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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Vom Stolz der Stadt zum Geldgrab
Zwischenüberschrift:
Die Neumarkt-Passage war die erste Anlage ihrer Art in Niedersachsen
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Den Begriff " Neumarkttunnel" fand der Redakteur der " Neuen Tagespost" unpassend, weil sich damit etwas Dunkles, Düsteres verbinde, aus dem man schnell wieder herauswolle. " Was hier geschaffen wurde, ist eine elegante, helle Ladenstraße nur für den Fußgänger, eine Straße, auf der es keine Ampeln und Zebrastreifen, keine Autos, keine Gefahren und keine Regenschauer gibt", schrieb er zur Einweihung des Tunnels am 14. Dezember 1964.

Die Neumarktpassage war die erste Anlage dieser Art in Niedersachsen, mit der Osnabrück verkehrstechnisches Neuland beschritt. Im Vergleich mit ähnlichen Einrichtungen in viel größeren Städten erscheine die in Osnabrück als eine der schönsten Deutschlands, fand die Zeitung: " Die Ausleuchtung der gesamten Anlage, die Nutzung der Fläche und die technischen Einrichtungen sind vorbildlich." Sechs kleinere und zwei größere Verkaufsläden sowie eine Kaffeestube machten die Ersteinrichtung aus. Hinzu kamen 50 Meter " Ausstellungsfenster", Schauvitrinen, zwei Bundespost-Münzfernsprecher, 35 Verkaufsautomaten und 100 Gepäckschließfächer. Den Anschlusstunnel zum Kaufhaus Hertie säumten weitere 85 laufende Meter Schaufensterfront. Nicht zuletzt wurde die " hygienisch einwandfreie" neue Toilettenanlage lobend erwähnt. " Dem alten Toilettenwagen in der Großen Hamkenstraße wird nun niemand mehr eine Träne nachweinen", hieß es in der " Neuen Tagespost".

Einfach hatten es sich die Stadtväter mit dem Neumarkttunnel nicht gemacht. Seit 1956 stand die Verkehrsführung an der Nahtstelle von Alt- und Neustadt ständig auf der Tagesordnung. Im Generalverkehrsplan tauchte erstmals der Begriff einer " horizontalen Entflechtung" der Verkehrsteilnehmer auf. 1958 wurde kurz erwogen, den Autoverkehr statt der Menschen in den Keller zu schicken. Doch hätte die erforderliche Rampenlänge im Zuge von Neuem Graben und Wittekindstraße nicht gut ins Stadtbild gepasst. Und eine Anbindung des Autoverkehrs aus Großer Straße und Johannisstraße, die als unabdingbar galt, wäre gar nicht gegangen. Auch der Gedanke einer Hochstraße wurde aus städtebaulichen Gründen nicht näher verfolgt.

Um den privaten Autoverkehr und den öffentlichen Nahverkehr störungsfrei über Osnabrücks Stadtmittelpunkt führen zu können so das erklärte Ziel der Stadtplaner –, blieb als scheinbar einzige Lösung der Fußgängertunnel. 1961 ging eine groß angelegte Fußgängerzählung über die Bühne. Am 10. November bekam zwischen 6.30 Uhr und 22.30 Uhr jeder der 65 000 Passanten, die sich aus einer von acht Richtungen dem Neumarkt näherten, eine Laufkarte in die Hand gedrückt. Beim Verlassen des Kreuzungsbereichs musste er sie bei der Ausgangs-Zählstelle wieder abgeben. Auf diese Weise verschaffte sich die Stadtverwaltung einen Eindruck von Größe und Richtung der Verkehrsströme, der in die Planung der Tunnelzugänge einfloss.

Die regierende SPD-Ratsfraktion stand dem Tunnelprojekt ablehnend gegenüber. Sie liebäugelte bereits mit einer Fußgängerzone Große Straße. Die CDU setzte auf Fortschritt und Modernität, die sie mit dem Tunnel verband. Die Bevölkerungsmehrheit schien ihr recht zu geben: Eine spontane Straßenumfrage des Osnabrücker Tageblatts ergab eine 88-prozentige Zustimmung für den Tunnel.

Im Oktober 1963 stimmte der Rat mit 17 zu 14 Stimmen für den Bau, der am 6. April 1964 mit der Verkehrssperrung des Neumarkts begann. Pünktlich zum Beginn der " Französischen Woche" am 3. September 1964 war der Rohbau abgeschlossen und der Verkehr konnte über die Tunneldecke rollen. Am 14. Dezember war auch der Innenausbau vollendet. SPD-Oberbürgermeister Willi Kelch sprach von der " besten Neueinrichtung der Stadt seit vielen Jahren". Aus heutiger Sicht erstaunlich: Die eingeplanten Baukosten von 1, 9 Millionen DM wurden eingehalten.

13 Jahre später begann eine lange Reihe von Renovierungen, Modernisierungen und baulichen Ergänzungen, mit denen die im Tunnel vertretene Kaufmannschaft und die städtische OPG als Betreiber versuchten, die Attraktivität der Läden zu erhöhen und die Vandalismus-Folgen einzudämmen. 7, 8 Millionen DM kostete allein der Umbau 1977, an dessen Ende als letztem Schrei die dunkelbraun-düsteren Kassetten-Decken standen, die später für viel Geld wieder entfernt wurden. Fast das Zehnfache der ursprünglichen Investition wurde in der Folgezeit in den Tunnel gesteckt. Es nützte aber nichts.

Seitdem die Fußgänger 2001 wieder die Möglichkeit bekamen, den Neumarkt ebenerdig zu queren, klagten die Geschäfte im Tunnel über rasante Umsatzrückgänge. 2012 beschloss der Rat, den Tunnel " zurückzubauen", was sich etwas freundlicher anhört als " zuschütten".

Bildtext:
Im zweiten Jahr nach der Eröffnung war die Welt noch in Ordnung. Der Neumarkttunnel präsentierte sich 1966 als eine saubere, helle und moderne Ladenpassage.
Eine lange Reihe von Modernisierungsmaßnahmen hat den Verfall nicht aufhalten können. Nun steht der Tunnel kurz vor der endgültigen Schließung.

Fotos:
Christian Grovermann (aus dem Wochenkalender 2013 des Museums Industriekultur), Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


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