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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Fischreklame vor dem Hohen Dom
Zwischenüberschrift:
1933 trug die Osnabrücker Bistumskathedrale noch Barockhauben
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Leichter Schneefall hatte die Straßen und Dächer Osnabrücks bedeckt, als der Georgsmarienhütter Lehrer und Hobbyfotograf Hans Hasekamp vor 82 Jahren auf den Auslöser drückte und den Dom St. Peter in Winterstimmung einfing. Unter den Linden am Rande des Domhofs hat sich ein Tannenwald ausgebreitet: Weihnachtsbäume warten auf Käufer.

Links parkt ein Fahrzeug mit großflächiger Werbung, die den Verzehr von Seefischen ankurbeln soll. Vielleicht ist es noch vom letzten Wochenmarkt stehengeblieben. " Brate, backe, dämpfe, koche einmal Fisch in jeder Woche", empfiehlt die Aufschrift auf dem Anhänger, und wirbt: " Jeder Mittwoch ist Fischtag."

Hintergrund des reichsweiten Fisch-Marketings war, eine preiswerte autarke Eiweißversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, aber auch die eigene Fischfangflotte zu unterstützen. Die war nämlich nach dem Ersten Weltkrieg schnell wieder zu alter Größe angewachsen, während sich die Versorgungslage im Bereich anderer Lebensmittel verbessert hatte und insbesondere die Fleischpreise gesunken waren. Sogenannte " Reichsfischwerbewochen" sollten helfen, den effizienter gewordenen Trawlern die Fangmengen abzunehmen.

Für Hans Hasekamp ist die Fischwerbung aber sicherlich nur ein Beifang gewesen. Hauptmotiv waren für ihn die angestrahlten Westtürme des Hohen Doms, der dicke und der schlanke. Die in der Baugeschichte recht selten so krasse Ungleichheit der Türme der südliche ist doppelt so breit und doppelt so tief wie der nördliche wird von den Osnabrückern meist als gegeben hingenommen und nicht weiter hinterfragt, löst bei Besuchern aber immer wieder Erstaunen aus. Die Ungleichheit besteht seit 1543. Damals wurde der südliche der romanischen Zwillingstürme abgerissen und durch einen in der Grundfläche viermal so großen im spätgotischen Baustil ersetzt.

Das massivere Bauwerk war erforderlich geworden, um Gewicht und Schwingungen eines neuen, größeren Glockengeläuts aufnehmen zu können. So erklärt es jedenfalls der eine oder andere Stadtführer. Der Direktor des Diözesanmuseums, Hermann Queckenstedt, hält die Faktenlage dazu jedoch nicht für gesichert. Er wagt eine andere Hypothese: Die Katharinenkirche hatte soeben mit ihrem 102 Meter hohen Turm die " Lufthoheit" über die Stadt errungen. Nachdem der Dom die Türme von St. Katharinen und St. Marien an Höhe nicht übertreffen konnte, sollte er als Mutterkirche des Bistums wenigstens an Masse die Nase vorn haben.

Der neue, dicke Turm erhielt zunächst eine gotische Spitzhaube. Sie wurde 1772 zur 1000-Jahr-Feier des Bistums gegen eine aufwendige Barockhaube ausgetauscht, die dem neuen Kunstgeschmack entsprach. Der schlanke Nordwestturm war schon im Jahrhundert zuvor barockisiert worden. Damit hatte die Kathedralkirche das Aussehen erhalten, das auf dem historischen Foto von 1933 wiedergegeben ist und das nur noch bis zum Bombenangriff vom 13. September 1944 Bestand haben sollte.

Einerseits war es die Knappheit an Geld, Zeit und Baumaterial, die den Westtürmen des Doms 1946/ 47 nach den Kriegszerstörungen einfache Pyramidenhauben bescherte. Andererseits gab es die Strömung in der Denkmalpflege, bei der Rekonstruktion historischer Bauwerke auf den Ursprungsstil zurückzugehen und modische Veränderungen zwischenzeitlicher Baustile zu ignorieren.

Das fanden gerade die älteren Osnabrücker, die " ihren" Dom noch aus der Vorkriegszeit mit barocken Turmhelmen kannten, nicht gut und wandten sich gegen die " Notmützen". Unter Federführung des Heimatbundes Osnabrücker Land (HBOL) setzten sie sich in den 1980er-Jahren für eine Neugestaltung der Turmhelme nach dem Stand von 1772 ein. Der HBOL-Vorsitzende hatte wohl auch das Beispiel der Mariengemeinde vor Augen, die zwar elf Jahre länger als die Domgemeinde auf ihren Turmhelm warten musste, es in einem Kraftakt der Bürgerbeteiligung mit Ausgabe von Spenden-" Bausteinen" aber dann 1958 geschafft hatte, dem St.-Marien-Turm seine Barockgestalt wiederzugeben.

Die HBOL-Aktion war von keinem vergleichbaren Erfolg gekrönt, wie man heute sieht. Es kam bei Weitem nicht genug Geld zusammen und, was vielleicht noch wichtiger war: Der Bischöfliche Stuhl stand der Initiative von Anfang an skeptisch gegenüber. Längst haben sich die Gemüter beruhigt und die Augen an die " Notmützen" gewöhnt. Die neue Silhouette ist in stilisierter Form zum Logo des Bistums geworden, als wäre das schon immer so gewesen.
Bildtexte:
Der Dom im Winter 1933, elf Jahre vor der Zerstörung seiner barocken Turmhauben. Der Blick geht aus der Lortzingstraße über den Domhof. Links ist die Ecke des Hauses Schöningh zu sehen, das 1975 in einem umstrittenen Handstreich abgerissen wurde.
Heute tragen die Osnabrücker Domtürme vereinfachte Pyramidenkappen. Rechts daneben das " Forum am Dom" in einem schlichten Putzbau anstelle des neuromanischen Vorgängerbaus.
Foto:
Hans Hasekamp, aus: Wido Spratte, Bild-Archiv Alt-Osnabrück, Band 3, Verlag H. Th. Wenner Osnabrück, 1996
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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