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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Ungeliebte Bahnpläne und Kellner-Wut
Zwischenüberschrift:
Im Dezember 1912 regierten Vorfreude und Protest
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Vor hundert Jahren war es nicht anders als heute: Kinder drückten sich die Nasen platt an den Schaufenstern der Geschäfte, die vor Weihnachten die Neuigkeiten aus den Spielwaren-Manufakturen in die Auslagen gestellt hatten. Am Nikolaiort wetteiferten zwei namhafte Häuser um die Gunst der Kinder und ihrer zahlenden Eltern: Carl Schäffer und Simon Wertheim.

In ganzseitigen Annoncen priesen sie ihre Angebote an: Eisenbahnen " mit prima Uhrfederwerk", feinste Dampfmaschinen und Transmissionen, Laubsägekästen und die Original-Anker-Steinbaukästen sprachen mehr die Knaben an, während Puppenwagen mit " apart gekleideten Puppen", Ziegenbockwagen, Kinderkochherde und " Charakter-Babys" etwas für die Mädchen waren. Ganz neu aus Nürnberg: Hunde und Schafe als " Trippel-Trappel-Tiere", die das Laufen " täuschend echt" nachahmten. Bei den Plüschtieren gab es neben Hunden und Katzen auch Bären und " Affen in großer Auswahl". Zu den Klassikern gehörten die " echten Fellschaukelpferde", Trompeten, Trommeln und Korkenknall-Gewehre, Bleisoldaten und " Lineol-Soldaten von unbegrenzter Haltbarkeit". Für das Weihnachtszimmer: Baumfüße aus " Gußeisen extra schwer", Lamettagirlanden und " vereiste Tannenzapfen".

Bei den Kellnern rumorte es zu jener Zeit. Willy Prechelt als zweiter Vorsitzender des Deutschen Kellnerbundes im Bezirk Osnabrück beschwerte sich in einem Leserbrief, dass die hiesigen evangelischen Kirchen keinen einzigen Weihnachtsgottesdienst anböten, an dem Kellner teilnehmen könnten. " Sind wir armen Angestellten im Hotel- und Restaurationsbetriebe denn nicht wert, auch Gottes Wort zu hören? Wird verlangt, daß wir Heiden werden sollen und ausscheiden aus der Landeskirche?" Prechelt wünschte sich einen Gottesdienst am Heiligabend um Mitternacht, wenn die Betriebe geschlossen hatten. " Wie schön wäre es, wenn in der Kirche die Tannenbäume brennen und der Chor des Deutschen Kellnerbundes Stille Nacht′ anstimmen könnte!"

Pastor Friedrich Grußendorf aus Eversburg, damals Inhaber der vierten Pfarrstelle an St. Marien, bat zum Weihnachtsfest freundlichst um einige Gaben für Bedürftige, " am besten noch brauchbare Kleidungsstücke aller Art, auch Anzüge für Männer und Knaben". Der Küster in der Turmstraße sei bereit, sie in Empfang zu nehmen.

" Rechts gehen!", ermahnte das " Osnabrücker Tageblatt" seine Leser: Die Tage vor Weihnachten brächten erfahrungsgemäß einen bedeutend stärkeren Straßenverkehr mit sich. Man könne sich nur freuen, wenn die Schaufenster-Dekorationen Interesse erweckten. Aber " manchen unliebsamen Zusammenstößen und manchem Herabdrängen der Passanten vom Trottoir" könne vorgebeugt werden, wenn das Wort " Rechts gehen!" gerade vor Weihnachten befolgt würde. In anderen Städten von der Größe Osnabrücks habe dieses Gebot längst Geltung.

Die " Dammschüttung zwischen dem Hauptbahnhofe und dem Hasetore" erregte den Unwillen mancher Leserbriefschreiber. Die Stadt von dem " eisernen Ring" mit den zahllosen niveaugleichen Bahnübergängen zu befreien, werde zwar wohl von jedermann gewünscht, aber doch bitte nicht durch einen Damm! Der würde das Stadtbild verunstalten und die anstelle der Plan-Übergänge vorgesehenen Unterführungen würden " außerordentlich nachteilig auf den sich immer mehr entwickelnden Verkehr einwirken." Aktivisten riefen zu Protestversammlungen auf. Ein Alternativprojekt stellte die Zeitung mit Skizze vor: Die Ost-West-Strecke Löhne–Rheine sollte durch eine Umgehungsbahn um die Stadt herumgeleitet werden. In Eversburg abzweigend, so der Vorschlag, sollte die Strecke über den Stichkanal nördlich am Gertrudenberg vorbei den Hauptbahnhof erreichen, und zwar den heutigen oberen Bahnsteig der Nord-Süd-Strecke. Die Fortsetzung der Umgehung wäre dann bei Lüstringen wieder in die Ost-West-Strecke gemündet. Dadurch würde der " Etagen-Bahnhof mit all seinen Nachteilen für das Publikum und für die Bahnverwaltung" ebenso wie die Dammstrecke durch die Stadt entbehrlich. Diese Alternativstrecke wäre einen Kilometer länger als die bestehende über den Hasetorbahnhof und " würde sich in der Neuanlage wohl nicht teurer stellen als die kostbare, 25 Meter breite Dammschüttung", hieß es. Durchgesetzt hat sich diese Idee nicht. Während des Zweiten Weltkriegs war allerdings eine ähnliche Umgehungsbahn gebaut worden, um den oft bombardierten Hauptbahnhof umfahren zu können, sie wurde nach dem Krieg aber demontiert.

" Wildschützen" hatten die Osnabrücker Hütte im Kärntner Großelendtal heimgesucht. Die Wilderer zertrümmerten Einrichtungsgegenstände, stahlen Holzvorräte und verursachten " in Ausübung ihres verbrecherischen Treibens" weiteren Schaden dadurch, dass sie Fenster und Türen schlecht verschlossen und in der Folge Wetterschäden eintraten. Trotzdem war die Sektion Osnabrück des Alpenvereins einigermaßen zufrieden mit dem Saisonverlauf. 416 Übernachtungsgäste suchten die Hütte zwischen dem 26. Juni und dem 6. September 1912 auf, als die Bewirtschaftung wegen schlechten Wetters vorzeitig abgebrochen werden musste.

Wegen der " überaus ungünstigen Witterungsverhältnisse" im Herbst gewährte der Vereinsvorstand dem Pächter Josef Klampferer die erbetene Pachtermäßigung. Die hier erwähnte Hütte in Holzbauweise wurde übrigens im Winter 1928/ 29 durch eine Lawine komplett zerstört. Sie befand sich dort, wo heute der Hubschrauber-Landeplatz ist. Die neue Osnabrücker Hütte wurde 1931 in Steinbauweise 100 Meter entfernt errichtet.

Bildtexte:
Blick aus der Hasestraße in Richtung Bahnstrecke Rheine–Löhne, die noch zu ebener Erde verläuft. Gegen die Pläne, sie auf einen Damm zu heben, protestierten Bürger.

Puppen-Plattform: Das Schaufenster des Kunstgewerbehauses Carl Schäffer ist zu Weihnachten 1916 mit dem beliebten Spielzeug geschmückt.

Fotos:
Rudolf Lichtenberg, aus: Rolf Spilker, Lichtenberg Bilder einer Stadt/ Firmenarchiv Schäffer
Autor:
Joachim Dierks


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