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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Wie Eiko Klassensprecher wurde
Zwischenüberschrift:
Inklusion – an der Integrierten Gesamtschule Osnabrück findet sie schon statt
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. In der Integrierten Gesamtschule (IGS) Osnabrück wird Inklusion seit fast zwei Schuljahren praktiziert. Im fünften Jahrgang lernen derzeit sieben Kinder mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.

In der Klasse von Frau Seidler und Frau Wagener geht es drunter und drüber. Nach dem Mittagessen gibt es " Obstsalat" nicht zum Essen, sondern als Laufspiel. Eiko steht in der Mitte des Stuhlkreises und fordert einige Kinder auf, untereinander die Plätze zu tauschen. Er überlegt die Blonden sollen diesmal die " Obstsorte" sein, die durchgemixt wird. Während er noch zuschaut, wie die Blonden losspurten, verpasst er die Chance, sich selbst schnell auf einen frei werdenden Platz zu setzen. " Eiko, du musst dich schnell hinsetzen", ruft jemand von der Seite. Weiß er selbst. Er bleibt cool, und bei der nächsten Runde, bei der er die mit den lila Pullovern durchrührt, klappt′s auch.

Eiko hat das Down-Syndrom einen Gendefekt, der geistige Beeinträchtigungen zur Folge hat. In Mathe und Englisch werden er und seine Down-Mitschüler zwar nicht mit den anderen unterrichtet, aber da, wo es geht, auch im Klassenverband. " Wir bemühen uns um viel gemeinsamen Unterricht", berichtet Antje Wagener, die Förderschullehrerin der Klasse. Klassenlehrerin Katherine Seidler nennt ein Beispiel: " In Gesellschaftslehre haben wir uns mit der Steinzeit beschäftigt." Eiko hatte für seine Arbeitsgruppe eine Zeitleiste mit Bildern angefertigt. Mit den Partnern aus seinem Team hat er dann die Ergebnisse der Gruppenarbeit auch präsentiert. Seidler: " Es ist toll, wie die Regelschulkinder die Einzelbeiträge von Kindern mit ganz unterschiedlichen Teilleistungen zusammenführen."

" Eiko profitiert davon", findet seine Mutter Imke Schagon. Er sei selbstbewusster, aufmerksamer und klarer geworden. Er mache Fortschritte beim Lesen. Seine Eltern hatten lange überlegt, ob Inklusion das Richtige für ihren Sohn ist. " Wir haben uns schließlich dafür entschieden, weil überall in der Gesellschaft verschiedenartige Menschen leben." Auch die Eltern von Kindern ohne Handicap in Eikos Klasse schätzten die Vorteile der Inklusion: " Die meisten freuen sich über den guten Zusammenhalt in der Klasse."

Eikos Eltern beobachten seine Entwicklung in der Schule aber genau: " Wenn es Eiko nicht gut geht, müssen wir neu überlegen." Bisher sieht es aber nicht danach aus. Eiko erzähle jeden Tag ein bisschen aus der Schule, immer positiv und mehr als früher aus der Grundschule. Warum, das liegt für Imke Schagon auf der Hand: " Das gemeinsame Lernen unterschiedlicher Menschen ist an der IGS selbstverständlich."

Das bestätigt Stefan Knoll, Leiter der IGS Osnabrück, aber: " Das schütteln wir nicht aus dem Ärmel." Erst vom zweiten Jahr ihres Bestehens an hat die IGS mit der Inklusion begonnen. Eine Arbeitsgemeinschaft aus IGS-Lehrern, Förderschul-Pädagogen und Eltern hat ein halbes Jahr lang Rahmenbedingungen formuliert. Erst danach wurde die Einrichtung einer Integrationsklasse beantragt. 2011 ging es dann los. Knoll: " Es muss im Vorfeld geklärt werden, welche Bedingungen können wir schaffen, um eine gute Entwicklung bei allen Schülern zu erreichen: Was ist für den Einzelnen leistbar?" Bewährt habe sich zum Beispiel, Kinder mit gleichem Förderbedarf aufzunehmen. Hier ließen sich am leichtesten Wege finden, Nachteile auszugleichen. Den fünften Jahrgang besuchen jetzt Kinder mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung.

Die Stadt Osnabrück habe sich auch sehr bemüht, gute Rahmenbedingungen bereitzustellen, sagt Knoll. Aber der wohl wichtigste Faktor ist für ihn die Schul-Kultur: " Alle müssen bereit sein, sich mit unterschiedlichen Schülern auseinanderzusetzen."

Eikos Mitschüler sind es. Nach vier Wochen haben sie ihn zum Klassensprecher gewählt. Alle kannten Eiko, und er nahm jeden, wie er ist. Er habe eine große Liebe zu den Menschen, und das spürten seine Mitschüler, erklärt sich Lehrerin Katharine Seidler die Wahl. Ihre Kollegin Antje Wagener findet: " Eiko ist eine weise Seele."

Bildtext:
Mittendrin beim Obstsalat-Spiel: Eiko, Inklusionskind und Klassensprecher in der IGS Osnabrück.

Foto:
Egmont Seiler

Kommentar:
Das ändert sich in Niedersachsen
Kinder mit Behinderungen, Lernschwächen oder anderen Beeinträchtigungen wurden in Niedersachsen bislang meist an Förderschulen unterrichtet, die auf jeweils einen von sieben Förderschwerpunkten spezialisiert sind. Bei konsequenter Anwendung der Inklusion dürfte es Förderschulen langfristig nicht mehr geben, da alle Kinder gemeinsam an allgemeinen Schulen unterrichtet würden. Das neue niedersächsische Schulgesetz sieht vorerst aber eine Doppelstruktur vor, in der einige Förderschulen bestehen bleiben:
Die Förderschulen mit den Schwerpunkten Geistige Entwicklung, Körperliche und Motorische Entwicklung, Hören und Sehen können als Alternative zur inklusiven sonderpädagogischen Förderung weitergeführt werden.
In den Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen werden ab dem Schuljahr 2014/ 2015, aufsteigend mit dem 5. Jahrgang, keine Schüler mehr aufgenommen; die Schulform läuft also nach und nach aus.
Bei den Förderschulen mit dem Schwerpunkt Sprache erfolgt ab 2014/ 2015, aufsteigend mit dem 1. und 5. Jahrgang, keine Aufnahme mehr. Auch dieser Förderschwerpunkt läuft also aus.
Förderschulen mit dem Schwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung können grundsätzlich weitergeführt werden, sollen aber nicht ausgeweitet werden. Stattdessen sollen Konzepte entwickelt werden, wie die Rückführung der Schüler früher und besser gelingen kann. cbi
Autor:
Michael Schwager


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