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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Dicke Freunde
Zwischenüberschrift:
Einzigartige Studie erforscht das Sozialverhalten alter und junger Elefantenbullen im Zoo
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Erstmalig haben Wissenschaftler in Osnabrück das Verhalten einer Elefantengruppe in Gefangenschaft erforscht, die aus einem erwachsenen und mehreren jungen Bullen besteht. Das Ergebnis ihrer monatelangen Studie: Wie in der freien Wildbahn zügeln Leitbullen das Temperament der Junggesellen. Für den Zoo der Beleg dafür, in der Elefantenhaltung auf dem richtigen Weg zu sein.

40 Jahre als Tierpfleger hat Detlef Niebler inzwischen auf dem Buckel. Ein nervöses " Kribbeln im Nacken" spürte der Leiter des Elefantenreviers trotzdem, als im vergangenen Sommer mit Zuchtbulle Luka Deutschlands größter Asiatischer Elefant in den Osnabrücker Zoo einzog. Wie würde sich der weithin als angriffslustig und gefährlich verrufene, 3, 15 Meter hohe und über fünf Tonnen schwere Dickhäuter Jahrgang 1973 am Schölerberg machen auf einem Haufen mit vier Geschlechtsgenossen im Kindesalter?

Weder Niebler noch seine Kollegen hatten bislang nennenswerte Erfahrung im Umgang mit einem männlichen Dickhäuter solchen Kalibers, geschweige denn mit der europaweit einmaligen Kon stellation der Gruppe. Doch die Sorge, mit dem zuletzt in Spanien eingestallten Luka könne es im Osnabrücker Verband dieselben Schwierigkeiten geben, an denen schon reihenweise Zoos im Ausland verzweifelten, scheint nach wie vor unberechtigt. " Überraschend unproblematisch" sei die Zusammenführung dieses " Prachtkerls" mit den übrigen Tieren auf der Anlage gelaufen, sagt Niebler. Sanft und gutmütig führe der majestätische Elefant die vier als " Rüsselrasselbande" bekannten Jungbullen, die nur wenige Wochen vor ihm aus Hamburg und Hannover in die Friedensstadt gekommen waren. Seit dem ersten Tag würden sich Luka, Shanti, Shahrukh, Dinkar und Nuka prächtig verstehen.

Genau beobachtet

" Was wir hier erleben, ist spitzenmäßig", zeigt sich auch Zoodirektor Michael Böer immer wieder erstaunt über das beinahe reibungs lose Miteinander der tierischen Männer-WG. Besonders froh ist er aber darüber, dass dieser Eindruck nun sogar einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten hat. Denn was die geballte Elefanten-Kompetenz vom Schölerberg bislang bloß ahnte, hat sie jetzt schwarz auf weiß dank der fundierten Verhaltensstudien zweier Studentinnen der Universität Osnabrück. Dabei genügten den jungen Frauen als Werkzeuge auf diesem bislang unbeackerten Feld der Wissenschaft ein Klemmbrett und eine Stoppuhr, um das Beziehungsgeflecht der fünf Tiere zu untersuchen. Was sie sonst noch brauchten, war Zeit. Viel Zeit. So viel, wie sie die Elefantenpfleger laut Revierleiter Nieb ler für eine intensive und langfristige Anschauung der grauen Riesen niemals aufbringen könnten. Weiterer Vorteil: Weil die beiden Forscherinnen fremd waren, fühlten sich die Tiere unbeobachtet und verhielten sich " ganz normal".

Von Anfang Mai bis Mitte August 2013 machte also die Biowissenschaftlerin Anne Lena Brandes (26) für ihre Bachelorarbeit erste Beobachtungen an den Elefanten. 13 Wochen lang von Oktober 2013 bis Januar 2014 hockte sich dann Viviann Meyer beinahe täglich und für Stunden vor das große Schaufenster im Elefantenhaus, lauerte wahlweise auf der Besuchertribüne am Außengehege oder auf dem Dach des angrenzenden Affenhauses, das einen glänzenden Blick über die gesamte Anlage bietet. Dabei schrieb die 25-Jährige alles auf, was sich in bestimmten Zeiträumen im Umfeld eines einzelnen Elefanten zutrug. " Fokustier-Methode" nennt sich dieses Verfahren. Vivann Meyer: " Ich beobachtete jedes Tier jeweils zehn Minuten und notierte mir, welche anderen Tiere sich in dieser Zeit in seiner Nähe befanden und welche Berührungen zwischen ihnen stattfanden. Dabei habe ich die Interaktionen nach Sender und Empfänger unterschieden. Ziel war es, ein möglichst umfassendes Bild der Beziehungen zwischen den Individuen zu bekommen." Dieses ließ die Lehramtsstudentin mit der Fächerkombination Mathematik und Biologie in ihre Masterarbeit einfließen.

Heraus kam unter anderem Folgendes: Luka ist der unangefochtene Chef im Ring und bleibt selbst dann friedlich, wenn wie im Moment aufgrund der sogenannten Musth (sprich: Mast) sein Testosteronspiegel um das 80-Fache erhöht ist. Offenbar tue ihm die Gesellschaft der Jungen, die " mal Spielkumpan, mal Diener" seien, auch in diesem vorübergehenden Zustand des Wankelmuts und der Unberechenbarkeit gut, schlussfolgert Zoodirektor Böer eine bahnbrechende Erkenntnis in der Elefantenhaltung. Die Jungbullen würden sieben bis neun von zehn Minuten beieinanderstehen, auch Luka sei mindestens in der Hälfte der Zeit in Nahdistanz zu den Kleinen. Gelegentlich werde gerangelt, was eine gute Schule für künftige Begegnungen mit Elefantenkühen sei. Am liebsten aber würden sich die Bullen gegenseitig berüsseln und sogar ihre Rüssel in die Mäuler der anderen legen. Böer: " Das ist absolutes Vertrauen, ein echter Liebesbeweis! Wenn man bedenkt, dass die Backenzähne mühelos einen armdicken Ast durchbeißen können."

Tierhaltung verbessern

Revierleiter Niebler und der Zoodirektor hoffen nun, mit den gewonnenen Daten die Elefantenhaltung weiter verbessern zu können. Auch alle anderen Tierparks mit Dickhäutern sollen von der einzigartigen Verhaltensstudie profitieren. " Da es in anderen Zoos nur reine Jungbullengruppen gibt, schauen die Kollegen gespannt auf Osnabrück und die Erfahrungen, die wir machen. Deswegen sind die Ergebnisse besonders wertvoll und wegweisend", sagt Böer.

Anspruch auf Vollständigkeit erheben die Beobachtungen der beiden Studentinnen allerdings nicht. " Wir können nur dokumentieren, was wir sehen", erklärt Viviann Meyer. Was sich die Elefanten für Menschen nicht wahrnehmbar per Infraschall zu sagen haben oder mittels ihrer noch nicht vollends entschlüsselten Körpersprache, bleibt also vorläufig ein Rätsel der Wissenschaft.
Bildtexte:
Vertraut: Die vier Jungbullen Shanti, Shahrukh, Nuka und Dinkar liebkosen kurz nach ihrer Zusammenführung im Juli 2013 einen entspannt am Boden liegenden Luka.
Auf einem Klemmbrett notierte Studentin Viviann Meyer ihre mehrmonatigen Beobachtungen an der Osnabrücker Elefantengruppe. Zoodirektor Michael Böer (rechts) und Revierleiter Detlef Niebler halten die Resultate der einmaligen Verhaltensstudie für sensationell.
Bulle Luka lässt es sich sogar gefallen, wenn eines der Jungtiere in seinem Maul herumrüsselt wie diese Aufnahme von Juli 2013 belegt.
Foto:
Zoo Osnabrück, Elvira Parton

Asiatische Elefanten

In fünf Unterarten sind Elefanten in verschiedenen Ländern Asiens, meist nur noch in kleinen Gruppen, beheimatet: von Indien über Sri Lanka und Thailand bis zu den Großen Sudaninseln. Früher besiedelten sie auch weite Teile Chinas, heute findet man sie nur noch in Südost- und Südchina. Asiatische Elefanten leben überwiegend in Regenwäldern und immergrünen Laubwäldern, aber auch in Dornbuschsavannen. Sie benötigen täglich einen Zugang zum Wasser.

Wie auch ihre afrikanischen Verwandten leben Asiatische Elefanten in Herden, die aus erwachsenen Weibchen und ihrem Nachwuchs bestehen. Die alten Bullen ziehen als Einzelgänger umher, junge Bullen bilden auch Junggesellengruppen. Auf dem Speiseplan stehen Äste, Blätter, Baumrinde, Wurzeln, Früchte und Gräser.

Asiatische Elefantenkühe tragen in der Regel keine Stoßzähne. Der längste entdeckte Stoßzahn eines Bullen war über zweieinhalb Meter lang. Die Dickhäuter werden ungefähr fünf Tonnen schwer und etwa drei Meter groß. Damit sind sie etwas kleiner als die Afrikanischen Elefanten. Die Tragzeit von Asiatischen Elefantenkühen dauert fast zwei Jahre. Das Jungtier wiegt bei der Geburt dann bereits über 100 Kilogramm. Wegen der anhaltenden Zerstörung ihres Lebensraums gelten Asiatische Elefanten als bedrohte Tierart.
Autor:
Sebastian Stricker


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