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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Steueroase rund um St. Johann
Zwischenüberschrift:
Die Johannisfreiheit um das Jahr 1895 – Bewohner genossen Sonderstatus
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Es gab noch keine Handys, also mussten die Schüler von Angesicht zu Angesicht ihre Verabredungen treffen. Der größere Knabe in der Dreier-Gruppe auf unserem historischen Foto hält eine Kanne in der Hand vielleicht wurde er zum Milchholen geschickt und stieß dabei auf seine Kameraden. Gut möglich, dass man sich gerade zum Rodeln auf dem Klushügel oder am " Himmelreich" in Nahne verabredet.

Links im Abseits steht ein Junge mit Hut, schaut interessiert hinüber zu dem Trio, traut sich aber offenbar nicht, sich ihnen anzuschließen. Ob wir uns Sorgen machen müssen, dass er von den dreien gemobbt wird? Wie dem auch sei, das Foto macht einen recht spontanen Eindruck und wirkt weniger gestellt als die meisten Fotos aus der Zeit. Wir verdanken diese Szene an der Johannisfreiheit um 1895 dem Altmeister der Osnabrücker Berufsfotografen, Hermann Heinrich Brinkmann.

Wir blicken etwa von der Einmündung der heutigen Detmarstraße die Johannisfreiheit entlang. Hinten links erheben sich die ungleichen Türme der Johanniskirche und davor die Quer-Satteldächer des Kirchenschiffs. Die Straßenbezeichnung Johannisfreiheit ist seit spätestens 1633 gebräuchlich. Sie verweist auf die " Freiheit" oder " Immunität" im Umfeld der Kirche: Wer dort wohnte, in erster Linie Stiftsherren von St. Johann und deren Bedienstete, war von Steuern und Bürgerpflichten wie etwa dem Wachdienst befreit. Die Johannisfreiheit umfasste neben dem hier abgebildeten Straßenraum auch das Waisenhaus, die Neue Mühle, Bischofstraße, Pfaffenstraße und den östlichen Teil der Süsterstraße.

Johannisfreiheit und Domsfreiheit waren wegen ihrer Privilegierung häufig Anlass für Spannungen mit dem Magistrat. Der Anteil der " exemten" Bewohner, die nicht der städtischen Gerichtsbarkeit und Steuerpflicht unterlagen, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf über 20 Prozent angewachsen. So zählte Osnabrück 1801 rund 9000 Einwohner. 2000 von ihnen waren exemt: 500 Adelige und Landesbeamte, 720 Bewohner der geistlichen Freiheiten und 780 Angehörige der Garnison. Es ist nachvollziehbar, dass der Rat vor allem in Krisenzeiten die auf die Stadtgemeinde zukommenden steuerlichen Belastungen auf möglichst viele Köpfe verteilt sehen wollte.

Zu den privilegierten Anwesen gehörte die Lipper′sche Kurie Johannisfreiheit Nr. 8 (Giebel rechts vom Laternenpfahl). Kanonikus Clemens Lipper ließ sie errichten, nachdem er 1768 in das Kapitel von St. Johann aufgenommen worden war. Nach 1911 wurde die Lipper′sche Kurie ebenso wie das Nachbarhaus Nr. 9 abgerissen, um die Durchlegung der Detmar straße vom Kollegienwall bis zur Johannisfreiheit zu ermöglichen. Seitdem fehlen die Hausnummern 8 und 9.

Am linken Bildrand sehen wir angeschnitten den Ostflügel des Marienhospitals. Nicht die Gottesmutter Maria ist Namenspatin, sondern die (evangelische!) Königin Marie von Hannover, die auch im Namen der Stadt Georgsmarienhütte verewigt ist. Bischof Paul Melchers funktionierte die alte Dechanei von St. Johann um und machte 1859 ein Krankenhaus daraus, als Antwort auf die in der Stadt grassierende Cholera, wobei Hannover ähnlich wie heute nach dem Krankenhaus-Finanzierungsgesetz, damals durch die Königin wesentliche Mittel gab. Ein Arzt und drei Pflegerinnen aus dem Orden der Boromäerinnen aus Trier bildeten die Gründungsbelegschaft. Bis 1877 wuchs das Pflegeteam auf zehn Schwestern an. Heute kümmern sich 1540 Mitarbeiter, darunter 200 Ärzte und 700 Pflegekräfte, um die bis zu 545 stationären Patienten.

Vor dem Marienhospital, an der Hausecke mit der Laterne, mündete die Pfaffenstraße in die Johannisfreiheit. Sie umrundete in einem Halbkreis das Hospital und die alte Johannisschule. Später wurde daraus die Zufahrt zum Innenhof des baulich immer wieder erweiterten Hospitals, und die Pfaffenstraße wurde in diesem Bereich als öffentliche Straße aufgehoben. Sie existiert heute nur noch in ihrem westlichen Abschnitt als kurze Verbindung zwischen Johannisfreiheit und Wassermannstraße.

Bildtext:
Das Marienhospital (links) und der 50er-Jahre-Bau der Solida-Bekleidungswerke gegenüber beherrschen heute den östlichen Teil der Johannisfreiheit.

Foto:
Michael Gründel
Autor:
Joachim Dierks


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