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1.
Erscheinungsdatum:
26.07.2014
aus Zeitung:
Neue Osnabrücker Zeitung/ Neue OZ
Überschrift:
Auch an der Heimatfront gab es viele Tote
Zwischenüberschrift:
Ulrich Mühlenhoff hat die Mangelernährung während des Ersten Weltkrieges in Osnabrück erforscht
Artikel:
Originaltext:
Osnabrück.
Die
Suppe
wurde
dünner,
im
Brot
fanden
sich
zweifelhafte
Zusätze.
Während
des
Ersten
Weltkrieges
musste
die
Zivilbevölkerung
für
das
wenige,
das
es
zu
essen
gab,
immer
höhere
Preise
zahlen.
Ulrich
Mühlenhoff
hat
in
den
Archiven
recherchiert,
wie
es
damals
um
die
Nahrungsmittelversorgung
in
Osnabrück
bestellt
war.
Sein
Fazit:
Der
Hunger
ließ
die
Sterbezahlen
in
den
letzten
Kriegsjahren
deutlich
ansteigen.
Und
die
Stadtverwaltung
begegnete
dem
anhaltenden
Mangel
mit
immer
mehr
Bürokratie.
"
Die
Stadt
war
nicht
vorbereitet
auf
den
Krieg"
,
sagt
Mühlenhoff,
andere
Städte
seien
es
aber
auch
nicht
gewesen.
Der
Agraringenieur,
der
zuletzt
als
Schulrat
im
Berufsschulwesen
gearbeitet
hat,
ist
auf
eine
ganze
Reihe
von
Fehlern
und
Unzulänglichkeiten
gestoßen,
durch
die
sich
die
Not
verschärft
hat
–
die
aber
offensichtlich
zum
Wesen
des
Krieges
gehören.
Mühlenhoffs
Ausführungen
sind
eingeflossen
in
die
Ausstellung
"
Eine
deutsche
Stadt
im
Ersten
Weltkrieg.
Osnabrück
1914–1918"
,
die
zurzeit
im
Museum
Industriekultur
zu
sehen
ist.
Osnabrück
war
in
wenigen
Jahrzehnten
auf
81
000
Einwohner
angewachsen.
Die
Industrialisierung
hatte
den
Lebensstandard
der
Stadtbevölkerung
erhöht
und
den
Fleischkonsum
pro
Kopf
in
wenigen
Jahrzehnten
verdoppelt.
Da
mochten
Kaiser
und
Generalstab
noch
so
patriotische
Reden
schwingen
–
der
Krieg
stürzte
viele
Familien
von
einem
Tag
auf
den
anderen
in
die
Not.
Hamsterkäufe
ließen
die
Preise
für
Lebensmittel
in
die
Höhe
schnellen,
und
die
Stadt
richtete
schon
drei
Wochen
nach
Kriegsbeginn
fünf
Kriegsspeisehallen
für
die
Armen
ein.
Für
15
Pfennig
gab
es
dort
eine
Portion
Brei
oder
Suppe.
"
Messer,
Gabel
und
Löffel
mitbringen"
,
hieß
es
in
den
öffentlichen
Anschlägen.
Das
wenige,
das
auf
den
Tisch
kam,
wurde
im
gleichen
Maße
teurer,
wie
es
an
Qualität
verlor.
Dem
Brot
wurden
allerlei
Bestandteile
zugesetzt,
für
die
sich
sogar
die
Bäcker
schämten.
Kartoffelmehl
war
zwar
teurer
als
Weizenmehl,
aber
im
Gegensatz
zu
diesem
verfügbar.
Eine
zehnprozentige
Zugabe
war
obligatorisch,
experimentiert
wurde
auch
mit
doppelt
so
hohen
Anteilen.
Nach
der
katastrophalen
Kartoffelernte
von
1916
kamen
sogar
Steckrüben
als
Streckungsmittel
in
den
Teig.
Sägemehl
war
zwar
verboten,
Ulrich
Mühlenhoff
ist
aber
ziemlich
sicher,
dass
es
ebenfalls
verwendet
wurde.
Eine
strenge
Bürokratie
wachte
über
private
und
öffentliche
Vorräte.
In
manchen
Kellern
sollen
die
städtischen
Kontrolleure
mehrmals
pro
Jahr
die
Kartoffelmieten
ausgemessen
haben.
Die
Kommission,
die
anfangs
nur
aus
Stadtbaurat
Lehmann,
Senator
Wilkens
und
zwei
Bürgervorstehern
bestand,
blähte
sich
zu
einem
immer
größeren
Apparat
auf.
"
Am
Ende
des
Krieges"
,
schreibt
Mühlenhoff,
"
kümmerten
sich
zwei
Beamte,
vier
Angestellte,
75
Hilfsangestellte
und
70
Arbeiter
im
1916
gegründeten
Lebensmittelamt
um
die
Versorgung
der
Osnabrücker
Bevölkerung."
Die
Folge
war
ein
Regelungswahn,
der
die
guten
Absichten
oft
ins
Gegenteil
verkehrte.
Schon
im
ersten
Kriegsjahr
setzte
die
Kommission
Höchstpreise
für
Lebensmittel
fest.
Mit
dem
Ergebnis,
dass
die
Erzeuger
diese
verordneten
Kurse
als
Richtwerte
betrachteten
und
–
schlimmer
noch
–
ihre
Waren
über
dunkle
Kanäle
vertrieben,
die
ihnen
höhere
Erlöse
versprachen.
So
entstand,
mit
unfreiwilliger
Unterstützung
der
Behörden,
ein
Schwarzmarkt,
auf
dem
es
alles
zu
kaufen
gab,
das
sich
weniger
betuchte
Menschen
nicht
leisten
konnten.
Ein
Ereignis,
das
als
krasses
Beispiel
staatlicher
Fehlplanung
genannt
wird,
ist
der
sogenannte
Schweinemord
im
ersten
Quartal
1915.
Kurz
zuvor
hatten
die
Bauern
bei
einer
Erfassung
der
Futterkartoffeln
aus
Angst
vor
Beschlagnahmung
knappe
Bestände
gemeldet
und
damit
eine
aus
Professoren
zusammengesetzte
Kommission
zu
einer
Panikreaktion
veranlasst.
Reichsweit
wurden
über
fünf
Millionen
Schweine
geschlachtet.
Kurzfristig
war
der
Markt
mit
Schweine
fleisch
überschwemmt,
und
die
Preise
sanken.
Aber
der
nachfolgende
Mangel
ließ
sie
in
ungeahnte
Höhen
steigen,
was
wiederum
staatliche
Eingriffe
nach
sich
zog,
von
denen
vor
allem
Schwarzhändler
und
Schieber
profitierten.
Die
Stadt
Osnabrück
beteiligte
sich
am
Lebensmittelhandel,
kaufte
Waren
auf
und
gab
sie
zum
Selbstkostenpreis
an
Bedürftige
weiter.
Wenn
sich
Gelegenheit
bot,
übernahm
sie
waggonweise
Lebensmittel,
die
im
Güterbahnhof
festlagen,
weil
wegen
der
Truppentransporte
keine
Lokomotiven
verfügbar
waren.
Frischen
Speck
aus
Dänemark
ließ
sie
räuchern,
Lammfleisch
aus
Island
in
einer
kurz
zuvor
installierten
Gefrieranlage
im
Schlachthof
einlagern.
Größere
Kartoffelvorräte
wurden
angelegt,
um
die
Kriegsspeisehallen
zu
versorgen.
Für
Schüler
fiel
monatelang
der
Unterricht
aus,
weil
sie
in
den
Wald
geschickt
wurden,
um
Brombeeren,
Hagebutten,
Eicheln,
Kastanien,
Bucheckern
oder
Brennnesseln
zu
suchen.
Für
den
Sammelfleiß
gab
es
ein
Lob
von
der
Stadtverwaltung.
Zwischen
den
Zeilen
hat
Ulrich
Mühlenhoff
aber
auch
herausgelesen,
dass
sich
nicht
alle
Schulen
so
emsig
an
der
patriotischen
Dienstleistung
beteiligten,
wie
es
gewünscht
war.
Ein
Sammelsystem
ganz
anderer
Art
entstand
für
die
noch
frischen
Abfälle
aus
Großküchen.
Verfüttert
wurden
sie
an
Schweine
und
Hühner,
die
in
einem
kleinen
Stall
hinter
dem
städtischen
Krankenhaus,
der
heutigen
Volkshochschule,
ihr
kümmerliches
Dasein
fristeten.
In
der
Not
des
Krieges
merkten
Stadtbewohner,
wie
nützlich
ein
Gemüsegarten
sein
kann.
So
kam
Osnabrück
an
seine
erste
Laubenkolonie.
In
der
Wüste
ließ
die
Stadt
von
russischen
Kriegsgefangenen
einige
Hundert
Schrebergärten
anlegen.
Heute
gehören
sie
zur
"
Deutschen
Scholle"
und
werden
immer
noch
genutzt.
Der
Ertrag
war
damals
eher
bescheiden,
wie
Ulrich
Mühlenhoff
vorrechnet:
Auf
100
Quadratmetern
ließen
sich
bei
guter
Pflege,
aber
wenig
Dünger
vier
Zentner
Kartoffeln
ernten.
Eine
bescheidene
Ausbeute,
aber
ein
kleiner
Beitrag
gegen
den
Hunger.
Je
weniger
auf
den
Tisch
kam,
desto
penetranter
wurden
die
patriotischen
Parolen.
"
Dünner
werden
ist
für
uns
daheim
nationale
Pflicht"
,
schrieb
ein
Pfarrer
namens
Huschenbett
in
einem
Durchhalteappell
und
propagierte
ein
Ideal,
das
dem
Bild
des
berüchtigten
Mager-
Models
wohl
schon
sehr
nahe
kam.
Eine
praktische
Anleitung
wollte
der
Bund
Deutscher
Frauenvereine
mit
einem
wöchentlich
herausgegebenen
Kriegskochbuch
geben.
Doch
dafür
hagelte
es
Spott,
auch
in
Leserbriefen
der
Osnabrücker
Zeitung.
"
Für
1,
20
Mark
kann
man
nirgends
1
1/
2
Pfund
bekommen,
nicht
einmal
genießbare
Margarine,
sondern
höchstens
3/
4
Pfund,
also
nur
die
Hälfte"
,
schrieb
ein
Anonymus,
der
sich
"
Einer
für
Viele"
nannte.
Ebenso
unrealistisch
seien
die
angegebenen
Preise
für
Kartoffeln,
Fleisch
und
Speck.
Vor
den
Geschäften
bildeten
sich
lange
Schlangen.
Für
Lebensmittel
wie
Brot,
Vollmilch
und
Fleisch
ließ
die
Stadt
Bezugskarten
drucken.
Bald
wurde
aber
auch
den
patriotischsten
Zeitgenossen
klar,
dass
eine
Brotkarte
ein
Versprechen
ist,
das
nicht
unbedingt
eingelöst
wird.
Beim
Blick
auf
die
Situation
in
Osnabrück
fällt
auf,
dass
es
hier
keine
Hungerrevolten
gegeben
hat
wie
in
anderen
Städten.
Aber
die
Menschen
hätten
unglaublich
gelitten,
sagt
Ulrich
Mühlenhoff.
Er
hat
eine
frühere
Kollegin
aus
der
Fachschule
für
Hauswirtschaft
gebeten,
den
Nährwert
von
Gerichten
aus
einem
damals
propagierten
Wochenspeiseplan
zu
berechnen.
Mit
den
zugrunde
gelegten
Mengen
lässt
sich
allenfalls
der
durchschnittliche
Energiebedarf
für
Kinder
im
Alter
von
sieben
oder
zehn
Jahren
decken.
Es
fehle
an
fast
allem,
an
Kohlehydraten
und
Eiweiß,
an
Calcium,
Vitamin
D
und
Eisen,
lautet
das
Fazit.
Wachstumsverzögerungen
bei
Kindern
und
schlechte
Wundheilung,
aber
auch
Blutarmut
und
Rachitis
könnten
die
Folge
sein.
Belegt
sind
sogar
erheblich
steigende
Sterbezahlen.
Mühlenhoff
beruft
sich
auf
Statistiken,
die
für
1917
reichsweit
32
Prozent
mehr
Todesfälle
gegenüber
der
Vorkriegszeit
ausgemacht
haben,
1918
sogar
37
Prozent.
In
diesen
Zahlen
sind
die
Opfer
von
Lungen-
oder
Kehlkopftuberkulose
gar
nicht
erfasst,
ebenso
wenig
die
Todesfälle,
die
der
Spanischen
Grippe
zugeschrieben
wurden.
Schon
die
bereinigte
Statistik
habe
eine
erschreckende
Dimension,
sagt
der
Chronist
des
Mangels.
Er
schreibt
auch
diese
Toten
dem
Krieg
zu,
denn
die
Krankheiten
seien
auf
schlecht
ernährte
Menschen
gestoßen,
denen
die
Widerstandskräfte
gefehlt
hätten.
Gestorben
wurde
also
nicht
nur
auf
den
Schlachtfeldern,
sondern
auch
an
der
Heimatfront.
Bildtexte:
Speisung
für
die
Armen:
In
der
Musküche
verarbeiteten
patriotisch
gesinnte
Frauen
Früchte
zu
Brotaufstrich.
"
Die
Stadt
war
nicht
vorbereitet
auf
den
Krieg"
,
sagt
Ulrich
Mühlenhoff,
der
sich
intensiv
der
Ernährungssituation
im
Ersten
Weltkrieg
gewidmet
hat.
Die
ersten
Kleingärten
in
Osnabrück
entstanden
aus
der
Not
heraus.
Als
die
Versorgungslage
für
die
Zivilbevölkerung
immer
dramatischer
wurde,
mussten
russische
Kriegsgefangene
in
der
Wüste
Gartenparzellen
anlegen.
Das
Foto
entstand
1917.
Als
Demütigung
empfanden
es
die
Menschen,
dass
sie
nach
der
schlechten
Kartoffelernte
von
1916
mit
Steckrüben
vorliebnehmen
mussten,
eigentlich
ja
Viehfutter.
Für
15
Pfennig
eine
Portion:
Schon
kurz
nach
Kriegsbeginn
richtete
die
Stadt
ihre
Kriegsspeisehallen
ein.
Die
Not
ließ
sich
dadurch
kaum
lindern.
Lebensmittelkarten
aus
Osnabrück;
Eine
Deutsche
Stadt
im
Ersten
Weltkrieg.
Osnabrück
1914–1918.
Ausstellung
im
Museum
Industriekultur
Foto:
Niedersächsisches
Landesarchiv,
Jörn
Martens
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert