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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Weltweit konkurrenzloser Schulstreit
Zwischenüberschrift:
Leserbrief
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Zum Kommentar " Auch Eltern sind gefragt" von Christof Haverkamp mit Bezug auf den Artikel " Jeder fünfte Schüler scheitert im Alltag" (Ausgabe vom 2. April).

" Seit mehr als 70 Jahren leistet sich diese Republik einen Ressourcen verzehrenden , Schul-Streit′, der weltweit konkurrenzlos ist und sehr viele Kinder und Jugendliche, deren Eltern sowie Lehrkräfte verbittern und verzweifeln lässt. Während in den Nachkriegsjahren , Re-education′ ein relativ konfliktfreies Bildungsprojekt der Besatzungsmächte und der reaktivierten Kultusbürokratie der Länder war, setzte Pichts Warnung vor einer , Bildungskatastrophe′ (Sputnik-Schock) Anfang der Sechzigerjahre die Republik in Aufruhr und den , Schul-Streit′ allerdings noch harmlos in Gang.

Im Zentrum der Debatte stand die Etablierung eines funktionalistischen Bildungssystems mit einem verengten Bildungsbegriff. Es ging um die Ausrichtung der Bildung auf die ökonomische Verwertbarkeit von Bildungsinhalten (die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft musste ausgebaut und gesichert werden). Die Defizite an ökonomisch verwertbaren Qualifikationen hat Deutschland in der Vergangenheit durch Zuwanderungen (erst kamen die Vertriebenen und Flüchtlinge, in der Folge die , Gastarbeiter′, die Aussiedler und dann die , selektierten′ Fachkräfte per , Bluecard′) versucht auszugleichen.

Der Streit um die Hessischen Rahmenrichtlinien Anfang der Siebzigerjahre setzte erstmals neue Akzente und die bürgerliche Bildungselite in Panik (, eine Anleitung zur permanenten Revolution im Klassenzimmer′ Spiegel 10/ 1973). Er legte die Konturen der Extreme der bildungspolitischen Debatte frei: Restauration und Aufklärung. Beide bestimmen noch heute die Debatte über die Schulstruktur.

Seitdem ist die Diskussion darüber, was und wie Schülerinnen und Schüler lernen sollen, im Grunde verstummt. Für eine Gesellschaft, die die Mündigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger als pädagogisches Ziel und Bildungsauftrag der Schulen festgelegt hat, nicht nur beschämend, sondern auch verfassungswidrig. Mit PISA (2003) wurde der Streit um Bildungsziele und die Schulstruktur zwar neu entfacht, aber leider bis heute nicht für eine vernünftige Ausrichtung der Schulstruktur und Bildung insgesamt genutzt. Es fand auch keine kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen und Methoden des PISA-Reports in der breiten Öffentlichkeit statt. Ergebnisse werden dafür aber medial wirkungsvoll in Szene gesetzt. Das Scheitern am Fahrkartenautomaten als Symptom habitueller Alltags-, un′-fertigkeiten Jugendlicher zu bezeichnen weist eher darauf hin, dass das Interpretationsverständnis der medialen Akteure gegenüber wissenschaftlicher Prosa defizitär ist. Dass , Schule auch anders geht′, zeigen viele erfolgreiche Beispiele, die Erkenntnisse der Hirn- und Lernforschung im Lernprozess berücksichtigen.

In der , Praxis′ der föderal zerklüfteten und reformbedürftigen Schullandschaft haben sich solche Nischen für , Neues′ gebildet. Das Konzept der Daltonpädagogik, das in den Niederlanden weit verbreitet ist und auch in Deutschland allmählich Fuß fasst, wird der Vielfalt der Schüler/- innen und ihren Begabungen/ Talenten gerecht. Es gibt ihnen Raum zum selbstständigen und kooperativen Lernen und Arbeiten und zur Entfaltung ihrer Potenziale. Es gibt ihnen Zeit, die Welt in ihrer Komplexität zu begreifen und zu verstehen. Die Schaffung derartiger Nischen, die mit inklusiver Bildung Förderung aller Kinder Ernst machen, sind im bestehenden System möglich. Sie sind ein konstruktiver Ansatz für eine ganzheitliche Reform. Damit sollen nicht die Reformen ersetzt werden. Die heutigen Kinder und Jugendlichen erhalten aber damit bereits die Chancen zur Übernahme von Verantwortung für das eigene Lernen.

Es ist dringend notwendig, in der öffentlichen bildungspolitischen Diskussion die Aspekte Schulstruktur und Bildungsinhalte sowie Lernkultur zusammenzuführen (, Form und Inhalt derselben Sache′).

Schule kann sich nur verändern, wenn Eltern und Lehrkräfte gemeinsam dafür kämpfen. Die Verbände der Lehrkräfte sind auch nur dann glaubhaft, wenn sie sich in gleicher Form und Vehemenz für eine neue Lernkultur einsetzen, wie sie es gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in der letzten Zeit getan haben."

Bildtext:
Seit Jahrzehnten wird in Deutschland darüber gestritten, welches Bildungssystem das richtige für Kinder und Jugendliche ist.

Foto:
Imago

Autor:
Henrik Peitsch


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