User Online: 3 | Timeout: 22:54Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Überschrift:
Kaffeehaus, Zigarren und Kung-Fu
Zwischenüberschrift:
Das Haus Bramscher Straße 245 hat sich in hundert Jahren kaum verändert
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Nicht viel ist von der Bramscher Straße nördlich der Haster Mühle geblieben, wie es einmal war. Wenn unsere Urgroßeltern heute die vierspurig ausgebaute und mit Neben-Fahrbahnen bestückte Autobahnzubringerstraße entlangwandern würden, hätten sie sicherlich große Orientierungsprobleme. Mit einer Ausnahme: Der stattliche Gebäudekomplex gegenüber der Einmündung der Bramstraße wäre ihnen sehr vertraut.

Denn er hat die vergangenen hundert Jahre kaum verändert überstanden. Die Ansichtskarte aus der Zeit um 1910 eröffnet den Blick aus der Bramstraße auf das Haus Haste Nr. 100, heute Bramscher Straße 245. Franz Hafkemeyer hatte es als Gaststätte und Wohnhaus für seine große Familie errichtet. Der linke Giebel ist in Fachwerk-Optik gestaltet, die Erker-Ausbauten kunstvoll bedacht. Der rechte, vorspringende Giebel ist ebenfalls mit Schnitzwerk hervorgehoben und repräsentiert einen gehobenen Architektur-Anspruch, wie er in der noch bis 1940 selbstständigen Landgemeinde Haste keineswegs Standard war.

Während Franz Hafkemeyer im " Lindenhof" Kaffee und wohl auch andere anregende Getränke ausschenkte, drehte Wilhelm Diersmann ein paar Häuser weiter an der Bramstraße Zigarren. Obwohl er einige Arbeit an Heimarbeiter außer Haus abgab, wurde die Bramstraße Nr. 61 als Produktionsstätte zu eng. 1921 erwarb Wilhelm Diersmann von der Gemeinde Haste, die zwischenzeitlich Eigentümerin geworden war, den Komplex an der Bramscher Straße. Hier konnte er die Zigarrenfabrikation ausbauen. Im vormaligen Saal der Gaststätte auf der rechten Seite fanden bis zu 35 Beschäftigte Arbeit. Die Zigarren-Sortierungen hörten auf die Namen " Hansa", " Lloyd" und " Brasil".

Wilhelm Diersmanns Enkel, der heute in Rulle lebende 73-jährige Otto Bange, erinnert sich an die Nachkriegszeit, als er als Ferienkind häufig aushelfen durfte, den Tabak zu zerbröseln und die Pressen zu bedienen. Noch bis in die frühen 1950er-Jahre lief die Produktion weiter. Otto ging zum Schlachter Schöpper über die Straße, brachte ihm Kautabak und bekam im Tausch eine Wurst dafür. Wenn bei Osterhaus oder Riemann die Haster Vereine ihre großen Feste feierten, ging Otto mit dem Bauchladen herum und bot die Produkte seines Großvaters an. Die Haster Bauern griffen zu den besseren Sorten, für die Jüngeren gab es die " Fehlfarben".

Die historische Aufnahme verweist auf die Zeit vor der Zigarrenherstellung. Vor dem Haus hat sich eine Gruppe weiß gekleideter Herren für das Foto aufgebaut. Ob es sich dabei um Turner handelt, die den Saal der Gaststätte Lindenhof für ihre Übungen nutzten? Das würde nicht zu der Beschreibung der Anfänge des Haster Turnwesens passen, die der Autor Wido Spratte in seiner Stadtteil-Chronik liefert. Ihm zufolge trafen sich die Herren des " Athleten-Clubs Roland von 1901" im Hofhaus an der Bramscher Straße (südlich der Haster Mühle), später in der Gaststätte Riemann an der Netterheide. Gegen Turner spricht auch, dass diese für gewöhnlich die Hemden in die Hosen steckten und Gürtel trugen. Vielleicht kann uns ein Leser Aufklärung geben, was die weiß betuchten Herren zusammengeführt haben mag.

Sollten es doch Söhne des Turnvaters Jahn sein, könnte man auf die Idee kommen, eine Brücke der Kontinuität zur heutigen Nutzung zu schlagen. Denn heute residiert im rechten Gebäudeflügel unter dem Namen " Weng Chun Kung Fu" eine Schule für asiatische Kunst der Selbstverteidigung. Der linke Flügel wird von Mietparteien bewohnt. Von den ursprünglich zwei Linden, die den Eingang säumten, ist noch eine erhalten. Gastronomie mit deutsch klingenden Namen wie " Lindenhof" oder " Zur Linde" hat sich seit den 1990er-Jahren aus dem Gebäudekomplex verabschiedet. Dennoch braucht niemand hungern oder dursten. Denn gleich links daneben erhält man im Schnellrestaurant " Efem 2" Super-Döner mit einer Doppelportion Grillfleisch. Die gegenüberliegenden Eckgastronomien sind fest in griechischer Hand: links der " Imbiss Athen", rechts die " Taverne Mykonos" ganz sicher alles Beweise für die Weltoffenheit der Hasteraner.
Bildtexte:
Als die " alte Tabakfabrik" lebt dieses Gebäude an der Bramscher Straße für viele Hasteraner fort. Doch um 1910 war die Hausnummer 245 noch ein Kaffeehaus.
Postkarte aus der Sammlung
Helmut Riecken
Der gleiche Blick aus der Bramstraße: Der stattliche Gebäudekomplex hat sich kaum verändert.
Foto:
Joachim Dierks
Autor:
Joachim Dierks


Anfang der Liste Ende der Liste