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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Gut gebrüllt, Löwenpudel!
Zwischenüberschrift:
Das Osnabrücker Wahrzeichen gab auch einer Gaststätte den Namen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. " Gaststätte Löwenpudel"? Klar, kenn ich, wird der kundige Mitbürger denken, die war doch in der Stadthalle. In der Tat: Unter " Löwen-Pudel" firmierte bis 2001 die Keglerkneipe im Keller der Stadthalle und etwas länger noch eine Gastronomie im Erdgeschoss der heutigen Osnabrück-Halle. Doch das war nicht die erste Gastlichkeit dieses Namens. Das Restaurant " Löwenpudel" im Haus Markt 16/ 17 an der Ecke zum Domhof lud bis zur Zerstörung im letzten Krieg zu " ff. Speisen und Getränken" ein und hatte den Vorzug, dem Löwenpudel-Denkmal direkt gegenüberzuliegen.

Das Eckhaus war durch das Zapfenband-Ornament unter der Traufe und den neuromanischen Bogenfries über dem Erdgeschoss unverwechselbar. Die bodentiefen Rundbogenfenster lassen die Bauzeit in der " Rundbogen-Ära" vermuten, die unter Stadtbaumeister Wilhelm Richard ab etwa 1850 aufblühte. Im Adressbuch stößt man 1881 auf gastronomische Spuren. Damals inserierte der Wirt Clamor Kahle: " Restauration mit Billard und reservierte Zimmer stets zur Verfügung". 1898 heißt der Wirt Theodor Bodeewes, und in der Zeit der hier gezeigten Ansichtskarte, etwa zehn Jahre später, Heinrich Brockmeyer. Die kolorierte Karte aus der Sammlung Riecken ist am 18. März 1910 möglicherweise vom Wirt selbst, wenn man die Unterschrift richtig deutet, mit besten Grüßen von Osnabrück nach Alfhausen geschickt worden.

Einen literarischen Niederschlag hat das Gasthaus in einer fiktiv ausgeschmückten, aber auf historischen Fakten basierenden Kurzgeschichte des Osnabrücker Historikers Volker Issmer gefunden. Im ersten Band seines Lesebuchs " Fremde Zeit Unsere Zeit" schildert er unter dem Titel " Mit dem Teufel tanzen" Geheimgespräche, die Monsignore Dr. Heinrich Lünenborg als Gesandter des Bischofs Berning mit der Gestapo führte. Man traf sich in dem nur 20 Schritte von der Bischöflichen Kanzlei entfernten Gasthaus, um über das Schicksal regimekritischer Priester zu verhandeln. Einige wurden demnach vom Generalvikariat " freiwillig" aus dem Verkehr gezogen, wodurch ihnen das KZ Dachau erspart blieb.

Das Denkmal vorne links auf dem Bild trägt eines der bekanntesten Wahrzeichen Osnabrücks, den auf einem hohen Postament hockenden Löwenpudel. Wohl jedes Schulkind ist mit der Sage vertraut, der zufolge dieses Tier der Schwester Karls des Großen das Leben rettete. Man erzählte sich, dass Karl erzürnt über die Osnabrücker war, als er erfuhr, dass die Bürger während seiner Abwesenheit wieder einmal Kontakte zu Wittekind und den heidnischen Sachsen geknüpft hatten. Karl tat den Schwur, zur Strafe dem ersten Lebewesen, das ihm bei seinem Einzug nach Osnabrück entgegenkäme, den Kopf abzuschlagen. Unglücklicherweise eilte ihm nun die eigene Schwester entgegen, um ihn um Gnade für die Stadt zu bitten. Karl sah sie kommen und flehte zum Himmel, er möge ihn aus dieser schrecklichen Lage befreien. Tatsächlich sprang plötzlich schwanzwedelnd der Lieblingshund seiner Schwester, ein Pudel, heran und leckte dem Herrscher die Hand. Karl tötete ihn und erfüllte somit seinen Schwur, ohne einem Menschen das Leben zu nehmen. Die dankbaren Bürger ließen ein Abbild des Hundes in Stein meißeln und vor der Domkirche aufstellen. Sie nannten ihn den Löwenpudel.

Dass es tatsächlich so nicht gewesen sein kann, erkennt man daran, dass die Pudelzucht in Deutschland erst im 19. Jahrhundert begann. In mittelalterlichen Urkunden ist auch nie von einem " Löwenpudel" die Rede, sondern vom " steinernen Löwen" oder vom " Löwenstein". Die Historiker gehen davon aus, dass es sich bei dem 1331 erstmals erwähnten Monument um ein Zeichen der Gerichtsbarkeit handelt, ähnlich dem Roland vor manchen Rathäusern. Sie wurde der Stadt von Herzog Heinrich dem Löwen verliehen. Ob das Löwenmonument, das übrigens stark dem Braunschweiger Löwen ähnelt, zunächst das Wahrzeichen des fränkischen Gogerichts in der Domburg war oder ob es auf die Vogtei und die Gerichtsbarkeit Heinrichs des Löwen hinwies, in dessen Besitz die Vogtei 1170 war, bleibt wie sein genaues Alter ungewiss. Fest steht, dass der heutige Löwenpudel eine 1929 von Lukas Memken geschaffene Nachbildung ist. Der stark verwitterte frühere Stein befindet sich im Kulturhistorischen Museum, wobei auch dieser vermutlich nicht das Original war.

Die Rezeptionsgeschichte des Löwenpudels in der Bevölkerung wird durch offene historische Fragen nicht getrübt. Das Denkmal ist seit eh und je beliebter Treffpunkt vor oder nach dem Wochenmarkt, es ziert Osnabrücker Notgeldscheine von 1921 und das Kunstblatt als Jahresgabe des Verkehrsvereins 2014, es zeichnet als Pokal die Sieger im Rollkunstlauf aus und leiht einer Auto-Rallye den Namen. Im vergangenen Jahr ließen Sparkasse und Bürgerstiftung 10 000 kleine Löwenpudel als Stofftiere herstellen und verschenkten sie zum Weltspartag. Dabei bekam das Tierchen auch endlich einen Namen: Aus einem Wettbewerb unter 40 Kindergärten und Grundschulen ging " Karlos" als Sieger hervor.
Bildtexte:
Das Löwenpudel-Denkmal vorne links gab dem Restaurant im Eckhaus Markt/ Domhof den Namen. Der Blick auf dieser Ansicht von etwa 1910 aus der Sammlung von Helmut Riecken geht vom Domhof zum Markt. Am rechten Bildrand ist der Chor von St. Marien zu sehen.
Erst in den späten 1960er-Jahren baute die Nürnberger-Versicherung das kriegszerstörte Eckhaus Domhof 2/ Markt 16 wieder auf. Es gehört heute dem Bistum und beherbergt unter anderem den Sakralkunsthandel Esch.
Foto:
Verlag Gerhard Thien, Elberfeld, Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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