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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
42 Kinder starben im Lager Fernblick
Zwischenüberschrift:
Historiker Volker Issmer schlägt Gedenktafel vor
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Sie starben, weil sie zur falschen Zeit geboren wurden und weil sich ihre Mütter nicht um sie kümmern durften. 42 Kinder von Zwangsarbeiterinnen aus dem Lager " Fernblick" kamen im Zweiten Weltkrieg ums Leben. Der Historiker Volker Issmer schlägt vor, mit einer Gedenktafel an ihr Schicksal zu erinnern.

Im Wohngebiet am Wilhelm-Mentrup-Weg erinnert heute nichts mehr an das Lager, in dem zeitweise mehr als 1000 sogenannte Fremdarbeiter interniert waren, vor allem Russen, Ukrainer und Angehörige der Sowjetunion. Volker Issmer, der sich in seinen Forschungen den Opfern des Zweiten Weltkriegs widmet, kann die unmenschliche Behandlung der Lagerinsassen schon aus den kurzen Vermerken auf den Karteikarten herauslesen, die er im Niedersächsischen Landesarchiv gefunden hat.

Sein besonderes Augenmerk gilt dem Gemeinschaftslager III, in dem vornehmlich Frauen untergebracht waren. Sie mussten in Osnabrück und im Umland arbeiten, auf Bauernhöfen, in Fabriken und Betrieben. Ins Lager kamen sie zur Disziplinierung, etwa " wegen frechen Benehmens", wie es auf manchen Karteikarten festgehalten ist. Oder eben weil sie schwanger waren von ihren Männern zu Hause, von anderen Zwangsarbeitern, sicher aber auch von Deutschen, wie Issmer mutmaßt. Darauf könnten zumindest einige deutsche Vornamen der Kinder hinweisen. In jedem zweiten Fall ist der Name des Vaters nicht angegeben. Von deutschen Zeitzeugen hat Issmer erfahren, dass es eine Sonderbaracke für die schwangeren Frauen gab und dass dort eine deutsche Hebamme Dienst tat. Für die Jahre 1943 bis 1945 sind im Lager 312 Geburten registriert. Die Mütter stammten zum größten Teil aus der Sowjetunion und aus Polen, einige aber auch aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Litauen.

Aus der Statistik lässt sich herauslesen, dass die meisten Kinder das Lager offenbar trotz der widrigen Umstände überlebt haben. 42 fanden jedoch den Tod, in einigen Fällen schon am Tag ihrer Geburt, häufig in den Tagen und Wochen danach. Ob sich die Mütter zu diesem Zeitpunkt noch im Lager befanden, ist nicht ersichtlich. Auch über die Todesursachen schweigen sich die Karteikarten aus. Es liegt jedoch nahe, dass schwere Arbeit, Mangelernährung, Willkür und unmenschliche Behandlung dafür verantwortlich sind.

Über die Verhältnisse im Lager hat die frühere Zwangsarbeiterin Olga Timofejewna aus Weißrussland vor 14 Jahren bei ihrem Besuch in Osnabrück erzählt. Ihre im Lager geborene Tochter Nina sei eines von etwa 20 Kindern gewesen. Im Lager habe es eine Art Kindergarten gegeben, weil die Mütter tagsüber arbeiten mussten. Alle diese Kinder hätten sich mit einer Magen-Darm-Grippe infiziert, und alle seien daran gestorben. Ihre kleine Nina war vier Monate als, als sie am 9. Juni 1944 ihr Leben aushauchte. Möglicherweise habe die Lagerleitung auf den Tod der Kinder spekuliert, hat Olga Timofejewna geäußert, die im Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerk (OKD) schuften musste. Ohne ihre Kinder habe man die Mütter noch mehr zur Arbeit antreiben können.

Volker Issmer findet es überfällig, " dass diesen Kindern, soweit sie überhaupt noch nachgewiesen werden können, ihr Name gegeben wird." Er schlägt vor, eine Informations- und Gedenktafel aufzustellen, um ihre Leidensgeschichte in Erinnerung zu rufen. Die Geschichte des Lagers Fernblick biete sich aber auch an für weitere Nachforschungen, für die der Historiker am liebsten die Uni gewinnen möchte.
Bildtexte:
Zwangsarbeiterinnen aus dem Lager Fernblick im Zweiten Weltkrieg. Sie arbeiteten im Hotel Hohenzollern. Ihre Kleidung ist nicht typisch, sie haben sich für das Foto fein gemacht. Die beiden Frauen rechts kamen bei einem Bombenangriff ums Leben.
" Wegen frechen Benehmens" wurde eine Arbeiterin aus Lüttich festgenommen und ins Lager Fernblick gebracht. Das geht aus dieser Karteikarte hervor. " Freches Benehmen" konnte schon eine Bagatelle sein.
Foto:
privat

42 tote Kinder im Osnabrücker Lager Fernblick

Hier sind die Namen der im Osnabrücker Lager Fernblick geborenen und hier verstorbenen Kinder, jeweils mit dem

Todesdatum:

Stanis B., 18. 10. 43

Alfred K., 23. 3. 44 (oder 45)

Nina D., 24. 5. 44

Wera S., 31. 5. 44

Waleri S., 11. 3. 44

Nikolai K., 24. 12. 43

Alla T., 21. 1. 44

Leda H., 1. 1. 44

Peter N., 29. 1. 44

Belek/ Bolek C., 6. 2. 44

Jana C., 8. 2. 44

Ala B., 4. 2. 44

Maria T., 13. 5. 44

Olda P., 8. 11. 44

Wera K., 13. 3. 44

Simon D., 1. 8. 44

Anna P., 3. 4. 44

Nikolai P., 1. 11. 44

Lidia S., 9. 3. 45

Walentina S., 21. 9. 44

Sergej P., 4. 10. 44

Eugenius B., 26. 5.44

Elisabeth K., 14. 9. 44

Halina R., 19. 6. 44

Alexander K., 2. 10. 44

Wera J., 26. 9. 44

Feodor S., 21. 2. 45

Daniel B., 24. 8. 44

Schenja F., 12. 8. 44

Stefan R., 11. 11. 44

Wiktor T., 5. 10. 44

Lidia C., 19. 12. 44

Henrich M., 20. 1. 45

Basja K., 7. 1. 45

Henni F., 6. 3. 45

Nikolaus K., 24. 1. 45

Lina A., 3. 2. 45

Peter S., 20. 2. 45

Lina R., 10. 3. 45

Tamara M., 20. 2. 45

Irina S., 14. 3. 45

Kasimira K., 15. 3. 45

Die Schreibweise der Namen wurde aus den Akten des Standesamts übernommen. Sie wird nicht immer korrekt sein.
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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