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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Dicke Brötchen und gehaltvolles Bier
Zwischenüberschrift:
Die Bierstraße mit der Gaststätte "Zum Elefanten" im Jahr 1904
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. 1904 scheint sie wirklich noch geherrscht zu haben, die sprichwörtliche " gute alte Zeit". Die diagonal durch das Bild laufende Bierstraße hat noch keine Straßenbahnschienen. Auch sonst ist kein Verkehr auszumachen, wenn man einmal von dem Kinderwagen absieht, den eine junge Osnabrückerin mitsamt ihrem Brüderchen über die Einmündung der Lohstraße schiebt.

Meisterfotograf Rudolf Lichtenberg spielt hier wieder einmal mit dem reizvollen Wechsel unterschiedlicher Pflasterungen. Und das zu einer Zeit, als handverlegtes Natursteinpflaster die alltäglichste Sache der Welt war, als die darin liegende Ästhetik wohl kaum von jedermann empfunden wurde, denn es gab ja noch nicht die gesichtslose, völlig planebene Asphaltdecke als Kontrast. Lichtenbergs Standort war der Vorplatz des Hauses Bierstraße 12 (Schlachterei Gustav Schwenke). Die zweifach auskragende Hauskante rechts im Bild gehört zur Brandmauer des Fachwerkhauses der Bäckerei Ludwig Brüggemann. Den Vorplatz gibt es heute nicht mehr, die Bauflucht der Häuser Bierstraße 12/ 12a/ 12b ist geschlossen.

Inszenierte Aufnahme

Man darf voraussetzen, dass Lichtenberg das Bild inszeniert hat. Die stumme Zwiesprache zwischen dem Hoteldiener im Vordergrund und dem Mädchen mit Kinderwagen spricht dafür. Die Abwesenheit von normalem Verkehrstreiben wird nicht typisch gewesen sein. Lichtenberg hat verschiedentlich die wohl auch von ihm so empfundene – " gute alte Zeit" fotografisch festhalten wollen und dafür etwas nachgeholfen, bevor bauliche Veränderungen anstanden.

Das trifft auch auf dieses Bild zu. Das Ackerbürgerhaus des Uhrmachers Carl Kohsiek, das von der linken Bildkante her die Spitze zwischen Bier- und Lohstraße ausfüllt, ist auf zwei Jahre später entstandenen Bildern einem " modernen" viergeschossigen Wohn- und Geschäftshaus des Polsterers und Möbelhändlers Schwenke gewichen.

Im Bildhintergrund erkennen wir vor dem Turm der Marienkirche die " Gastwirtschaft von Heinrich Langewand", genannt " Zum Elefanten". Wie fast alle Häuser der Bierstraße wurde auch dieses Haus nach dem großen Stadtbrand von 1613 neu errichtet. Die Fassade zur Bierstraße erhielt 1812 ein schlichtes klassisches Aussehen. Es dürfte nicht weiter verwundern, dass auch in diesem Haus der Bierstraße einst Bier gebraut wurde, und zwar als Nebenerwerb des Bäckermeisters Heinrich Essen. Der buk keine kleinen Brötchen, sondern riesige Dinger, die im Volk als " Elefantenbrötchen" bekannt und beliebt waren. Seinem Schöpfer trugen sie den Beinamen " Elefantenbäcker" ein, und bald wurde auch die Gastwirtschaft entsprechend benannt.

1878 übernahm Heinrich Langewand die Gastronomie, um 1905 Carl Hagmann. Hagmann vermietete in den Obergeschossen elf Gästezimmer. Die Übernachtung kostete 1, 75 Mark, das Frühstück 1 Mark. Ein prachtvolles schmiedeeisernes Schild hing über dem Eingang. Es stellte einen Kranz aus 140 Eichenblättern dar, in den die Wappen Osnabrücks und umliegender Ortschaften eingefügt waren. Oben auf der Stange, die den Kranz hielt, thronte ein Elefant.

Das Haus Bierstraße 32 wurde im Krieg zerstört. Der Neubau wiederholt den charakteristischen Knick in der Fassade, der die Einmündung der Lohstraße in die Bierstraße nachzeichnet. Geblieben ist auch die enge Durchfahrt in den Hof. Zahlreiche Schrammen an den Wänden zeugen von Versuchen, den Hofparkplatz mit breiten Karossen zu erreichen. Nachkriegseigentümer des Hauses waren Anneliese und Otto Exteriede, ihre Pächter hießen Erika Schröder (1959 bis 1969) und Otto Lamprecht (1969 bis 1979). In dem Bestreben, sich in der Nähe des Rathauses Büroflächen für die wachsende Verwaltung zu sichern, kaufte die Stadt das Haus Bierstraße 32 im Jahr 1979. Die Gaststätte " Zum Elefanten" im Erdgeschoss blieb bestehen, Pächter der Stadt war Günter Schrage. Eine letzte Veränderung gab es 2003, als der neue Pächter Cosimo Vitale aus dem " Elefanten" die Gaststätte " La Vecchia Citta" (" die Altstadt") machte und seitdem dort gehobene italienische Küche anbietet.

Bildtexte:
Verkehrsberuhigung à la Lichtenberg: Im Jahr 1904 hat der Fotograf eine beschauliche Szene auf der Bierstraße mit Blick auf die Einmündung der Lohstraße eingerichtet. Im Hintergrund der Turm von St. Marien. Das Foto stammt von Rudolf Lichtenberg jr. und ist dem Buch " Lichtenberg Bilder einer Stadt, Bd. II" entnommen (Hrsg. Rolf Spilker, Birte Tost, Bramsche 2007).
1969079
" La Vecchia Citta" heißt heute die Gastronomie an der Stelle des traditionsreichen " Elefanten". Das Gebäude ist neu, die enge Tordurchfahrt jedoch geblieben.

Fotos:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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