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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
"Da gucken Sie nie mehr in den Fahrplan"
Zwischenüberschrift:
Stadtwerke-Vorstand Stephan Rolfes zur ÖPNV-Flatrate: Mehr Platz für Menschen, weniger für Autos
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. An der Flatrate für den öffentlichen Nahverkehr scheiden sich die Geister. Eine breite Mehrheit im Rat hat Sympathie für das sogenannte Bürgerticket, wie es die Osnabrücker Klimaallianz und die Osnabrücker Sozialkonferenz vorgeschlagen haben. Das soll so funktionieren: Jeder Bürger aus Stadt und Landkreis zahlt einen Beitrag von 25 bis 35 Euro pro Monat und bekommt dafür ein Busticket für die Region. Eine Machbarkeitsstudie soll ermitteln, ob das in Osnabrück funktionieren und welchen Nutzen es bringen würde. Wir haben darüber mit Stephan Rolfes gesprochen, Stadtwerke-Vorstand für Verkehr und Hafen.
Braucht Osnabrück die ÖPNV-Flatrate, um seine Klimaschutz-Ziele zu erreichen?
Wir diskutieren jetzt seit einigen Jahren sowohl im Master-Plan Klimaschutz, im Master-Plan Mobilität und im Nahverkehrsplan über die Frage " Wie stellen wir uns eigentlich unsere Stadt vor?". Und dabei wird immer wieder deutlich, wir stellen uns unsere Stadt vor mit Menschen. Wir wollen, besonders in der Innenstadt, Menschen haben. Menschen aus Osnabrück, Menschen aber durchaus in der Region, ganz andere, die uns hier besuchen. Und auf der anderen Seite möchten wir die Verkehrsbelastung in unserem Individualverkehr gar nicht so sehr weiter fortführen. Wir brauchen mehr Platz für Menschen, weniger für Autos, jedenfalls in der Stadt. Wir haben Probleme mit den Schadstoffbelastungen, wir haben Probleme mit Lärm. Wir haben soziale Probleme, wir erleben in den letzten zehn Jahren, dass das Autofahren immer teurer wird und nicht mehr so einfach erschwinglich ist, wie es über viele Jahre mal gewesen ist. Und wir müssen jetzt versuchen da raus ein insgesamt Ganzes zu schaffen.
16 Prozent der Fahrten in Osnabrück werden mit dem Bus zurückgelegt. 40 Prozent schlägt Nahverkehrspapst Heiner Monheim vor. Welches Ziel haben Sie denn?
Wir fangen ja erst mal etwas realistischer an und sagen: " Wir hätten gerne bis 2025 20 Prozent mehr als heute." Wir haben in der gleichen Phase in der Stadt Osnabrück aber auch vor, den Anteil des Radverkehrs noch mal deutlich zu erhöhen, und würden gerne sehen, dass so zehn Prozentpunkte der Autofahrer nicht mehr mit dem Auto unterwegs sind. Wohlgemerkt, die Leute sollen unterwegs sein. Sie sollen weiter mobil bleiben können, sie sollen es nicht als Einschränkung erleben. Aber für uns im Nahverkehr bedeutet das ja umgekehrt, 20 Prozent mehr Fahrgäste in den nächsten Jahren zu gewinnen.
Wenn die ÖPNV-Flatrate kommt, dann wird Ihnen das viel Geld in die Kassen spülen. Da können Sie schöne Sachen machen.
Ja, da lässt sich vieles mit machen. Aber erst mal denke ich, es ist umgekehrt. Wenn so eine ÖPNV-Flatrate kommt, dann gehen wir alle davon aus, es kommen noch viel mehr Fahrgäste. Also die Entscheidung morgens zu Hause: Der Bus ist ja jetzt schon bezahlt, ich kann zwar auch das Auto nutzen, aber das kostet mich mehr. Also fahre ich lieber mit dem Bus. Das ist ja auch der Gedanke aus dem Semester-Ticket. Das wird dazu führen, dass wir deutlich mehr Fahrgäste haben. Das bedeutet auch erst mal mehr Kosten. Wir müssten größere Fahrzeuge haben, wir müssten dichtere Takte fahren, wir müssten mehr Fahrzeuge haben, wir brauchen auch mehr Personal. Mehr Fahrzeuge, da muss man auch mal kritisch hingucken, vielleicht fahren wir dann nur noch mit Anhänger-Bussen durch die Gegend im Zehnminutentakt, im Achtminutentakt oder im Siebenminutentakt. Stellen Sie sich mal vor, bei Ihnen in der Nähe fährt alle sechs oder sieben Minuten ein Bus vorbei. Da gucken Sie nie mehr in den Fahrplan. Sie haben auch nie mehr das Gefühl, dass Sie irgendwie unbeweglich sind, sondern Sie kommen ganz gut weg. Wir werden sicherlich auch abends länger unterwegs sein. Wir brauchen sicherlich auch eine Verknüpfung mit anderen flexibleren Verkehrsformen, Car-Sharing, wo ich auch dann, wenn sich Bus einfach nicht lohnt, auch ein Angebot habe, dass ich mich nicht abgehängt fühle, sondern dass ich sage: " Hinkommen tue ich da schon, und zwar auch ganz komfortabel."
Wie sieht es denn mit der Stadt-Umland-Verknüpfung aus?
Die halte ich für ganz wichtig. Bei uns hört ja Mobilität von Menschen nicht an kommunalpolitischen Grenzen auf. Nun ist unsere Stadt Osnabrück räumlich auch sehr klein, und wir sind von Anfang an gezwungen, uns das, was drum herum stattfindet, auch mit anzugucken. Die Städte und Gemeinden im Speckgürtel, aber auch ein Stück weit darüber hinaus. Mit dem Kreis Steinfurt ist auch noch eine Landesgrenze dazwischen. Heute können wir erst mal sehen, dass wir mit den Schienenverbindungen aus der Region schon eine sehr gute Anbindung in Osnabrück haben. Natürlich muss man auch im Busverkehr mal gucken, was können wir noch mehr machen? Oesede, Zehnminutentakt, super, aber in Wallenhorst teilweise nur ein Zwanzigminutentakt, und da sitzt noch ein bisschen was drin, um hier auch Verbindungen zu verbessern. Das Problem des Bürger-Tickets sehe ich eigentlich auf einer anderen Ebene. Das Bürger-Ticket muss nun auch demokratisch legitimiert durch die jeweiligen Räte eingeführt werden. Und wir müssen natürlich auch respektieren, dass die Stadt Osnabrück für sich eine Entscheidung treffen kann, nicht aber für das Umland. Und wir werden auch respektieren müssen, dass der Landkreis das nicht flächendeckend für alle machen kann, sondern jede Gemeinde auch ihre eigenen Rechte dabei hat. Diese Abwägung wird noch ein langer Diskussionsprozess sein. Ich weiß noch nicht, wie das ausgeht und ich weiß auch nicht, ob das Thema Bürger-Flatrate hier wirklich der gute Ansatz ist. Aber es ist eine Idee, die wirklich mal Drive reinbringen kann in eine Veränderung vom Auto hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln.
Es gibt Kritik an den bestehenden Modellversuchen, etwa im belgischen Hasselt. Als Knackpunkt gilt, dass bei einem Erfolg die Kosten des vermehrten Buseinsatzes steigen und den gesamten Modellversuch scheitern lassen.
Die Beispiele, die derzeit zitiert werden, sind in der Regel nicht von den Bürgern finanziert worden, sondern aus Steuergeld. Das heißt, eine Gemeinde hat sich überlegt, ich biete jetzt mal den kostenlosen Busverkehr an, und in dem Moment haben Sie ein strukturelles Problem. Sie haben möglichst wenig Steuergeld, das Sie ausgeben wollen, und wollen damit möglichst großen Erfolg haben. Haben Sie dann den großen Erfolg, müssen Sie immer mehr Steuergelder reinpacken. Sie haben keine dem gegenüberstehende Einnahme. So, und das müssen Sie natürlich bei einer bürgerfinanzierten Geschichte schon ein Stück weit anders machen.
Die ÖPNV-Flatrate ist nur eine Möglichkeit, den Anteil des öffentlichen Nahverkehrs zu erhöhen. Welche anderen Möglichkeiten gibt es?
Natürlich gibt es auch andere Möglichkeiten, das ist ja der Weg, den wir seit vielen Jahren schon beschreiten, dass wir sagen, wir wollen das System öffentlicher Nahverkehr so attraktiv machen, dass die Leute mit Begeisterung sagen, ich nutze das freiwillig. Das Hauptkriterium, das wir haben, ist, ich will immer dann fahren, wann ich will, also möglichst einen dichten Takt. Zehnminutentakt ist viel besser als ein 20-Minutentakt. Ein Fünfminutentakt ist noch mal deutlich besser, und natürlich schnelle Fahrzeiten. Da brauchen wir Ampelvorrangschaltungen und Busspuren im Zulauf auf Ampeln. Also den öffentlichen Nahverkehr schneller zu machen, ihn zu beschleunigen, das ist aus unserer Sicht das Hauptargument. Wir brauchen vernünftige, komfortable Fahrzeuge, und wir brauchen auch eine Haltestellen-Situation, die so angenehm wie möglich ist.

Bildtexte:
Demnächst nur noch Busse mit Anhänger? Die Befürworter des Bürgertickets setzen auf große Zuwachsraten im öffentlichen Nahverkehr.
Vor der Kamera: Dr. Stephan Rolfes (links) beim Interview mit Redakteur Rainer Lahmann-Lammert.
Foto:
Archiv/ Hehmann, Michael Gründel
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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