine Notiz aus Block 21 des Stammlagers Auschwitz, in dem die Chirurgische Abteilung des Lagerhospitals untergebracht war, listet Namen und Gefangenennummern sowie Diagnosen von Häftlingen auf, die dort behandelt wurden. Unter den Namen taucht auch Felix Nussbaum mit der Häftlingsnummer B-3594 auf. Eine Nummer, die genau in die Zahlenreihe der Häftlinge aus dem Mechelen-Transport passt.

Die Tatsache, dass Nussbaum eine Häftlingsnummer bekam, belegt, dass er nicht direkt nach seiner Ankunft in Auschwitz vergast wurde. Zudem ist die Krankenakte auf den 20. September 1944 datiert Nussbaum hat also noch mindestens sieben Wochen im Lager Auschwitz gelebt. Der 2. August als Todesdatum ist damit ebenso falsch wie der häufig genannte 9. August, der aus einem sogenannten Todeserklärungsbeschluss des Amtsgerichtes Osnabrück vom 24. August 1955 resultiert. " Das Datum 9. August wird in vielen Publikationen genannt, einen Beweis, der dieses Datum als Todeszeitpunkt bestätigt, gibt es aber nicht", sagte Mark Shraberman von der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel, die weltweit über das größte Archiv zum Holocaust verfügt.

In diesen sieben Wochen, in denen Nussbaum höchstwahrscheinlich im Lager lebte, wurde im Reich immer klarer, dass Deutschland den Krieg verlieren würde. Damit zeichnete sich auch für Auschwitz das Ende ab. Am 26. November, rund zwei Monate nach dem nun letzten bekannten Lebensnachweis Nussbaums, gab Heinrich Himmler den Befehl, die Vergasungen in Auschwitz zu stoppen, die Beweise für den Massenmord zu vernichten und die verbliebenen Häftlinge in weiter westlich gelegene Konzentrationslager zu " evakuieren".

Nussbaum nützte der Lauf der Geschichte freilich nichts. Auch dass Brüssel, wo er noch wenige Wochen zuvor im Versteck lebend auf das Ende des Krieges gehofft hatte, am 3. September befreit wurde, kam für ihn zu spät. Er befand sich bereits im Todeslager. Doch wie er dort lebte, darüber fehlen konkrete Hinweise. Nur eine Anmerkung aus der jetzt aufgetauchten Notiz aus dem Lager-Hospital kann einen vagen Hinweis geben: Hinter seiner Häftlingsnummer und seinem Namen ist eine Diagnose aufgeführt. Aus ihr lässt sich entnehmen, dass Nussbaum offensichtlich wegen einer Blase am linken Zeigefinger im Lager-Hospital landete. Ein Indiz für die Folgen von Zwangsarbeit?

Zwangsarbeit für Nazis?

Nussbaum könnte einer der über 50 000 Auschwitz-Häftlinge gewesen sein, die im Sommer 1944 für deutsche und SS-Unternehmen Zwangsarbeit leisten mussten. Ein Beweis hierfür fehlt aber bislang. Von einem Großteil der 562 anderen Personen, die gemeinsam mit Felix Nussbaum von Mechelen nach Auschwitz deportiert wurden, ist das weitere Schicksal ebenfalls unbekannt. Mindestens 25 von ihnen überlebten die Gefangenschaft in Auschwitz und wurden am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. Während einige andere von Auschwitz weiter ins Konzentrationslager Buchenwald geschickt wurden, ist von 19 Personen dokumentiert, dass auch für sie Auschwitz nicht die letzte Station war. Sie wurden von Auschwitz über das KZ Groß-Rosen in das Konzentrationslager Dachau geschickt.

Unweigerlich stellt sich die Frage, ob auch Nussbaum ein ähnliches Schicksal teilte. Albert Knoll, Mitarbeiter im Archiv des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau, sagte unserer Zeitung: " Felix Nussbaum wurde nicht von Auschwitz nach Dachau transportiert. Es gibt keinen Eintrag in den Zugangsbüchern. Die Zugangsbücher des KZ Dachau sind vom Jahr 1937 bis April 1945 vollständig erhalten." In Groß-Rosen möchte man eine mögliche Verschleppung Nussbaums nicht kategorisch ausschließen. Der Direktor des heuti gen Museums, Janusz Barszcz, teilt mit: " Im Archiv besitzen wir keine Dokumente, die Felix Nussbaum betreffen."

Ähnlich sieht es in Buchenwald aus. " Uns liegen keine Informationen vor, die darauf schließen lassen, dass Felix Nussbaum nicht in Auschwitz ermordet worden ist", berichtet Torsten Jugl vom dortigen Archiv. " Vollständige Aufzeichnungen liegen uns zwar nicht vor. Die Überstellungen aus Auschwitz, vor allem bezüglich der großen Transporte, sind jedoch relativ lückenlos dokumentiert. Vor dem Hintergrund dieses Befundes haben wir keinen Grund für die Annahme, Nussbaum sei nach Auschwitz noch in Buchenwald gewesen", so Jugl.

Der Schluss liegt nahe, dass Nussbaum in Auschwitz gestorben sein muss nach dem 20. September 1944.
Bildtexte:
Sinnbild des Schreckens: Das Einfahrtsgebäude von Auschwitz-Birkenau hat auch Felix Nussbaum mit seiner Frau Felka Platek passieren müssen.
Notiz aus der Krankenakte: An fünfter Stelle wird Nussbaum genannt. Diagnose: Blase am linken Zeigefinger. Die Original-Akte liegt in Moskau
Block 21 im Stammlager Auschwitz: Hier wurde Nussbaum behandelt.
Fotos:
Thomas Limberg
Quelle:
Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau

Felix Nussbaum
Mit 27 Jahren muss Felix Nussbaum gedacht haben: Jetzt fängt ein ganz tolles Leben an. Er war Maler und wurde gerade berühmt. Aber als er 28 Jahre alt war, wählten die Deutschen eine Regierung, die Juden nach und nach alles verbot: zu arbeiten, sich frei zu bewegen und am Ende auch zu leben. Juden wurden eingesperrt und ermordet. Nussbaum war ein Jude. Er konnte nichts machen, nur weglaufen und sich verstecken. Fast hätte er es geschafft. Aber er wurde verraten, entführt und ermordet. Er und seine Ehefrau Felka und sechs Millionen andere Männer und Frauen und Kinder, die nie mehr wiederkommen.

Osnabrück. Felix Nussbaum hat wie kaum ein zweiter Künstler in seinen Werken die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zum Holocaust verarbeitet. Exil und Verfolgung sind die Hauptmotive seines Werks, das 1943 entstandene " Selbstbildnis mit Judenpass" ist sein bekanntestes Bild. Die meisten gesicherten Daten über Nussbaum stammen aus seiner Akte bei der belgischen Fremdenpolizei, auf die sich auch die maßgebliche Biografie " Ortswechsel, Fluchtpunkte" von Paul Junk und Wendelin Zimmer (2008) bezieht. Nussbaum wurde also am 11. Dezember 1904 in Osnabrück als Sohn von Philipp und Rahel Nussbaum geboren. Als Schüler besuchte er das Königliche Realgymnasium in Osnabrück und befasste sich ab 1922 in verschiedenen Studienateliers mit Malerei und Plastik. 1924 lernt er in Warschau seine spätere Frau kennen, die Malerin Felka Platek, mit der er 1929 ein eigenes Atelier in Berlin bezieht. Nach der Machtergreifung durch die Nazis 1933 ziehen die beiden 1935 nach Paris, von wo sie ein Touristenvisum für Belgien beantragen. Im Mai 1936 ziehen sie nach Ostende, im Oktober nach Brüssel. Mit Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Belgien im Mai 1940 wird Nussbaum als " feindlicher Ausländer" verhaftet. Ihm gelingt die Flucht. In Brüssel versteckt er sich mit seiner Frau zunächst bei dem belgischen Bildhauer Dolf Ledel, dann wechseln sie ihr Versteck in der Stadt. Dennoch werden Nussbaum und seine Frau im Sommer 1944 verraten und deportiert.
Bildtext:
Felix Nussbaum, Passfoto aus dem Jahr 1935.
Foto:
Archiv
Autor:
Thomas Limberg, Stefan Lüddemann, dab, alv


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