User Online: 1 | Timeout: 03:34Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
"Das i ist leicht, das S ist schwierig"
Zwischenüberschrift:
Jürgen Holzklau beschriftet das Goldene Buch
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
OSNABRÜCK. Eigentlich hatte er mit Schrift nichts am Hut. Sagt er. Wer allerdings sieht, wie präzise Jürgen Holzklau wunderschöne Buchstaben aufs Papier bringt, kann das kaum glauben. Der Osnabrücker versteht sein Handwerk so gut, dass er der Kalligraf des Goldenen Buches der Stadt ist.

Wenn also königliche Majestäten, Politiker, Künstler, bekannte Sportler oder wie jüngst der international erfolgreiche DJ Robin Schulz auf einer der großen Seiten unterschreiben, weil sie im Rathaus zu Gast sind, wird später ihr Name und das Datum kunstvoll von Jürgen Holzklau daruntergesetzt.

Und das geht bei einem edlen Buch, das vergoldete Beschläge hat, dessen Einband aus dunkelrotem Hirschkalbleder gearbeitet ist, das 20 Kilogramm wiegt, das historischen Wert besitzt und das normalerweise im Tresor gelagert wird, natürlich nicht mal eben husch, husch.

Bevor Holzklau mit Feder und Tinte im Rathaus anrückt, schreibt er die Namen und Daten zuerst zu Hause auf Papier. Dann schneidet er die Wörter aus und schiebt sie ähnlich einem Puzzle so lange hin und her, bis das Gesamtbild passt. Das kann Stunden dauern. " Weil alles auf Mitte gesetzt wird, ist das nicht so leicht", sagt er. Erst wenn die Vorlage perfekt ist, lässt er sich das Goldene Buch in die kleine Ratskammer bringen, öffnet es vorsichtig und träufelt mit einer Pipette braune Tinte auf seine Feder.

Weil das Buch so groß und unhandlich ist, muss er oft mit gebeugtem Rücken über den Seiten stehen. " Die Arme liegen nicht gut auf", sagt er und lächelt, " es ist nicht angenehm, da reinzuschreiben."

Die Schrift, die er benutzt und die er aus dem Kopf beherrscht, ist die sogenannte Humanistische Kursive. " Sie gefällt mir gut, weil sie der Handschrift angepasst ist."

Holzklau, der Chemiegraf und Lithograf gelernt und als Mediengestalter gearbeitet hat, beherrscht auch viele andere Schriften. Seit er in Rente ist, liebt er es, andere Schriften und Schreibmethoden auszuprobieren. Im Künstlerbedarfsladen ist der 73-Jährige deshalb Dauergast. Er experimentiert mit Federn, mit Papier, mit Farben. In einem Kasten tummeln sich zig Bandzugfedern, die er deshalb so mag, weil sie eine dicke und eine dünne Linie schreiben.

Inzwischen gibt Holzklau sein Wissen in VHS-Kursen weiter, er gestaltet Schreibbilder, in denen er Malerei mit der Schreibkunst kombiniert. Auch die Klingelknöpfe in dem Mehrfamilienhaus, in dem er wohnt, sehen etwas hübscher aus als die der Nachbarschaft, denn dort legt er selbstverständlich auch Hand an. Und natürlich erwarten Freunde und Bekannte, dass er ihnen jedes Jahr eine handgeschriebene Weihnachtskarte schreibt. " Meine Frau verfasst den Text", sagt er, den Rest erledigt er.

Seine Frau sagt: " Mein Mann ruht in sich. Ich könnte das nicht machen, was er macht. Er hat einfach diese besondere Fähigkeit." Sie wundere sich darüber, dass es ihn nicht mal nervös mache, wenn ihm jemand ganz genau auf die Finger schaue. Doch sich nervös machen zu lassen, das ist einfach nicht Holzklaus Art. Er bleibt auch dann ruhig, wenn er die Namen großer Staatsmänner oder - frauen in das Goldene Buch eintragen muss. Vor seiner Feder sind alle gleich. Natürlich sei es bei einer filigranen Arbeit ein Vorteil, wenn man von Natur aus ein geduldiger Mensch sei. " Das Schreiben macht mich aber auch ruhig." Fast könnte man es mit einer Art Meditation vergleichen, sagt Holzklau. " Außerdem läuft im Fernsehen doch nichts Gutes."

Über die Schönheit der Schrift sagt er: " Es muss gar nicht immer zu lesen sein." Die Buchstaben stünden für sich. Im Goldenen Buch allerdings muss natürlich jeder lesen können, was dort geschrieben steht. Und ein Schreibfehler darf ihm eigentlich nicht passieren. " Wenn ich es gleich merke, dann geht es noch", sagt er. Dann greift er zur Rasierklinge und kratzt den falschen Buchstaben einfach weg. Holzklau grinst, als er sich an einen seiner Verschreiber erinnert. Bevor er für die Stadt Osnabrück schrieb, hat er schon das Goldene Buch der hiesigen IHK beschriftet. Aus Christian Wulff war bei ihm ein " Christan Wulff" geworden. Am Ende hat er das " i" wieder eingeschoben.

" Das i", verrät er, ist einer der leichten Buchstaben. " Das S, das ist schwierig. Es kippt einem schnell um, und man muss dreimal ansetzen, damit es am Ende so geschwungen und wie aus einem Guss aussieht."
Bildtexte:
Kalligraf Jürgen Holzklau bearbeitet die Eintragungen im Goldenen Buch der Stadt Osnabrück. Die Vorarbeiten erledigt er zu Hause, dann lässt er sich das Buch in die kleine Ratskammer bringen, wo er zur Tat schreitet.
Gute Vorbereitung ist alles: Holzklau schreibt alle Texte vor, schneidet sie in kleine Teile und schiebt sie so lange hin und her, bis die Vorlage perfekt passt.
Zum Handwerkszeug eines Kalligrafen gehört ein ganzes Sortiment von Bandzugfedern.
Fotos:
Gert Westdörp
Autor:
Katrin Jäger


Anfang der Liste Ende der Liste