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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Inhalt:
Überschrift:
Totgesagte leben länger
Zwischenüberschrift:
425 Jahre Herrenteichslaischaft – Von Ackergenossen zu Mäzenen
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Begeistert blätterte Christian Mohrbutter im neuen " Merian"- Heft über Osnabrück. Dann jedoch trübte eine Randnotiz auf der drittletzten Seite seinen insgesamt positiven Gesamteindruck: Unter der Überschrift " Ohrfeige als Merkhilfe" wurde die altehrwürdige Herrenteichslaischaft ausgerechnet zur 425-jährigen Erinnerung an ihre Ersterwähnung totgesagt.

Damit übernahm auch die renommierte " Merian"- Redaktion einen Irrglauben, der sich wie ein roter Faden durch die Osnabrücker Geschichtsschreibung zieht.

Als Buchhalter steht der promovierte Jurist Mohrbutter der traditionsreichen Bürgergemeinschaft vor und ist damit ihr Vorsitzender, wenn man den alten Ehren titel ins Gegenwartsdeutsch überträgt. Weitaus bekannter als die Herrenteichslaischaft ist indes die Heger Laischaft, die noch heute das Heger und das Natruper Holz bewirtschaftet und dabei ihren Grundbesitz stetig ausdehnt. Beim sogenannten Schnatgang schreiten ihre Mitglieder alle sieben Jahre die alten Grundstücksgrenzen vor der ehemaligen Stadtmauer ab und stellen sich so in eine Jahrhunderte alte Tradition.

Wie die Heger Laischaft sowie die untergegangenen Martianer, Natruper und Hase Laischaften wurde auch die Herrenteichslaischaft im 16. Jahrhundert zur Interessengemeinschaft von Osnabrücker Ackerbürgern, und zwar derjenigen, die nahe dem Herrenteichstor wohnten und ihr Vieh auf die gemeinsamen Weidegründe vor diesem Tor trieben. An jedes Grundstück war damals das Recht gebunden, zwischen zwei und acht Kühe vor der Stadt weiden zu lassen. Folgerichtig werden die Mitglieder der Laischaften im Fachjargon als Interessenten bezeichnet, und der Eingeweihte berechnet die Zahl der Kühe in sogenannten Triften (die moderne Agrarwirtschaft spricht von Großvieheinheiten).

Richteten die Laischaften zunächst ihr Augenmerk darauf, den gemeinsamen Grundbesitz gegen die Begehrlichkeiten Dritter zu verteidigen, so machten sie sich zusehends auch auf anderen Gebieten durch großes bürgerschaftliches Engagement verdient. Sie stellten in ihren Stadtvierteln Feuerspritzen und Feuerwehrmänner, sorgten für die Straßenbeleuchtung, trugen zur Ausstattung der Katharinen- und Marienkirche bei und förderten die öffentliche Wohlfahrt.

Das 19. Jahrhundert wurde für sie jedoch zum Zeitalter des Niedergangs, und um die Wende zum 20. Jahrhundert erübrigte sich ihr ursprünglicher Zweck: Angesichts des technischen Fortschritts sowie der immer arbeitsteiligeren Lebenswirklichkeit gaben die Stadtbürger die Viehhaltung auf. Die Triften zu den gemeinsamen Weideplätzen vor der Stadt waren entbehrlich. Stattdessen dehnte sich die städtische Siedlung über die ehemaligen Stadtmauern aus, sodass die gemeine Mark als Bau- und Gewerbeland benötigt wurde.

Dies war die ökonomische Chance der Herrenteichslaischaft: Sie erzielte beim Verkauf ihres Grundbesitzes gute Preise, weil dieser für den Bau der Ost-West-Bahnlinie und des Hannoverschen Bahnhofs benötigt wurde. Gleichwohl behielt die Laischaft einige Grundstücke im Bereich der Schützenstraße, die sie bis heute in Erbbaurechten vergibt.

Nach einer Phase sehr geringer Aktivität in der Mitte des 20. Jahrhunderts war es der tatkräftige Buchhalter Detlef Wulfetange, der ihr in 38-jähriger Amtszeit gemeinsam mit den jeweiligen Vorstandskollegen neues Leben einhauchte und sie zu einer zeitgemäßen Institution umbaute.

Heute agiert sie wie eine kleine Kulturstiftung, die vor allem kulturelle, aber auch soziale Zwecke innerhalb Osnabrücks fördert. So hat die Laischaft der Stadt 1998 zum Friedensjubiläum die Skulptur " Toleranz" vor dem Theater geschenkt und zum Ankauf der Skulptur " Fountain of Wishes" beigetragen, die im Bett der Hase ihren Standort gefunden hat.

Zudem nennt manches Stifterschild auf Sitzbänken am Haseuferweg und andernorts die Herrenteichslaischaft als Finanzier. Ihre Zuschüsse ermöglichten in den vergangenen zwei Jahrzehnten etliche Ausstellungs-, Forschungs- oder Publikationsprojekte unter der Bedingung, dass sie die Stadt Osnabrück und ihre Kultur zum Gegenstand hatten. Unter den Geschichtsstudenten der Uni Osnabrück möchte die Laischaft regio nale Forschungsinteressen durch einen Förderpreis wecken, der alljährlich im Februar im Verbund mit Förderpreisen weiterer Stifter vergeben wird.

Bewusst hatte sich der derzeitige Laischaftsvorstand um Buchhalter Mohrbutter entschieden, das 425-Jährige nicht groß zu feiern, sondern die Mittel stattdessen in die örtliche Kulturszene zu investieren. Ohnehin fehlt der Herrenteichslaischaft der spektakuläre Auftritt der Heger Laischaft, die zur Naherholung in ihren Wald einlädt und bei ihren Schnatgängen Ohrfeigen als Merkhilfe verteilt wie auch " Merian" bekannt wurde. Christian Mohrbutter tröstet sich indes mit der für die Herrenteichs laischaft bewiesenen Gewissheit, dass Totgesagte länger leben.

Bildtexte:
" Fountain of Wishes" hat der spanische Künstler Fernando Sánchez Castillo seine Bronzeskulptur genannt. Mit Mitteln der Herrenteichslaischaft gelang ihr Ankauf, und heute erfreut sie sich im Hasebett bei L+ T im Herzen des alten Laischaftsgebietes lebhafter Aufmerksamkeit.

" Fountain of Wishes" hat der spanische Künstlers Fernando Sánchez Castillo seine Bronzeskulptur genannt. Mit Mitteln der Herrenteichslaischaft gelang ihr Ankauf, und heute erfreut sie sich inmitten des Hasebettes im Herzen des alten Laischaftsgebietes lebhafter Aufmerksamkeit der Passanten. Ihre endgültige Inbetriebnahme symbolisiert das kulturelle Netzwerk, in dem die Laischaft als Kulturförderer agiert: Susanne Tauss vom Landschaftsverband Osnabrücker Land, Buchhalter Christian Mohrbutter, Kulturdezernent Rita Maria Rzyski und Mark Rauschen, der zugleich Ko-Finanzier der Skulptur und Interessent der Laischaft ist.

Joachim Bandaus Skulptur " Toleranz" vor dem Theater ist ein Geschenk der Laischaft an die Stadt.

Fotos:
Archiv/ Parton/ Hehmann
Autor:
Hermann Queckenstedt


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