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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Bruchlandungen unterm Kirchturm
Zwischenüberschrift:
Uhuretter Wolfgang und Birge Herkt im Dauereinsatz
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Der vor zwei Jahren von Menschen provozierte Umzug streng geschützter Uhus vom Dom zur Katharinenkirche bereitet Fachleuten zunehmend Sorge. Anders als früher überstehen dort Jungtiere ihre ersten Flüge selten unversehrt, müssen vom Boden gerettet und medizinisch behandelt werden. Wie mühsam diese oft monatelange Arbeit ist, davon machte sich jetzt die Stadtspitze ein Bild und besuchte Osnabrücks Vogelflüsterer Wolfgang Herkt in seiner Betreuungsstation in Hellern.

In den vergangenen Tagen fingen der 72-Jährige und seine Tochter Birge Herkt eine auf Wildvögel spezialisierte Tierärztin notgedrungen gleich zweimal wenige Wochen alte Uhus ein, die aus ihrem Nistkasten im Turm der Katharinenkirche in 50 Meter Höhe auf den Boden gesegelt waren und dort festsaßen. Einer wurde weitgehend unversehrt auf den Kirchturm zurückgebracht. Den anderen, mangels Futter fast vertrocknet, nahm Wolfgang Herkt unter seine Fittiche.

Bis zur geplanten Auswilderung im Herbst wird er nun bei ihm bleiben. Wie übrigens einen kaum älteren, bei einer Bruchlandung arg ramponierten Geschwisterteil, den die Tierrettungsgruppe der Berufsfeuerwehr kurz vor Pfingsten ins offizielle Vogel-Lazarett des Landes Niedersachsen gebracht hatte. " Wahrscheinlich gegen eine Mauer geprallt", sagt Herkt. Denn für 95 Prozent der Verletzungen bei Uhus überwiegend Gehirnerschütterungen, Blutungen und Brüche seien Errungenschaften der Zivilisation wie Stromleitungen, Glasscheiben und Stacheldraht verantwortlich. " Wir haben keine Naturlandschaft mehr, sondern eine Kulturlandschaft, in die der Mensch Hindernisse gebracht hat, die vielen Vögeln, besonders
dem Uhu, zum Verhängnis werden. An Bäumen und Sträuchern verletzt sich kein Uhu."

Ob er die beiden neuesten Patienten denn wieder hinkriegt? " Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche", glaubt der Textilunternehmer, der schon als Kind verunglückten Mauerseglern und anderen Vögeln half. Doch die jüngste Entwicklung in der Uhu-Hochburg Osnabrück stimmt ihn traurig. Es sei das zweite Jahr in Folge, dass er zwei Uhus gesund pflegen müsse, die rund um die Katharinenkirche in Not geraten seien, schimpft Wolfgang Herkt

Für ihn kein Zufall: Denn als die Uhus noch am Kreuzgang des Doms nisten durften, habe es das Problem nicht gegeben. Ein " idealer Brutstandort" sei das gewesen, gleichsam ein Eldorado für die streng geschützten Vögel und für Tierfotografen, die sie mit ihren Kameras einfingen.

Diesen feinen Platz hätten die größten aller Eulen aber 2012 verlassen, nachdem sie zur Brutzeit " irgendjemand eindeutig gestört" habe mutmaßlich in der Absicht, sie für immer loszuwerden. In Anspielung auf die Bibel spricht Wolfgang Herkt von der " Vertreibung aus dem Paradies". Die als Ersatz auserkorene Katharinenkirche, 500 Meter Luftlinie vom Dom entfernt, sei jedenfalls als Brutstandort denkbar schlecht: Unberechenbare Scherwinde rund um das höchste Mittelalterbauwerk Niedersachsens (Turmspitze 103 Meter) machten den jungen Uhus das Leben schwer. Und den Altvögeln wie dem wachsamen Weibchen und dem fütternden Terzel fehle in den engen Stadtschluchten die Übersicht, um sich bestmöglich um ihren Nachwuchs zu kümmern.

Ein Leben für die Tiere

Also sorgt Wolfgang Herkt ein Vogelfreund, der selbst gerne fliegt und als Pilot im Auftrag des Landes seit gut 28 Jahren die Seehunde im Wattenmeer zählt; ein Bundesverdienstkreuz-Träger, dessen Herz für Eulen sich selbst in den Mustern der Sitzpolster seiner Gartenmöbel und der Taschen seiner abgewetzten Lederkutte niederschlägt; ein Kauz, der redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und mit seiner unverstellten, manche sagen ungehobelten Art polarisiert dieser Mann sorgt also ehrenamtlich und mit unvergleichlicher Hingabe für insgesamt viele Hundert kranke und verletzte Pechvögel im Jahr. Und das seit 1963.

" Letztes Jahr hatte ich 50-Jähriges. Aber wann hätte ich feiern sollen? Zu viel zu tun." Auf seinem von anfangs 8000 auf heute 80 000 Quadratmeter gewachsenen Anwesen nahe dem Flugplatz Atterheide tummelt sich in zig Volieren, Kotten und Hütten beinahe alles, was Federn hat und Hilfe braucht.

Vor allem Eulen und Störche, aber auch Adler, Bussarde, Wanderfalken, Rohr- und Wiesenweihen sowie weitere Wildvögel haben bei ihm Zuflucht gefunden. Sogar der schwarze Schwan Petra wohnt hier, der 2006 durch seine Liebe zu einem Tretboot auf dem Aasee in Münster berühmt wurde.

" Dieses Leben für die Tiere, diese 100-prozentige Leidenschaft der ganzen Familie. Großartig, dass wir so etwas haben", staunte Sozialdezernentin Rita Maria Rzyski, als sie am Dienstag gemeinsam mit Stadtbaurat Frank Otte (" Ein Ort mit regionaler Strahlkraft") erstmals die staatlich anerkannte Betreuungsstation besuchte.

Oberbürgermeister Wolfgang Griesert hatte die beiden dorthin geführt, um ihnen einen persönlichen Eindruck von Wolfgang Herkt und seinem Lebenswerk zu verschaffen. Gewiss einen, der hängen bleibt.

Bildtexte:
Uhukralle von unten.

Ein Findelkind lässt die Flügel hängen: Tierärztin Birge Herkt mit dem geretteten Junguhu von der Katharinenkirche.

Fotos:
Gert Westdörp
Autor:
Sebastian Stricker


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