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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Die Wunden des Krieges
Zwischenüberschrift:
Als die Osnabrücker 200 000 Lotterie-Lose für den Wiederaufbau des Marktes kauften
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Zwölf Jahre nach Kriegsende hatte die Marienkirche noch nicht ihre Turmhaube zurück. Auch die spätgotischen Treppengiebelhäuser auf der Südseite des Marktplatzes waren zum größeren Teil noch Ruinen. Die Spuren des 13. September 1944, als Osnabrück den bis dahin schwersten Luftangriff erlebte und 22 000 Menschen ihr Obdach verloren, waren noch allzu deutlich zu sehen. Das Foto aus dem Jahr 1957 gewährt einen Blick auf die Rückseiten der Häuser, von denen meist nur die Giebel stehen geblieben waren. So mancher glaubte damals, dass die Bezeichnung " Giebelhäuser" daher rührt.

Bei der Häusergruppe Markt 8/ 9/ 9a rechts im Bild ist der Wiederaufbau im Gange. Die Ruinen der Häuser links von der Baulücke, Markt 6/ 7, befinden sich noch im Zustand wie nach der Trümmerberäumung 1946. Hölzerne Steifen sichern den Giebel von Nr. 7. Nach dem Wiederaufbau zog hier zunächst die Stadtbibliothek ein, später das Remarque-Friedenszentrum.

Eigentlich begann der Wiederaufbau von Osnabrücks " Riesen-Museum des Mittelalters" (dem Markt mit Rathaus, Stadtwaage und St. Marien) recht flott. Die Wiederherstellung des Rathauses als Sitz von Rat und Verwaltung und Wahrzeichen der Stadt ab Mai 1947 wurde allgemein gutgeheißen, auch wenn die Menschen selbst nur in schäbigen Kellerlöchern hausten. Die Wiedergeburt des Rathauses geriet zum Sinnbild des Aufbauwillens und Zeichen eines hoffnungsvollen Neuanfangs. Das große Ziel, das Rathaus zur 300-Jahr-Feier des Westfälischen Friedens im Oktober 1948 fertigzubekommen, wurde erreicht.

Doch dann ging es nicht in gleichem Tempo weiter. Die Reparatur von Wohnraum, Schulen und Straßen beanspruchte die knappen Ressourcen an Material und Arbeitskräften. Die Südseite des Marktplatzes blieb bis weit in die 1950er-Jahre hinein ein ausgebranntes Ruinenfeld mit leeren Fensterhöhlen. Nur notdürftig abgestützte Fassaden drohten einzustürzen. Der historische Kern der Stadt würde dann sein Gesicht verlieren, mahnte Stadtdirektor Paul Voßkühler in einem besorgten öffentlichen Aufruf im August 1952.

Daraufhin nahm sich der zwei Jahre zuvor gegründete Verkehrsverein der Sache an und organisierte eine groß angelegte Marktplatz-Lotterie. Vereine, private Gruppen, Firmen und öffentliche Dienststellen stellten sich in den Dienst der Sache – " Zeichen einer geschlossenen Willensäußerung der Bewohnerschaft Osnabrücks", hieß es damals im " Osnabrücker Tageblatt". Die Hauptgewinne der Lotterie, eine Kruse-Küche, zwei Tempo-Dreirad-Lieferwagen und ein DKW-Personenwagen, waren mit zahlreichen weiteren Kleingewinnen in Schaukästen von insgesamt 40 Meter Länge auf dem Markt ausgestellt. Kleine bunt bedruckte Holz-Modelle der Marktbebauung dienten zur Dekoration und wurden als " Bausteine" verkauft. Musikkapellen und Drahtseilartisten, Schützen und Boxer traten auf dem Marktplatz auf und lockten die Menschen an die Losbuden.

Die Lotterie geriet zu einem kaum erwarteten Erfolg. 200 000 Lose wurden verkauft und 72 000 DM eingespielt nach heutiger Kaufkraft etwa eine halbe Million Euro. Die Gemeinde St. Marien bekam davon einen Teil zur Sicherung des Kirchturmschafts, während der Hauptteil für die Rekonstruktion der Stadtwaage und der Giebelhäuser bestimmt war. Damit hatten die Osnabrücker einen großen Schritt zum Wiederaufbau " ihres" Marktplatzes selbst getan. Öffentliche Gelder von Bund, Land, Stadt und Klosterkammer kamen hinzu. 1959 war die Großanstrengung mit der Vollendung der Stadtbibliothek Markt 6 (früher Löwen-Apotheke) geschafft. Zum Lückenschluss gehörte auch der moderne Stelzenbau der Stadtkasse Markt 1–5 (heute Stadtbibliothek), der allerdings bei vielen Osnabrückern Kopfschütteln hervorrief. Doch das ist eine andere Geschichte.
Bildtexte:
Die Rückfront der Giebelhäuser am Markt zeigt 1957 noch nicht viel mehr als die stehenden Giebel. Dahinter die Marienkirche noch ohne Turmhaube und links die Stadtwaage.
Die Grünanlage des Fritz-Wolf-Platzes und der Anbau an die Bibliothek (jetzt Remarque-Friedenszentrum) nehmen heute den Raum hinter den Giebelhäusern ein.
Fotos:
Archiv/ Kulturgeschichtliches Museum, Michael Gründel
Autor:
Joachim Dierks


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