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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Endstation!
Zwischenüberschrift:
Letzte Fahrt der Linie 3 in der Schützenstraße
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Endlich mal ein historisches Bild, das sich exakt datieren lässt: Es zeigt den Blick aus dem obersten Stockwerk des Hauses Bremer Straße 57 in die Schützenstraße am 30. November 1958. Weshalb das Datum so genau bekannt ist? An diesem Sonntag fuhr zum letzten Mal die Straßenbahn auf der " Schinkellinie" 3 (Martiniplatz–Bremer Straße).

Friedhelm Broxtermann hat das Bild aus der damaligen Wohnung seiner Eltern geknipst, weil ihm bewusst war, dass er damit ein stadthistorisch wichtiges Ereignis festhalten würde. Die Schinkellinie war die erste der drei Osnabrücker Straßenbahnlinien, die ihren Betrieb einstellen musste. Die beiden anderen Linien fuhren noch eineinhalb Jahre länger.

Die vorgezogene Umstellung auf Busverkehr nach Schinkel hing damit zusammen, dass die Kreuzung Wall/ Neuer Graben/ Martinistraße gründlich umgestaltet wurde und im Vorgriff auf das Nach-Straßenbahn-Zeitalter keine Schienen mehr bekommen sollte. Die Unterbrechung der Linie gestaltete den Straßenbahnbetrieb auf den übrigen Streckenabschnitten so umständlich, dass man die Notbremse zog und ganz damit aufhörte.

Als erste Linie 1958 eingestellt, als letzte Linie nach dem Krieg 1947 wieder eröffnet: Während die Linien 1 und 2 nach den Kriegszerstörungen schon im Sommer 1945 wieder fuhren, dauerte es bis ins Jahr 1947, bis die Züge auch wieder durch die Schützenstraße rumpeln konnten.

Grund der Verzögerungen war das ständige Absacken des Untergrundes durch die auf die Schnelle wieder aufgefüllten und nur unzureichend verdichteten Bombentrichter in diesem besonders heftig vom Bombenkrieg heimgesuchten Stadtteil.

Ja, die gute alte Straßenbahn: Solange es sie gab, wurde sie wegen ihrer Behäbigkeit belächelt. Wie in diesem Gedicht aus dem Jahr 1927: Rücksichtsvoll, geduldig, willig,/ anschlusseifrig, dabei billig,/ vorsichtig sich vorwärtsschiebend,/ Eilen hassend, Halten liebend,/ und mit einem kleinen Stoß/ geht die Sache schließlich los.

Ein paar Strophen weiter kriegt speziell die Linie 3 ihr Fett weg, nachdem die Wagenzielanzeigen dort wohl mal versagt hatten:

Fremder steigt am Neumarkt ein,/ möcht′ nach Schinkel gern hinein./ Doch in Ohnmacht wir ihn fanden,/ als am Arndtplatz er tat landen./ Später hab ich ihn belehrt,/ dass das Richtungsschild verkehrt.

Sosehr die Straßenbahn in ihren letzten Jahren als Hindernis für den Individualverkehr gescholten wurde, so sehr wurde den Osnabrückern doch bewusst, was sie an ihr gehabt hatten, als der Abschied nahte. Der heute 78 Jahre alte Broxtermann erinnert sich noch recht gut an den 30. November 1958: " Es war ein nebliger, unfreundli cher, trauriger Tag. Ich wohnte damals schon in Gretesch, hab aber extra an dem Tag meine Eltern besucht, um noch ein letztes Mal das Umsetzen an der Endstation zu beobachten, wie ich es als Kind viele Tausend Male gesehen und vor allen Dingen gehört hatte." Beim Umsetzen kuppelt der Motorwagen den Beiwagen ab und rangiert sich über das Ausweichgleis ans andere Ende des Beiwagens, damit er ihn, wenn es wieder zurück Richtung Innenstadt geht, ziehen kann und nicht schieben muss. Genau dieses Rangiermanöver ist auf dem Foto festgehalten. Beim Vergleich mit der aktuellen Aufnahme vermisst man den Turm der Heilig-Kreuz-Kirche. Ist der im Nebel verschwunden? Nein, ganz und gar nicht. Die 1935 geweihte Kirche hatte 1958 noch keinen Turm. Den erhielt sie erst acht Jahre später, im Sommer 1966. Der damals jüngste Kirchturm Osnabrücks bekam übrigens die vermutlich ältesten Glocken, die Osnabrück noch hatte und die bis 1937 im Dom hingen: eine aus der Zeit um 1300, eine aus dem Jahr 1485.

Auf beiden Bildern gut zu erkennen ist hingegen rechts das markante Eckhaus Bremer Straße 60. Die Gaststätte von Wilhelm Tosberg ist fast so alt wie das Dampflok-Betriebswerk " Kamerun", das gegenüber auf der anderen Straßenseite, im Rücken des Fotografen, lag. Tosbergs Wirtschaft lebte zu einem guten Teil vom Durst der Bahnwerker, die zu ihrem Spitznamen gekommen waren, weil sie nach dem Reinigen der Dampfloks schwarze Gesichter eben wie die Einwohner Kameruns hatten. Nach manchem Pächterwechsel steht die Eckkneipe zurzeit leer. Auf der anderen Seite der Schützenstraße lagen die Bäckerei Entrup und der Gemüseladen Hurrelbrink. Heute sind dort ein Gebrauchtmöbelhandel und ein Döner-Imbiss.

Bildtexte:
Blick in die Schützenstraße von der Bremer Straße aus. Die Straßenbahn verkehrt am 30. November 1958 zum letzten Mal auf der Schinkellinie.

Der Turm der Heilig-Kreuz-Kirche beherrscht heute das Bild der Schützenstraße.
Fotos:
Friedhelm Broxtermann/ Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks
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