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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Abfallholz stiftet Bund fürs Leben
Zwischenüberschrift:
Bis in die 1950er-Jahre stand die Holzhandlung Sander an der Neulandstraße
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Das Holz für den neuen Dachstuhl des zerstörten Rathauses wurde hier zugeschnitten. Und das für den Marienkirchturm. Und für zahlreiche andere Bauten in Osnabrück, die der Bombenkrieg als Trümmerhaufen hinterlassen hatte. Holzhandlungen hatten in der Wiederaufbauzeit gut zu tun. Eine davon war die Firma Sander & Co in der Neulandstraße 54.

Im Wohnungsflur von Ilse Zeiss hängt seit mindestens 50 Jahren das hier wiedergegebene Foto des Holzlagerplatzes der Firma. Durch unsere Serie " Zeitreise" kam sie auf die Idee, es allen Lesern zugänglich zu machen. " Eigentlich nichts Besonderes", sagt die 86-jährige Tochter des letzten Firmeninhabers, " in Osnabrück gab es acht bis zehn weitere Holzhandlungen, die ähnlich aussahen. Aber in unserem Fall finde ich so frappierend, dass man heute nichts, aber auch gar nichts mehr davon sieht. Gerade darin liegt ein Stück Stadtgeschichte."

Denn die Firma Karmann hat in den 50er- bis 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts wie ein Staubsauger benachbarte Firmengelände erworben, um zu expandieren und für die Erfolgsmodelle Karmann Ghia und Käfer Cabrio angemessene Großserien-Produktionsbedingungen zu schaffen. Namen wie Schirmfabrik Zangenberg und Weberei Heywinkel fallen Frau Zeiss dazu ein. Und eben auch die Firma Sander, die ihre Immobilie 1956 an Karmann verkaufte.

Um eine aktuelle Vergleichsaufnahme einzufangen, muss man heute die Genehmigung der Volkswagen Osnabrück GmbH einholen. Dann darf man das Werksgelände betreten. Denn die östliche Neulandstraße ist seit 1997 schrittweise entwidmet und dem öffentlichen Verkehr entzogen worden. Karmann wollte damit innerbetriebliche Transporte vereinfachen, beispielsweise auch mit Gabelstaplern über die Straße fahren dürfen.

Holzhandel und Sägewerk Sander wurde in den 1920er-Jahren gegründet, als noch niemand im Fledder von Karmann sprach. Ilse Zeiss′ Vater Walter Welkener war zunächst Teilhaber und später alleiniger Inhaber der Firma Sander. In Spitzenzeiten beschäftigte die Firma bis zu 40 Mitarbeiter. Im Krieg waren mehrere Franzosen als Fremdarbeiter darunter. Sie wohnten in einer Baracke auf einer Pferdewiese hinter Karmann. In Ilse Zeiss′ Erinnerung wurden sie gut behandelt und waren wertvolle Arbeitskräfte.

In den Notzeiten nach dem Krieg wurden die Züge auf dem nahe gelegenen Güterbahnhof von uniformiertem Objektschutz bewacht, um sie vor Plünderungen zu bewahren. Die Objektschützer hatten auf dem Karmann-Gelände eine Bude zum Aufwärmen. Sie holten sich bei Sander Abfallholz für ihren Bullerofen. Einer der Objektschützer war Karl-Heinz Zeiss. Die Kameraden schickten meistens Karl-Heinz Zeiss zum Holzholen, weil er immer mit besonders viel und gutem Holz wiederkam. Später erfuhren sie den Grund: Zeiss hatte die Juniorchefin Ilse Welkener dabei kennengelernt. Die beiden wurden ein Paar. Als der Objektschutz Ende 1946 aufgelöst wurde, ging Zeiss als Dolmetscher " zum Engländer", studierte Medizin in Münster und ließ sich als Arzt in der Kokschen Straße nieder.

Ilse Zeiss hätte auch gern studiert, am liebsten Kunstgeschichte und Architektur. Aber sie fügte sich der Notlage des elterlichen Betriebs, der wiederaufgebaut werden musste. Im Schnelldurchgang lernte sie Buchführung, Schreibmaschine und Steno. Bis zum Verkauf der Firma 1956 blieb sie Buchhalterin und erste Kraft im Büro. Englischkenntnisse halfen ihr, bei den Militärbehörden viele Materialwünsche erfüllt zu bekommen. Ein Offizier war schwer beeindruckt, dass sie das englische Wort für Gattersäge (frame saw) wusste, zog seine Ablehnung zurück und ebnete schließlich den Weg für die Beschaffung so eines Teils.

Das Sägegatter und zwei Kreissägen befanden sich in dem Holzschuppen in der linken Bildhälfte. Als erstes Sägewerk in Osnabrück bekam Sander eine Absauganlage. Links im Bild ist der Spänebunker mit der Rohrzuführung zu sehen. Zirkusse, die in Osnabrück gastierten, waren dankbare Abnehmer des Sägemehls. " Da fielen dann auch mal ein paar Freikarten für uns ab", erinnert sich Ilse Zeiss. Unvergessen sind ihr auch Einkaufstouren, die sie in einem klapprigen Ford ohne Heizung unternahm. Mitgenommene Wärmflaschen halfen im Winter, die Tagesfahrt nach Korbach im Waldecker Land zu überstehen. Dort verhandelte man mit der Forstverwaltung über das beste Stammholz für das Osnabrücker Rathaus.

Bildtexte:
Holzlagerplatz der Firma Sander im Jahr 1952. Im Hintergrund sind Karmann-Werksgebäude nördlich der Neulandstraße zu sehen.

Das hohe Gebäude des Karmann-Presswerks (jetzt Volkswagen Osnabrück) ist geblieben, ansonsten erinnert nichts mehr an die Situation von 1952.
Familienarchiv Zeiss/ Joachim Dierks.
Autor:
Joachim Dierks


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