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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Mehr Anerkennung für Judenretter Hans Calmeyer
Zwischenüberschrift:
Niederländer bauen Vorbehalte gegen Osnabrücker NS-Funktionär ab – Bundesverdienstkreuz für Historiker
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Die Idee, das frühere Osnabrücker Nazi-Hauptquartier Villa Schlikker in Hans-Calmeyer-Haus umzubenennen und für eine Dauerausstellung über den heimischen Judenretter zu nutzen, stößt selbst bei den vormals von Deutschland besetzten Nachbarn auf Gegenliebe. Der niederländische Historiker Moritz Wielenga erkennt darin eine angemessene Würdigung von Calmeyers Lebenswerk durch seine Geburtsstadt. Er fordert für den widerständigen Rechtsanwalt in Hitlers Diensten sogar Vergleichbares in seiner eigenen Heimat, wo Hans Calmeyer jahrelang und nachhaltig wirkte seine Rolle aber zugleich verkannt wurde.
Durch die Berichterstattung unserer Zeitung war Wielenga im 200 Kilometer von Osnabrück entfernten Joure bei Heerenveen auf die Diskussion um die Villa Schlikker aufmerksam geworden. Angestoßen hatte sie Ende Juli der Rat der Stadt. CDU-Fraktionschef Fritz Brickwedde sprach sich damals als Erster öffentlich für eine Umwidmung des " Braunen Hauses" am Heger-Tor-Wall aus, das gegenwärtig Teil des Kulturhistorischen Museums ist. Einstimmig fiel dann der Beschluss, die Verwaltung eine Einbindung Calmeyers in das städtische Museumskonzept prüfen zu lassen.
Hans Calmeyer (1903 1972) hatte zur Zeit des Zweiten Weltkriegs als NS-Funktionär in Den Haag binnen vier Jahren Tausende verfolgter Juden vor der Ermordung bewahrt, indem er gefälschte Stammbäume akzeptierte. In Osnabrück gibt es aber kaum feste Orte der Erinnerung an jenen Mann, den Wissenschaftler für " einen der größten Judenretter in Deutschland" halten. Der nach Calmeyer benannte Platz an der Lotter Straße (Westerberg), ein Grab auf dem Heger Friedhof sowie eine 2012 enthüllte Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der Martinistraße 17 sind vielen zu wenig.
Moritz Wielenga, Mitglied der Osnabrücker Hans-Calmeyer-Initiative und enger Freund des 2013 verstorbenen Calmeyer-Biografen und Ehrenbürgers Peter Niebaum, findet den Gedanken deshalb charmant, ausgerechnet die mehr als 100-jährige, geschichtsträchtige Villa Schlikker für eine Dauerausstellung über den Holocaust-Saboteur zu nutzen. " Hans Calmeyer soll mehr Bekanntheit genießen, sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden", sagt der Historiker im Gespräch mit unserer Zeitung. Es sei notwendig, " um das Gute, das Hans Calmeyer in seiner Position vollbracht hat, nach vorn zu bringen". Allgemein verdienten Personen Re spekt, die in ihrem Leben " durch irgendwelche Umstände gezwungen werden, schwierige Wege zu gehen" erst recht, wenn sie so " zu beträchtlichen Resultaten kommen". Auf Hans Calmeyer, der 1992 vom Staat Israel posthum als " Gerechter unter den Völkern" geehrt wurde, treffe das in besonderem Maße zu. Wielenga: " Er ist von unschätzbarer Bedeutung gewesen für die etwa 3500 geretteten Juden in den Niederlanden."
Jahrzehnte hätten seine Landsleute gebraucht, das zu begreifen. Es habe einen Historikerstreit um Calmeyer gegeben, und auch das einflussreiche Niederländische Institut für Kriegsdokumentation in Amsterdam hielt den Osnabrücker laut Wielenga lange Zeit für umstritten. Doch seit im November 2009 in Holland das Buch " Calmeyer Täter oder Menschenretter" erschien, habe ein Sinneswandel eingesetzt, und " die Waage neige sich zu seinen Gunsten", wie Wielenga sagt. Verfasst hat es übrigens die jüdische Juristin Ruth van Galen-Herrmann, 2013 verstorbenes Ehrenmitglied der Hans-Calmeyer-Initative. Sie war als Kind mit ihren beiden Geschwistern von Hans Calmeyer vor der Deportation bewahrt worden, während ihre Eltern im Konzentrationslager Bergen-Belsen gewaltsam starben. Bei der Eröffnung einer der inzwischen vielerorts gezeigten Calmeyer-Ausstellung 2011 in Den Haag sagte die Holocaust-Überlebende über ihren Lebensretter aus Osnabrück: " Er war kein Nationalsozialist und kein Antisemit, er sympathisierte mit den Juden, und er war unbestechlich."
Dass sich in den Niederlanden " die Denkart allmählich geändert hat", verbucht Moritz Wielenga auch als persönlichen Erfolg. Seit 15 Jahren wirke er " bei verschiedenen Autoritäten" bis hinauf zur Regierung darauf hin, die eigene Bevölkerung über " Calmeyers riskante Unternehmungen" zu informieren und Vorbehalte abzubauen. Zuletzt schrieb er Mitte August dem Bürgermeister von Den Haag einen Brief mit der Bitte, " im Zentrum der Stadt ein bleibendes Andenken an Calmeyer zu errichten". Ob er Gehör findet, wird sich zeigen. In Deutschland unbemerkt geblieben sind seine vielfältigen Anstrengungen jedenfalls nicht: Mitte Oktober soll Moritz Wielenga mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden. Zuvor hält er einen Vortrag in Osnabrück. Am 17. September spricht er ab 19.30 Uhr im Haus der Jugend zum Thema " Widerstand mit Kopf, Herz und Hand".

Kommentar
Ermutigende Fürsprache

Der Gedanke, dem widerständigen NS-Funktionär Hans Calmeyer ein bleibendes Denkmal zu setzen, fällt auf fruchtbaren Boden. Nicht nur in seiner Heimatstadt, wo es an publikumswirksamen Stätten zur Erinnerung an den Judenretter mangelt, sondern auch in den Niederlanden.

Ausgerechnet dort, wo die Deutschen im Zweiten Weltkrieg unverzeihliche Gräuel begingen. Und wo ein unbeugsamer Rechtsanwalt aus Osnabrück unter Einsatz seines eigenen Lebens versuchte, Hitlers Mordmaschine von möglichst vielen Menschen fernzuhalten. Mag Hans Calmeyer auch Teil des verhassten Systems gewesen sein: Für Tausende gelang ihm das. Und wer ehrlich ist, muss einsehen, dass allein seine Hakenkreuz-Uniform ihm die Möglichkeit dazu bot.

Unermüdlichen Aufklärern aus unserem Nachbarland wie dem Historiker Moritz Wielenga und der Holocaust-Überlebenden Ruth van Galen-Herrmann ist es zu verdanken, dass ihre Landsleute jene alten Feindbilder abbauen, die sie pauschal und undifferenziert selbst an stillen Helden wie Calmeyer festmachten. Als verlängerte Arme der Osnabrücker Hans-Calmeyer-Initiative sind Wielenga & Co. im Begriff, den Stachel zu ziehen, der bei vielen Niederländern so tief saß.

Umgekehrt sollte die Fürsprache dieser Pioniere deshalb ermutigen, auch in Osnabrück ein prominentes Zeichen pro Calmeyer zu setzen und zwar eins von Dauer.
Autor:
Sebastian Stricker
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