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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Überschrift:
Spur der Steine führt weg vom Piesberg
Zwischenüberschrift:
Horst Klassen klärt die Herkunft der Baumaterialien der Sakralbauten der Region
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück/ Wallenhorst. Die 1881 fertiggestellte neue Alexanderkirche in Wallenhorst besteht erwiesenermaßen aus Piesberger Sandstein. " Dann wird die Alte Alexanderkirche wohl auch aus dem gleichen Material sein so hieß es immer", zitiert der Geologe Horst Klassen eine landläufige Vermutung, die sich auf das ähnliche Aussehen der Steine und die räumliche Nähe des Steinbruchs stützte. Er hatte aber schon immer Zweifel an dieser These. Inzwischen hält er es für gesichert, dass die Steine aus sehr alten Abbaukuhlen im Raum Engter stammen.

" Der Piesberger Sandstein ist so hart, dass er vor 600 oder 800 Jahren noch gar nicht abgebaut werden konnte, dazu fehlten unseren Vorfahren die technischen Möglichkeiten", erklärt der frühere Leiter des Naturkundemuseums am Schölerberg. Sie konnten nur verarbeiten, was sich mit Hammer und Meißel direkt an der Oberfläche brechen ließ. Der Piesberger Karbonquarzit gehörte jedenfalls nicht dazu. Als Geologe weiß er aber, dass das Wiehengebirge von einem Band aus Sediment-Ablagerungen durchzogen ist, die auf das Erdzeitalter des Jura verweisen, als die Dinosaurier in unseren Breiten noch das Strandleben genießen konnten. Geologen sprechen bei diesen Ablagerungen vom " Mittleren Kimmeridge" (MK), benannt nach einer Ortschaft in Südengland, wo diese etwa 150 Millionen Jahre alten Gesteine erstmals beschrieben wurden.

Vor laufender Kamera

Die Leute vom Film sind da. Klassen führt sie zu einem der hellgrauen Steine im südwestlichen Mauerwerk des Kirchenschiffs, an dem er besonders gut demonstrieren kann, was er demonstrieren will. Vor laufender Kamera deutet er auf typische Riffelungen, wie sie auch heute noch Wind und Wasser im Sand hinterlassen. Und auf Kriechgänge von Würmern, wie sie jeder Wattwanderer schon einmal gesehen hat. Dieser Stein ist ein Abbild des Strandlebens vor 150 Millionen Jahren, unter dem großen Druck späterer Ablagerungen konserviert. Filmemacher Michael Kaiser, der im Auftrag des Fördervereins einen Dokumentarfilm über die Alte Alexanderkirche dreht, ist dankbar, sein Werk mit topaktuellen Forschungsergebnissen anreichern zu können.

Denn die Sache geht ja noch weiter. Nachdem der Piesberg ausgeschlossen war, blieb Klassen auf der Spur der Steine und suchte den wahren Herkunftsort. Aus früheren geologischen Arbeiten für seine Doktorarbeit hatte er die Gesteinsvorkommen des Wiehengebirges untersucht wusste er, dass MK-Sedimentgestein an verschiedenen Stellen des Wiehengebirges zutage tritt. So auch im Bereich der Schleptruper Egge. Aufgelassene Steinbrüche gibt es dort leider nicht mehr. " Wie gesagt, mit ihren einfachen Werkzeugen konnten die Leute sich nicht in die Tiefe vorarbeiten. Deshalb müssen wir von sehr flachen Abbauen ausgehen, wie sie typisch sind für die kleinbäuerliche Nebenerwerbssteingewinnung", sagt Klassen.

Paradies für Geologen

Die Verbreiterung der A 1 auf sechs Spuren kam dem Geologen zu Hilfe. Denn die machte es erforderlich, auch die Schleptruper Egge anzuknabbern. Derartige Aufschlüsse sind ein Paradies für Geologen. Zusammen mit einem befreundeten Fachkollegen aus Berlin, Jörg Bowitz, nahm er Gesteinsproben mit und hielt sie vor dessen Infrarot-Spektrometer. Die dabei sich ergebende Kennlinie sagt etwas über die chemische Zusammensetzung aus und liefert eine Art Fingerabdruck. Das Gleiche wiederholten die Fachleute am Mauerwerk von Alt-Alexander und dann auch noch gleich bei der Klosterkirche in Malgarten. Und siehe da: Die Messkurven aller drei Steine verliefen nahezu exakt parallel. Für Horst Klassen ist damit der Beweis erbracht, dass für den Bau beider Kirchen das Material von der Schleptruper und der Penter Egge bezogen wurde.

Und was ist nun das Spektakuläre an dieser Erkenntnis? Für Alt-St. Alexander: dass eine alte Legende über die Gesteinsherkunft widerlegt werden konnte. Für 54 weitere mittelalterliche Bauwerke im Osnabrücker Bauland: dass auch für sie die Steinherkunft geklärt ist und die jeweiligen Eigentümer mehr Sicherheit in der Pflege des Mauerwerks gewinnen. Gleichzeitig gibt Klassen Anstöße für die weitere Erforschung der Baugeschichte und des Transportwesens.

Schwieriger Transport

Denn die Zuordnung des Mauerwerks beispielsweise von St. Sylvester in Quakenbrück zu dem Sandstein-Abbau im Gehn bei Bramsche wirft die Frage auf, wie die Transportstrecke von mehr als 30 Kilometern überwunden wurde. Um das Jahr 1230 gab es keine befestigten Straßen. Einspännige Ochsenkarren werden sich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von zwei Stundenkilometern über aufgeweichte Wege gequält haben, vermutet Klassen. Das würde bedeuten, dass sie beladen zwei Tage brauchten, während sie es leer wohl in einem Tag schaffen konnten. Klassen fand bislang in den Archiven keine Aufzeichnungen über derartige Umstände.

Das könnte damit zusammenhängen, dass es keine " Unternehmer" waren, die Abbau und Transport besorgten, sondern einfache Bauern, die ihrem Landesherrn zu Hand- und Spanndiensten verpflichtet waren. " Es war alles Handarbeit: der Gesteinsabbau mit Hammer und Brechstange, das Be- und Entladen der Wagen, das Formen der Bausteine, das Aufschichten des Mauerwerks. Man hat kaum eine Vorstellung davon, was für eine Belastung es für die Bevölkerung in den hiesigen dünn besiedelten Landstrichen bedeutet hat, wenn der Bischof entschied, mal eben eine neue Kirche zu bauen", sagt Klassen.

Ein großes Hindernis für den Antransport der Steine dürfte im frühen Mittelalter die Hase mit ihren ausgedehnten moorigen Feuchtgebieten dargestellt haben. Klassen sieht hierin den Grund, dass alle östlich der Hase gelegenen Bauwerke wie etwa die in Engter, Malgarten, Vörden und Damme von der Schleptruper Egge beliefert wurden, während Orte westlich der Hase wie Neuenkirchen, Ueffeln, Merzen, Fürstenau, Ankum und Alfhausen ihre Steine aus dem Gehn bekamen. Und es scheint noch eine weitere Grenze zu existieren: Wesentlich über die besagten 30 Kilometer hinaus wollte man es mit dem Steintransport wohl nicht treiben. St. Servatius in Berge besteht noch aus Gehn-Sandstein, aber das weitere zehn Kilometer nordwestlich gelegene Stift Börstel ist aus Backsteinen gemauert dem Baustoff der Wahl im natursteinarmen Norden Deutschlands.

Bildtext:
Stellten die Broschüre " Historische Gebäude" vor: Jürgen Eberhard Niewedde (rechts) und Horst Klassen. In einem Film über die Alte Kirche stellte Letztgenannter 2012 seine Erkenntnisse vor. Unterstützt wurde er bei seinen Forschungen von Jörg Bowitz mit einem Infrarot-Spektrometer. Fotos: Joachim Dierks

Foto:

Joachim Dierks

Kommentar:
Sandsteinbrüche im Wiehengebirge

Der Geologe Horst Klassen hat mit Unterstützung des Heimatbundes Osnabrücker Land (HBOL) eine 52-seitige Forschungsarbeit vorgelegt, die mit reicher Bebilderung und vielen Skizzen Antwort auf die Frage gibt, wie 55 mittelalterliche Bauwerke im nördlichen Wiehengebirgsvorland zu ihren Mauerwerkssteinen gekommen sind. 36 Kirchen von Fürstenau bis Lübbecke und von Menslage bis Wallenhorst werden genauso vorgestellt wie 19 Profanbauten von der Hohen Pforte in Quakenbrück bis zum Steinwerk in Ankum-Westerholte. Allen Bauwerken ist gemeinsam, dass die Steine aus Sandsteinbrüchen des Jura-Erdzeitalters im Wiehengebirge stammen. Der HBOL-Vorsitzende Jürgen Eberhard Niewedde dankte bei der Vorstellung des Werks verschiedenen Drittmittelgebern, die die Herausgabe des Hefts als Sonderdruck aus der Reihe " Geologie und Paläontologie in Westfalen" des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe ermöglicht hätten. Die Broschüre kostet 9, 50 Euro und ist erhältlich über den Buchhandel oder versandkostenfrei beim Heimatbund: 0 54 01/ 84 92 66.
Autor:
Joachim Dierks


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