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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Der Neumarkt unterforderte die Flics
Zwischenüberschrift:
Während der Frankreich-Woche 1964 regelten französische Polizisten den Verkehr
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. " Siehst du Brust oder Rücken, musst du auf die Bremse drücken siehst du die Hosennaht, hast du freie Fahrt." Mit diesem Merksatz bekamen Fahranfänger vor 50 Jahren beigebracht, wie sie auf Körperstellung und Handzeichen von Polizisten zu reagieren hatten, wenn die auf viel befahrenen Kreuzungen den Verkehr manuell regelten. Heute erlebt man diese Art von Verkehrslenkungen höchstens noch bei Unfällen oder defekten Ampeln.

Die Zeit der winkenden und pfeifenden Schupos ging zu Ende, als die Ampelanlagen billiger und die Personalkosten der Beamten im Verhältnis zu teuer wurden. Doch bis in die 1970er-Jahre sah man die Verkehrsposten im weißen " Verkehrsmantel" und mit weißen Handschuhen, Winkerkelle und Trillerpfeife in Großstädten recht häufig. Ihr unbestrittener Vorteil war, dass sie flexibel auf wechselnde Verkehrsdichten in den verschiedenen Fahrtrichtungen reagieren konnten.

Die hier abgebildeten Verkehrslenker auf dem Neumarkt waren allerdings auch für Osnabrücker Augen im Jahr 1964 äußerst ungewöhnlich. Es handelte sich nämlich um französische Polizisten, die während der " Frankreichwoche" im September 1964 für französisches Lokalkolorit auf Osnabrücks Straßen sorgten. Nach einer " Österreichwoche" und einer " Hollandwoche" besiegelten Osnabrücks Stadtväter die Neubegründung der Städtepartnerschaft mit Angers in einer Dreiecksbeziehung mit dem niederländischen Haarlem mit einer französischen Woche.

Die ganze Stadt war von Kopf bis Fuß auf Frankreich eingestellt, ob das nun ein Weinbrunnen auf dem Marktplatz oder einschlägige Schaufenster-Dekorationen waren, ein Basketballspiel Osnabrück gegen Dieppe oder ein Kameradschaftsabend ehemaliger deutscher und französischer Kriegsteilnehmer in der Schlossgartengaststätte, der " Pariser Glücksbus" oder die Trachtengruppe aus Rouen, die " französisches Weißbrot" auf dem Campingplatz an der Nordstraße verteilte. Keinem Osnabrücker konnte entgehen, dass nach der Versöhnung auf politischer Ebene nun auch das Kennen- und Schätzenlernen von Bürger zu Bürger angesagt war.

Da durften auch zwei Flics, wie die Polizisten in Frankreich volkstümlich genannt werden, nicht fehlen. Am 2. September kamen Othon Rauscher und Lucian Tholey um 19.42 Uhr auf dem Hauptbahnhof an und wurden von einer Abordnung der Osnabrücker Polizei begrüßt. Monsieur Rauscher sprach Deutsch, was die Sache vereinfachte. " In kollegialer Weise nahmen die Osnabrücker Polizisten ihren Gästen die Koffer ab", schrieb das " Osnabrücker Tageblatt", sie begleiteten die Flics " in ihren schmucken Uniformen" zur Sperre und anschließend zu ihrem Quartier.

In dienstlicher Hinsicht waren die Herausforderungen für die Flics nicht allzu groß. Damit es überhaupt Verkehr zu regeln gab, hatte die Stadt alles darangesetzt, die Baustelle über dem frisch eingeweihten Neumarkttunnel rechtzeitig abzuschließen. Nur wenige Tage zuvor war die Sperrung aufgehoben worden. " Mit französischem Charme und großer Sicherheit" erledigten die uniformierten Gäste ihre Aufgabe, wie es in der Zeitung hieß. Das sei aber auch kein Wunder. " Denn gegen das Verkehrsgewühl in Paris ist Osnabrücks Neumarkt selbst in den Hauptverkehrszeiten für sie nur ein kleiner Fisch."

Auf deutscher Seite hatten nicht alle Uniformträger eine gute Figur abgegeben. Nach der Ankunft der Ehrengäste aus Angers auf dem Militärflugplatz Rheine-Hopsten den FMO in Greven gab es noch nicht verursachte ein deutscher Zöllner peinliche Momente. " Die riesige Chartermaschine war noch nicht zum Stillstand gekommen, als sich ein übereifriger Zollbeamter unter das Empfangskomitee mischte", schrieb die Zeitung. Der Beamte war eigens von der Zollgrenzstation Glanerbrück nach Hopsten beordert worden und setzte nun alles daran, die Einreiseformalitäten genau nach Dienstvorschrift auszuführen.

Oberbürgermeister Willi Kelch und Oberstadtdirektor Dr. Joachim Fischer baten den Herrn noch, sich doch etwas weniger auffällig in die zweite Reihe zu begeben und die Kontrolle auf wenige Stichproben zu beschränken. Doch es nützte nichts. Als die 57 Franzosen der viermotorigen Douglas DC-6 entstiegen, wurden sie alle einzeln von dem pflichtbewussten Beamten kontrolliert auch Angers′ Stadtoberhaupt Jean Turc, dem die Tochter von Bürgermeister Dr. Bernhard Scholz zuvor noch einen Rosenstrauß als Willkommensgruß überreicht hatte. Der Kommentator des " Tageblattes" empörte sich über die peinliche Bürokratievorstellung: " Die Franzosen sind nach Deutschland gekommen, um eine Woche der Freundschaft zu erleben, und nicht, um sich durch die Einfuhr verbilligter Genussmittel einen Vorteil zu verschaffen."

Bildtexte;
Die Nordseite des Neumarkts hat sich in 50 Jahren kaum verändert, nur die alte Hauptstelle der Stadtsparkasse am rechten Bildrand ist dem Kaufhaus " Bergmann Thomas-Kleidung" (heute: " Sportarena") gewichen. Foto: Gert Westdörp
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Französische " Flics" regelten während der Frankreich-Woche im September 1964 den Verkehr auf dem Neumarkt.

Foto:

Archiv/ Hartwig Fender
Autor:
Joachim Dierks


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