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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Caritas fordert Wohnungen für Flüchtlinge
 
"Wir brauchen faire Regeln für die Verteilung der Flüchtlinge"
Zwischenüberschrift:
Neher: Besser als Sammelunterkünfte
 
Caritas-Präsident Neher: EU-Länder mit Außengrenzen nicht alleinlassen – "Hungerstreik kein geeignetes Mittel"
Artikel:
Kleinbild
 
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Originaltext:
Osnabrück. Die Caritas hält Wohnungen zur Unterbringung von Flüchtlingen für geeigneter als Sammelunterkünfte. " Die Betroffenen können dann ihren Alltag besser gestalten", sagte Caritas-Präsident Neher im Interview mit unserer Zeitung.
Als nicht hilfreich bezeichnete Neher Hungerstreiks von Flüchtlingen. " Ein Hungerstreik ist kein geeignetes Mittel, um auf die Not aufmerksam zu machen."
Derweil rechnet der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, mit einer weiteren Steigerung der Asylbewerberzahlen und in der Folge auch mit einem noch höheren Personalbedarf.

Osnabrück. Im Interview äußert sich Caritas-Präsident Peter Neher zur Unterbringung und zur Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge sowie zur Frage, ob Hungerstreiks sinnvoll sind.
Herr Neher, wie lässt sich in der Bevölkerung die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen erhöhen?
Die Politik hat die Aufgabe, über Fluchtursachen zu informieren: Was treibt Menschen dazu, ihr Land zu verlassen? Sind es Kriege, Naturkatastrophen, Hunger oder Verfolgung? Und die Bevölkerung muss mehr wissen, beispielsweise, dass Menschen, die Asyl beantragen, in der Regel zunächst neun Monate nicht arbeiten dürfen. Bei geduldeten Flüchtlingen sind es sogar zwölf Monate. Sie dürfen in der Regel auch nicht den Landkreis verlassen; das ist oft schwierig, wenn eine Unterkunft gerade an einer Landkreisgrenze ist. Generell hat die Politik die wichtige Aufgabe, Vorurteilen entgegenzutreten. Und ich halte es für wichtig, Diskriminierungen zu vermeiden. So finde ich beispielsweise den Begriff Wirtschaftsflüchtlinge diskriminierend. Wem kann man verdenken, wenn er in einer wirtschaftlichen Not nach besseren Lebensbedingungen sucht? Ob wir für alle diese Flüchtlinge einen Platz haben müssen, ist eine andere Frage.
Sollte sich die Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge ändern?
Ja, es ist geplant, die Frist auf drei Monate zu verkürzen. Das begrüßen wir sehr. Aber nach wie vor muss geprüft werden, ob es Deutsche oder EU-Bürger für den betreffenden Arbeitsplatz gibt. Das ist unangemessen und belastet die Arbeitgeber unnötig.
Manche Flüchtlinge wollen mit Hungerstreiks auf ihre Situation aufmerksam machen. Sehen Sie darin ein geeignetes Mittel?
Wer in den Hungerstreik geht, ist absolut verzweifelt. Wenn Menschen, die bei uns sind, keinen anderen Ausweg mehr sehen, als über einen Hungerstreik auf sich aufmerksam zu machen, dann müssen sich alle Verantwortlichen Gedanken machen, was da eigentlich los ist. Von der politischen Wirkung her kann ich nur abraten. Ein Hungerstreik ist kein geeignetes Mittel, um auf die Not aufmerksam zu machen. Das zeigen ja auch die Aktionen aus der Vergangenheit.
Die Unterbringung von Flüchtlingen stellt die Kommunen vor Probleme was schlagen Sie zur Lösung vor?
Da gibt es nicht den Königsweg. Aber wir halten Wohnungen für geeigneter als Sammelunterkünfte, denn die Betroffenen können dann ihren Alltag besser gestalten. Und so entstehen auch in der Umgebung nicht weitere Ängste vor großen Zahlen Schutz suchender Menschen. Freilich ist die Situation in den Kommunen unterschiedlich. In Städten wie München, Hamburg oder Freiburg wird es nie gelingen, genügend Wohnungen zu finden, weil der Markt ohnehin stark belastet ist. Aber der Freiburger Oberbürgermeister hat zum Beispiel Vermieter dazu aufgerufen, Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Er sagt zu, dass die Vermieter direkt mit der Stadt den Mietvertrag abschließen können, sodass die Mietzahlung garantiert ist. Damit lässt sich die Situation entkrampfen.
Wo sollten Flüchtlinge denn untergebracht werden?
Eher in kleineren Einheiten. Dass es in einem Dorf zu Ängsten führt, wenn dort plötzlich 80 fremde Menschen wohnen sollen, kann man sich denken. Gut wären Stadtteile oder Orte, die einigermaßen erreichbar sind und nicht in Randgebieten liegen. Für die Akzeptanz ist es dringend notwendig, die Nachbarn einzubeziehen, um auf deren Ängste eingehen zu können. Das sind unsere Erfahrungen.
Wie beurteilen Sie die Drittstaaten-Regelung?
Durch die Drittstaaten-Regelung kommen Flüchtlinge nur noch auf sehr verschlungenen Wegen in Länder wie Deutschland. Es ist ja eines der wenigen Länder in der EU, das nur noch EU-Außengrenzen hat. Andere Länder sind durch ihre geografische Lage besonders betroffen. Daher wären neue Lösungen für die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU nach anderen, fairen Regeln angemessen.
Wie wäre es mit Kontingenten für jedes Land?
Das könnte eine Alternative sein. Aber was tun Sie, wenn die Kontingente in einem Land schon voll sind? Dann müsste man zwangsweise Flüchtlinge in andere Länder bringen. Da sind noch viele Fragen zu klären. Grundsätzlich brauchen wir aber ein faireres Verfahren, das EU-Länder mit Außengrenzen nicht weitgehend alleinlässt. Flüchtlingspolitik muss ein Anliegen der gesamten EU sein. Wir brauchen Lösungen, die alle Länder der EU mit ins Boot holen.
Wer sollte für ein faireres Verfahren sorgen: die EU-Kommission oder die Bundesregierung?
Da sind die entsprechenden Institutionen der EU gefordert. Aber sie können ohne Zustimmung und Mitbeteiligung der nationalen Regierungen nichts machen. Man muss schon würdigen, dass Deutschland bereit ist, 20 000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber Deutschland steht damit im europäischen Vergleich ziemlich allein. Die Innenminister der anderen EU-Länder ziehen bisher nicht mit. Es braucht noch starke politische Überzeugungsarbeit, um die Politiker der anderen Länder hier mit ins Boot zu holen.
Welchen Beitrag leistet die Caritas selbst für die Flüchtlinge?
Wir beraten und unterstützen zum Beispiel Flüchtlinge im Grenzdurchgangslager Friedland. Wenn sie in die Ziel-Bundesländer weitergehen, nehmen wir dort nach Möglichkeit Kontakt mit den Pfarrgemeinden auf und bauen frühzeitig Unterstützerkreise auf. Und wir sind in der Migrationsberatung, in der Asylverfahrens- und Rechtsberatung aktiv. Zudem gibt es konkrete Projekte. In Trier etwa haben Bistum und Caritas ein Konzept zur Unterstützung von Flüchtlingen entwickelt, und das Bistum Trier hat 250 000 Euro als Flüchtlingsfonds zur Verfügung gestellt. Wir engagieren uns auch in Gesetzgebungsverfahren, etwa beim Asylbewerberleistungsgesetz oder beim Referentenentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung. Da mischen wir uns politisch ein.
Die Caritas als Lobbyist für Flüchtlinge?
Ein ganz klares Ja. Gleichzeitig schauen wir: Wie können wir vor Ort helfen, dass die Aufnahme gelingt? Die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen kann nur wachsen, wenn Sie die einheimische Bevölkerung mitnehmen, deren Ängste aufgreifen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Das gelingt nur, indem wir im eigenen Land und vor Ort für Verständnis werben.
Bildtext:
Sieht sich als Lobbyist für Flüchtlinge: Caritas-Präsident Peter Neher.
Foto:
dpa
Autor:
Christof Haverkamp
 
dpa


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