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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Sind die Höhlen wirklich unsicher?
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Bund hält Gutachten zum Gertrudenberg unter Verschluss – Zwei Eigentümer stimmen Verfüllung zu
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Zwei von drei Eigentümern haben schon zugestimmt: Sie sind einverstanden, dass die Bundesanstalt für Immobilien (Bima) die Gertrudenberger Höhlen mit einer Zementschlämme zuschüttet. Eigentümerin Nr. 3, die Stadt Osnabrück, möchte das lieber abwenden. Denn mit der Verfüllung des 700 Jahre alten Gangsystems würde ein einzigartiges Kulturdenkmal zerstört.

Alarm hat ein bergtechnischer Sachverständiger aus Münster geschlagen. Nach einer Begehung Ende 2012 warnte er in seinem baufachlichen Gutachten, in den Höhlen bestehe Lebensgefahr, weil sich Steine lösen und von der Decke stürzen könnten. Näheres bleibt im Dunkeln, denn die Bundesbehörde in Erfurt hält das Gutachten unter Verschluss. Eine Anfrage unserer Zeitung wurde mit dem Hinweis auf schutzwürdige Interessen der Eigentümer abgewiesen.

Wenn es nach der Bima geht, soll das Gertrudenberger Loch komplett zugestopft werden. Der Bund ist für die Unterhaltung des Höhlensystems zuständig, weil das Gangsystem im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker gedient hat. Der Unterhaltungsaufwand für die Bundesbehörde hielt sich aber bislang in Grenzen. 145 000 Euro wurden seit Anfang der 70er-Jahre in den unterirdischen Hohlraum gesteckt, wie Thorsten Grützner, Pressesprecher der Bima in Bonn, auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte. Mit dem Geld habe man Gefahrenstellen gesichert und eine Teilverfüllung bezahlt.

Mit der Teilverfüllung ist offenbar die Sicherung des Baugrunds für das Haus am Bürgerpark gemeint. Augenzeugen haben berichtet, dass wochenlang immer wieder Betonmischer vorfuhren, um eine Zementschlämme in den ausgehöhlten Untergrund des Altenheims zu pumpen. Dabei wurden einige Gänge im Nordwesten des Höhlensystems mit der langsam aushärtenden Flüssigkeit gefüllt. Aus statischen Gründen will die Bima nun auch das verbliebene, 900 Meter lange Gangsystem mit einer Zementschlämme beerdigen. Wo kein Hohlraum ist, kann auch keine Gefahr lauern, lautet die Logik.

Die drei Eigentümer ein Privatmann, das Ameos-Klinikum und die Stadt Osnabrück stehen unter Druck. Sollten sie der Verfüllung nicht zustimmen, müssten sie möglicherweise unkalkulierbare Risiken übernehmen, hat ihnen die Bima nahegelegt. Für das Ameos-Klinikum ein klarer Fall, wie Pressesprecherin Veronika Mack erläutert: Wenn das Unternehmen der Verfüllung nicht zustimme, müsse es bei Schadensfällen die Eigentümermitverantwortung übernehmen, und das könnten Millionen von Euro sein. " Dieses Sicherheitsrisiko ist auf einem Krankenhausgelände nicht hinnehmbar, sodass wir der Verfüllung zustimmen mussten", sagt Mack.

Ebenso hat ein Zahnarzt entschieden, der zurzeit auf dem Gelände der früheren Brauerei eine Villa errichten lässt. Auf den ersten Blick erscheint bemerkenswert, dass die Stadt ihm die Baugenehmigung erteilt hat, obwohl sein Grundstück unterhöhlt ist. Das sei nicht ohne Grund geschehen, sagt Franz Schürings, der Leiter des Fachbereichs Städtebau. Eine gesonderte Bodenuntersuchung habe den Nachweis erbracht, dass der Baugrund standsicher sei. Deshalb habe einer Baugenehmigung nichts im Wege gestanden. Aus diesem Befund könne jedoch nicht der Schluss abgeleitet werden, dass die Höhlen unter dem Gertrudenberg insgesamt sicher seien, warnt Schürings. Das lasse sich allenfalls in einer weiteren Untersuchung klären.

Genau das fordert der Verein Gertrudenberger Höhlen, der das Gutachten der Bima zu widerlegen hofft. Am liebsten möchte er das Gangsystem übernehmen und für Besucher öffnen. Von den drei Eigentümern hat er dafür schon grünes Licht bekommen. Das war jedoch, bevor der bergtechnische Sachverständige aus Münster geurteilt hatte, vom Gertrudenberger Loch gehe eine Gefahr für Leib und Leben aus. Vor einem halben Jahr mussten die Höhlenfreunde den Schlüssel für das unterirdische Gangsystem an die Bima zurückgeben. Sie sehen ihre Rechte verletzt und haben mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Bundesbehörde veranlasst, doch die wurden inzwischen abgewiesen. Jetzt herrscht angespannte Funkstille.

Da bleibt dem Verein noch die Hoffnung auf die Stadt, die als Eigentümerin des Bürgerparks über 25 Prozent der Höhlenfläche verfügt. Es gibt Überlegungen, gemeinsam einen unabhängigen Bergsachverständigen einzuschalten, um die Aussagen des Bima-Gutachtens zu überprüfen. Die Stadt will aber zunächst die Stellungnahme des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege abwarten. Weil das Höhlensystem unter Denkmalschutz steht, könnte sie die Verfüllung noch abwenden.

Wilfried Kley, der Vorsitzende des Vereins Gertrudenberger Höhlen, hat überhaupt keine Zweifel an der Standfestigkeit des Kalksteins. Was 700 Jahre lang allen Belastungen und Erschütterungen standgehalten habe, werde auch in Zukunft nicht zusammenbrechen, meint Kley. Und wenn sich mal das eine oder andere Steinchen von der Decke löse, sei das kein Widerspruch.

Das Gangsystem unter dem Gertrudenberg ist vor 1333 als Steinbruch entstanden. In mehreren Klostergebäuden und in der Stadtmauer wurde das unterirdisch gewonnene Material verbaut. Im 19. Jahrhundert waren die Höhlen schon einmal für Besucher geöffnet. Daran will der Verein anknüpfen.

Bildtext:
Als unterirdischer Steinbruch wurden die Gertrudenberger Höhlen vor über 700 Jahren angelegt.

Foto:
Andreas Stoltenberg
Autor:
Rainer Lahmann-Lammert


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