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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Warum am Neumarkt so lange nichts geschah
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Ein Meilenstein: Heute will der Rat den Bebauungsplan verabschieden
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Ein Schwarz-Weiß-Bild von 1982 zeigt den Neumarkt im Abendlicht. Hier tobt das Leben, sagt das Bild. Es sagt uns heute aber auch, dass sich die Grundstrukturen des Platzes seither nicht verändert haben. Alle Versuche, den belebtesten Platz der Stadt weiterzuentwickeln, sind bis jetzt gescheitert. Warum eigentlich?

Heute Abend wird der Stadtrat voraussichtlich nach Jahrzehnten des Stillstands den großen Schnitt machen: Der Bebauungsplan 525, der die Neumarkt-Gestaltung regelt, steht nach neunjähriger Vorarbeit zur endgültigen Abstimmung. Damit legt der Rat die Grundlage für eine Zweispurigkeit, für die Neuordnung des Busverkehrs und den Bau eines weiteren Gebäudes vor dem Neumarkt-Carré (H& M). Im Juni soll der nächste große Schritt folgen: die Entscheidung über den Bau eines Einkaufszentrums.

Aus Hertie wurde Wöhrl

Als der Rat am 13. Juni 2006 den Beschluss fasste, einen Bebauungsplan für den Neumarkt aufzustellen, übertrafen sich die Fraktionen mit ihren Forderungen, an dieser zentralen Stelle der Stadt müsse " endlich" etwas passieren. In der Tat war der städtebauliche Notstand schon in den Neunzigerjahren unübersehbar. Die vierspurige Straße wurde immer mehr als Barriere wahrgenommen. Der Textilunternehmer Wöhrl, der 1986 den Hertie-Standort übernommen hatte, spürte immer mehr die Abkopplung von der Fußgängerzone. Schon damals, 1990, schlug ein Planer vor, die Fußgänger oberirdisch über den Neumarkt zu führen. Aber dafür war die Zeit noch nicht reif.

Im Neumarkt bündeln sich wie unter einem Brennglas zum Teil widerstrebende Interessen. Der Handel in der Johannisstraße will eine gute Anbindung, der Handel in der Fußgängerzone für automobile Kunden gut erreichbar bleiben. Die Autofahrer wollen schnell die City durchqueren, die Buskunden kurze Umsteigewege, die Einkaufenden ruhige Plätze zum Verweilen, die Radler sichere Fahrstreifen, die Stadtbahn-Freunde Raum für Schienen. Es gibt so viele Interessen und Interessenten, dass jahrelang nicht klar war, welche Funktion der Platz eigentlich haben sollte: Knotenpunkt des motorisierten Verkehrs oder urbanes Zentrum mit Platzcharakter?

Frage der Funktion

Der Bebauungsplan 525 beantwortet diese Frage. Am Neumarkt soll ein neuer, lebendiger Mittelpunkt entstehen. So weit waren die Planungen schon einmal. 2001 entschieden sich 150 repräsentativ ausgewählte Bürger im Bürgergutachten eindeutig für eine Sperrung des Neumarktes. Nach dem Machtwechsel im Rathaus ließ die CDU/ FDP-Mehrheit das Gutachten in der Schublade verschwinden.

Aber im selben Jahr leitete eine scheinbare Winzigkeit einen tief greifenden Wandel ein. Am 3. April 2001 leuchtete erstmals das grüne Licht einer Fußgängerampel. Nur wenige Menschen nutzen anfangs den direkten oberirdischen Weg, wie ein Foto vom ersten Tag zeigt.

Die meisten Fußgänger wählten den vertrauten Weg durch die Passage, die damals noch in voller Blüte stand. Doch je mehr die oberirdische Abkürzung an Akzeptanz gewann, umso mehr verlor die Geschäftswelt im Tunnel an Boden.

2002 gab Wöhrl auf und überließ das Haus dem bisherigen Geschäftsführer Werner Krüger. Zwei Jahre nur hielt Krüger durch. Seither steht der gläserne Komplex verlassen da. Wie ein Mahnmal. 2003 wurde bekannt, dass Deutschlands größter Centerentwickler ECE am Neumarkt investieren will. Die Pläne wirkten aus heutiger Sicht gigantomanisch. Das Justizzentrum sollte ausgelagert werden, Gefängnis und Gerichtsgebäude sollten verschwinden. Das historische Landgericht wollte ECE entkernen und zum Portal für ein Einkaufszentrum mit mehr als 30 000 Quadratmeter Einkaufsfläche machen. Zum Vergleich: Investor mfi peilt jetzt im ersten Schritt 16 500 Quadratmeter an.

2004 entstand das erste Gutachten über die Verträglichkeit eines Einkaufszen trums. Gleichzeitig verschärfte sich die Krise im Tunnel. Viele Ladenbesitzer konnten die Miete nicht mehr zahlen, und die Eigentümerin, die Parkstätten-Betriebsgesellschaft OPG, schlug Alarm. Zur Diskussion stand ein fulminanter Ausbau zum unterirdischen " Naschmarkt".

Über die Tunnelfrage wäre fast die schwarz-gelbe Rathaus-Koalition zerbrochen. Beschlossen wurde schließlich eine kleine Lösung ein Umbau für rund fünf Millionen Euro. Das Motto: Der Tunnel ist tot, es lebe die Passage! Aber nicht lange: Im November 2005 startete die Passage mit großen Hoffnungen, 2009 beschloss der Rat Schließung und Abriss.

Bergmann-Tunnel

Wie eine Anekdote mutet heute der Streit zwischen Immobilienkaufmann Theodor Bergmann und der Stadt an, der 2006 in ein skurriles Gerichtsurteil mündete. Bergmann, Eigentümer des Neumarkt-Carrés und der Sportarena, hat ein verbrieftes Recht, dass diese beiden Häuser unterirdisch durch den Tunnel miteinander verbunden bleiben. Dieses Recht läuft erst 2020 aus. Als Bergmann darauf pochte, entschied das Verwaltungsgericht, dass durch den geschlossenen Tunnel eine Röhre zu bauen ist, die die beiden Kellereingänge verbinde. Gut, dass es nie so weit gekommen ist.

Das ECE-Großprojekt Einkaufszentrum kam vor zehn Jahren ins Stocken: 2005 erklärte ECE den Ausstieg, weil die Verlagerung des Justizzentrums zu teuer gekommen wäre. Und weil das Textilhaus L+ T zeitgleich mutig investierte, erlahmte das Interesse der Centerentwickler am Neumarkt.

Erst sechs Jahre später, 2011, trat das Essener Unternehmen mfi mit dem Plan in die Öffentlichkeit, den alten Wöhrl-Komplex in ein Einkaufszentrum zu verwandeln. Eine neue Debatte war eröffnet. Zu spät kam 2013 der Vorschlag der Initiative " Lebendiges Osnabrück", einer Vereinigung centerkritischer Kaufleute, eine " neue Mitte" mit Busbahnhof zu bauen.

Seit 2012 ist der Neumarkt sichtbar eine Baustelle. Im ersten Schritt wurden das frühere Café Coppenrath und der südliche Teil des Tunnels abgerissen, damit der Bau des Hasehauses beginnen konnte. Inzwischen markiert das architektonisch gewagte Gebäude die östliche Platzkante. Auf der gegenüberliegenden Seite soll ein weiteres Gebäude entstehen, das die historische Dimension des Neumarktes wiederherstellt. Ab Juni wird der Neumarkt für den Tunnelabriss bis mindestens Januar 2015 für den Autoverkehr gesperrt. Gleichzeitig könnten die Abrissarbeiten zum Bau des Einkaufszentrums beginnen. Kurzum: Der Neumarkt wird für mehrere Jahre eine Großbaustelle sein.

Und dann? Nach dem Ergebnis des Gestaltungswettbewerbes von 2013 wird der neue Neumarkt Bäume, Wasserspiele und einen gestreiften Betonteppich haben, der die Funktionstrennung zwischen Fahrbahn und Aufenthaltsbereichen aufheben soll.

Wir dürfen gespannt sein.


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