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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Erst gutbürgerlich, später verrucht
Zwischenüberschrift:
Am Gastronomie-Standort Hasestraße 62 schließt die Bar "Parisiana"
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Was hat Oldenburg mit Paris zu tun? Eigentlich nicht besonders viel. In Osnabrücks Hase straße wollte es allerdings der Zufall, dass in das frühere gutbürgerliche Gasthaus " Oldenburger Hof" nach dem Krieg vermeintliche Pariser Lebensart mit dem Nachtclub " Parisiana" Einzug hielt. Die ist allerdings bald auch Geschichte: Zum Jahresende gehen die (Rot-) Lichter an der Hase straße 62 aus.

1959 kaufte der Getränkegroßhändler Karl Feldscher den schlichten Nachkriegsbau und richtete dort das " Tanz-Cabaret" ein. " Für das prüde Osnabrück der Wiederaufbaujahre war das natürlich ein Hammer, und dann auch noch so dicht am Dombezirk", erinnert sich der Feldscher-Geschäftsführer Rainer Klose. Von " Striptease" habe man damals nicht gesprochen: " Das gab es nur in Hamburg auf der Reeperbahn. Wir nannten das ganz züchtig Schönheitstanz′. Allenfalls kam es zur Entblößung der Brust, mehr auf keinen Fall."

Natürlich gebe es eine Fülle von Anekdoten aus 55 Jahren " Parisiana", angefangen bei dem Klassiker, dass der Ehemann die Verzehr-Quittung in der Sakko-Tasche vergisst und die Ehefrau sie dort beim Bügeln findet, bis hin zu jenem stadtbekannten Edelmann, der regelmäßig direkt von der Treibjagd mit schmutzigen Gummistiefeln und Flinte hereingestapft kam und dann zum " Horrido" blies. Insgesamt aber, so meint Klose, sei es noch zu früh, Derartiges aufzuschreiben, denn da könnte sich so manche angesehene Familie unangenehm berührt fühlen.

In der Abfolge der Pächter tauchen die Namen Hans Ackermann, Berthold Schulte und zuletzt Cäcilia Rosemann auf, die auf ihre Weise alle szenebekannte Originale waren beziehungsweise sind.

" Cilly" Rosemann begann als 15-Jährige ihre Lehre bei Eklöh am Jürgensort, bediente dann im Eiscafé Opitz und arbeitete sich schließlich zum Café Panorama am Neumarkt hoch. Dort brachte sie den Schülern bei, wie man seine Tasche ordentlich abstellt, ohne dass sie der Bedienung im Wege ist. Manchen Sommer konnte man " Cilly" als Laiendarstellerin auf der Waldbühne Kloster Oesede erleben. Ganz aktuell sieht man sie in einem Beitrag von os1.tv, wo sie Moderator Marcel Trocoli Castro und Musiker Tommy Schneller durchs " Parisiana" führt. Wenn sie in der Silvesternacht endgültig abschließen muss, wird ihr das sehr, sehr schwerfallen, sagt die Dame zeitlosen Alters. Für den Verpächter Rainer Klose gibt es indes keine Alternative: " Das Haus ist in die Jahre gekommen und bedarf gründlicher Renovierung", sagt er. Für den Neon-Schriftzug und die Korbmarkisen, die noch den unverfälschten Charme der Fünfzigerjahre ausstrahlen, haben sich schon Liebhaber gemeldet. Die Wohnungen in den Obergeschossen sollen auf den neuesten Stand gebracht werden. Mitte 2015 wird im Erdgeschoss eine " Brasserie" nach französischem Vorbild einziehen.

Also doch wieder etwas Frankreich in der Hasestraße. Dabei begann alles sehr ländlich-sittlich. Wie sollte es auch anders sein? Vor dem Nordtor der Domburg bildete sich bereits im 12. Jahrhundert eine bürgerliche Vorstadtsiedlung heraus, die von der seit 1633 so benannten Hasestraße als ältester Nord-Süd-Verbindung durchzogen wurde. Für Anreisende aus dem Norden, darunter sicher auch viele Oldenburger, die über Oldenburger Landstraße und Bramscher Straße die Hasebrücke erreichten, bot sich gleich dahinter die Gelegenheit zum Ausspann. Schon im 19. Jahrhundert betrieb hier Wilhelm Dryhaus den " Oldenburger Hof". In der Zwischenkriegszeit erwarb ihn Ferdinand Pörtner. Er blieb bis 1928, dann wechselte er in die Herrenteichsstraße zum " Niedersächsischen Hof". Im letzten Krieg wurden beide " Höfe" ein Opfer der Bomben. Familie Pörtner, die zwischenzeitlich die Bahnhofsgaststätte in Bohm te gepachtet hatte, entschied sich 1952, den früheren " Oldenburger Hof" in der Hase straße 62 wiederaufzubauen. Als Wirt des " Gildebräu" stillte Ferdinand Pörtner hier den Durst der Osnabrücker. Bis dann 1959 die Geschichte des " Parisiana" begann.
Bildtexte:
Der " Oldenburger Hof" (Bildmitte, Nr. 62) in der Hasestraße mit Blickrichtung zum Hasetor im Jahr 1905. Rechts daneben Schuhmacher Rudolf Feyer und die Kranzbinderei Hermann Feyer (Nr. 61), links das im Stil der Gründerzeit erneuerte Haus Nr. 63 (Möbelfabrikant F. Wellmann).
Das " Parisiana" ist eingerahmt vom Elektrohaus Gartmann (Nr. 63/ 64, links daneben), das zurzeit umgebaut wird, und dem früheren Blumenhaus Feyer (Nr. 61), in dem Christiane Bitter Schmuck verkauft. Das Ackerbürgerhaus mit Fachwerkgiebel und hervorkragenden seitlichen Brandmauern stammt aus dem 17. Jahrhundert.
Ganz ohne Hintergedanken ergab sich dieses Stelldichein einiger Ordensfrauen vor dem " Parisiana" während des Katholikentages 2008.
Foto:
Rudolf Lichtenberg jr. (aus: Lichtenberg Bilder einer Stadt, Bd. I, Hrsg. Rolf Spilker, Bramsche 1996), Joachrim Dierks, privat
Autor:
Joachim Dierks


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