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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Eine neue Karriere für den alten Adelssitz
Zwischenüberschrift:
Im Krieg zerstört: Das Fürstenberghaus gehörte zu den schönsten Renaissance-Bauten in Osnabrück
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Wenn dieses Haus heute noch stünde, würde es uns in schönen bunten Fotos aus den Postkartenständern der Andenken-Läden anlachen. Und zwar aus den Fächern ganz oben, gleich hinter Rathaus und Dom. Das Fürstenberg′sche Haus, nach späteren Eigentümern auch als Haus von Biegeleben oder Haus Deppen bezeichnet, galt als der bedeutendste Renaissancebau Osnabrücks. Es stand von 1611 bis 1945 an der Johannisstraße 70.

Die Neustadt etwa zwischen St. Johann und St. Katharinen war im späten Mittelalter eine bevorzugte Wohngegend für die damalige Prominenz. Adelshöfe waren seit dem 15. Jahrhundert in Osnabrück stark verbreitet, vor dem Bau des Fürstbischöflichen Schlosses vornehmlich an Kommenderie-, Gold- und Süsterstraße, später in Schlossnähe an Haken-, Klub- oder Seminarstraße. Noch um 1800 nahmen sie ein Sechstel des gesamten Stadtgebiets ein. Warum die Häufung gerade in der Neustadt? Ganz einfach, weil da noch Platz war. Weiter nördlich, in der Altstadt, wären die teils großen und prächtigen Anwesen nicht oder nur zu sehr viel höheren Kosten unterzubringen gewesen. Im Rathaus sah man die Ausbreitung des Adels mit gemischten Gefühlen. Sicherlich verliehen die Gebäude der Stadt Bedeutung und Ansehen. Andererseits war der Adelsbesitz von Pflichten wie Steuerzahlung, Befestigungs- und Wachdiensten befreit. Die Stadt hatte Arbeit damit, aber es brachte ihr nichts ein.

Als Gotthard von Fürstenberg (1547 bis 1617) sich das Grundstück an der Ecke von Johannisstraße und Kamp Straße (so hieß die heutige Seminarstraße bis 1902) vor 1611 sicherte, gab es das Osnabrücker Schloss noch gar nicht. Fürstbischof Philipp Sigismund von Braunschweig-Wolfenbüttel residierte auf der Iburg. Fürstenberg war mit 65 Jahren ein arrivierter Mann. Er war schon 1586 von Bischof Bernhard Waldeck, dem Vorgänger Philipp Sigismunds, zum Bischöflichen Rat und Kanzler ernannt worden. Über drei Jahrzehnte diente er den Landesherren als geschickt agierender Verwaltungschef, der die Finanzverwaltung und Ämterordnung auf eine " moderne" Grundlage stellte, die noch lange in der Neuzeit Bestand hatte.

Für 2000 Reichstaler ließ Fürstenberg das Stadtpalais errichten. Die gelungene Architektur legt Zeugnis ab von Wohlstand und gesellschaftlicher Stellung Fürstenbergs, der sich die Tochter des Neustadt-Bürgermeisters zur Frau genommen hatte. Museumsdirektorin Eva Berger nimmt an, dass Fürstenberg keinen " namenlosen" Architekten beauftragte, sondern einen versierten Baumeister wie etwa den mit dem Bremer Rathaus hervorgetretenen Lüder von Bentheim. Dafür sprächen der kunstvoll gestaltete Giebel, der reich verzierte Fenstererker zur Johannisstraße und der stattliche Standerker zur Seminarstraße.

Schmiere im Hinterhaus

Nach dem Tod des Kanzlers ging das Anwesen an den Freiherrn Caspar Ferdinand von Biegeleben aus Limbergen (heute Neuenkirchen bei Bramsche). Bis ins 19. Jahrhundert blieb es im Besitz der Familie. 1899 erwarb der Kaufmann Gerhard Deppen den Komplex. Das Haus war damals etwas " anrüchig", weil im Hinterhaus Wagenschmiere hergestellt wurde und im Nebenhaus eine Fellhandlung ebenfalls intensive Gerüche verbreitete. Gerhard Deppen, der Urgroßvater des heutigen Geschäftsführers gleichen Namens, ließ sich nicht abschrecken. Das schicke neue Haus schien ihn zu beflügeln. Er verdoppelte den Umsatz in Jahresfrist und beschaffte ein erstes Pferdegespann für die Auslieferung von Schaufenstern, Spiegeln und geschliffenen Platten. Er ließ das spitzbogige Einfahrtstor für seine Glaserei erweitern.

Im Erdgeschoss des Vorderhauses richtete Deppen ein Ladenlokal ein, das er an den Möbelhändler Fränkel vermietete. Aus dem ehemaligen Stadtpalais war ein Geschäftshaus geworden, das man an die neuen Nutzungen anpasste. Als Lichtenberg nach 1939 das hier gezeigte Foto knipste, war gerade die frisch gegründete Buchhandlung H. Th. Wenner eingezogen. Im Erkerzimmer zur Seminarstraße gab es als Novum für Osnabrück eine " Jugendbücherstube". Sie war mit blauen Schleiflackmöbeln peppig eingerichtet. Im zweiten Schaufenster von rechts wird der 1939 erstmals herausgegebene " Auto-Baedeker" angepriesen. Das war aber nicht die einzige Werbemaßnahme. In der Wenner-Firmengeschichte ist nachzulesen, dass der Buchhändler damals allen Osnabrücker Bürgern mit Telefonanschluss eine Baedeker-Werbekarte zuschickte. Um Streuverluste zu vermeiden, hatte er darauf gesetzt, dass Auto-Besitzer auch über einen Telefonanschluss verfügten.

Palmsonntag 1945, nur zehn Tage, bevor die Briten einmarschierten, wurde das Haus bei einem der schwersten Luftangriff auf die Stadt zerstört. Einem Wunder gleich blieb die Schaufassade unversehrt stehen. Als man sie sichern wollte, um das Gebäude später einmal wieder aufzubauen, stürzte sie plötzlich ein. Sprengarbeiten auf der anderen Straßenseite hatten Bodenerschütterungen ausgelöst, denen das fragile Fassadenwerk nicht standhielt.

Nach dem Krieg entstand auf dem Eckgrundstück ein schlichter viergeschossiger Zweckbau. Das Erdgeschoss nahm der Drogeriemarkt " Seifen-Platz", später " Ihr Platz", ein. Für das Unternehmen war dieser Standort nahe der Firmenzentrale und in der Stadtmitte so etwas wie eine Vorzeige-Filiale, in der sich neue Sortimente und Warenpräsentationen ausprobieren ließen.

Doch diese Ära ist nun auch schon Vergangenheit. Der Investor mfi hat das Eckhaus gekauft, um einen der Eingänge zum geplanten Neumarkt-Center hierhin zu legen. Dies ist das Ergebnis der jüngsten Planänderungen, die mfi vornehmen musste, nachdem die L+ T-Inhaberfamilie Rauschen drei Häuser in der Nachbarschaft gekauft hatte.

Bildtexte:
Der schlichte Nachkriegsbau beherbergte zuletzt eine Ihr-Platz-Filiale. Hier soll ein Eingang zum neuen Neumarkt-Center entstehen.
Das Haus Fürstenberg an der Johannisstraße, Ecke Seminarstraße, zählte zu den bedeutendsten Bauwerken der Weserrenaissance in der Stadt. Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme (nach 1939) gehörte es dem Glashändler Deppen.

Fotos:
Klaus Lindemann, Rudolf Lichtenberg jr.
Autor:
Joachim Dierks


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