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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Wo Oma und Opa schwofen gingen
Zwischenüberschrift:
Das Schweizerhaus an der Rheiner Landstraße war ein beliebtes Ausflugslokal
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Bei dem Wort " Schweiz" denken wir nicht nur an das Land Wilhelm Tells, sondern auch an die davon abgeleiteten zahlreichen " Schweizen" in landschaftlich reizvollen Regionen. Man denke an die Holsteinische Schweiz und die Borgloher Schweiz. In Deutschland soll es 67 Schweizen geben, weltweit sogar 191, bis hin zur " Neuseeländischen Schweiz". Da nimmt es nicht wunder, dass vielerorts auch " Schweizerhäuser" anzutreffen sind, zumeist an topografisch herausragenden Orten und im ländlich-romantisierenden (Fachwerk-) Stil errichtet.

Das Osnabrücker Schweizerhaus stand von 1907 bis 1988 im heutigen Stadtteil Weststadt an der Rheiner Landstraße, die vor 1943 noch Lengericher Straße hieß. Fritz Feldmann baute die " Restauration und Gartenwirtschaft" an der Flanke des Hügels zwischen Westerberg und Haunhorstberg, von wo aus man eine schöne Aussicht auf die Stadt hatte und hinaus in die Natur von Dütetal, Haken- und Heger Holz wandern konnte.

Vielleicht spekulierte Feldmann auch schon darauf, dass die Straßenbahn einmal bis vor seine Haustür fahren würde. Das war vor 1927 noch nicht der Fall, da war am Straßenbahndepot Lotter Straße Endstation. Um dem geneigten städtischen Publikum den Weg an seine Kaffeetische zu erleichtern, holte es der Wirt zu verabredeten Zeiten persönlich mit der Kutsche vom Heger Tor ab.

Freilich konnte man auch zu Fuß gehen, woran Walter Schaefer mit einem kleinen Gedicht erinnerte: " Es stand damals am Kirchenkampe/ die allerletzte Straßenlampe,/ denn hier war einst die Stadt zu Ende./ Durch Gärten und durch Waldgelände/ führte ein Sandweg geradeaus/ bis hin direkt zum Schweizerhaus." Ob die Sonne über dem Schweizerhaus länger und heller schien als anderswo in der Stadt ist nicht überliefert. Jedenfalls kam Fritz Feldmann auf die Idee, im rückwärtigen Garten, da wo heute die Mehrfamilienhäuser Rheiner Landstraße 142 bis 144 stehen, das " Erste Osnabrücker Licht- & Luft-Bad" einzurichten. Streng nach Geschlechtern getrennt, konnte man sich dort mehr oder weniger entkleidet auf 1800 Quadratmetern dem sanft fächelnden Wind und den wärmenden Sonnenstrahlen hingeben.

Vielleicht wegen eines gewissen Draufgängertums war Fritz Feldmann unter dem Spitznamen " Blücher" bekannt. Auf jeden Fall besaß er unternehmerischen Mut. Schon 1908 erweiterte er das Stammhaus um eine erste Veranda. Mehrere Anbauten folgten über die Jahre, nicht zuletzt der große Saal und Schießstände im Garten.

Umsatzbringende Vereine band er geschickt an sein Haus. Der Musikverein, die Jäger und die Bürgerschützen luden regelmäßig zum Tanz ins Schweizerhaus. Im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die Wehrmacht einen Teil des Hauses.

1949 begannen für das Schweizerhaus neue Blüte-Jahre. Die geschundene Bevölkerung war nach den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit süchtig nach geselligen Feiern, Tanz und Unterhaltung. Der erste Sportpresseball fand auf dem Parkett des Schweizerhaus-Saales statt, als Vorläufer der später in der Stadthalle und zuletzt im Theater gefeierten Großveranstaltungen. Im September 1950 hielten das Osnabrücker Tageblatt und der ADAC das erste Osnabrücker Seifenkistenrennen vor dem Schweizerhaus ab. Der obere Teil der Rheiner Landstraße wurde einen Sonntag lang für die 200 jungen Rennfahrer gesperrt.

In den 1970er-Jahren hatte sich das Geschäftsmodell der Gartenwirtschaften an Ausfallstraßen in Stadtrandlage überholt. Das klassische Publikum blieb aus. 1976 zog ein neues, jüngeres ein. Die Diskothek " Hyde Park" wurde ein beliebter Anlaufpunkt für nicht-konforme Jugendliche aus dem ganzen nordwestdeutschen Raum. In gleichem Maße sank " der Park" in der Gunst des " Establishments". Es vermutete darin eine Drogenhöhle. Anwohner protestierten gegen den Lärm. Schon 1979 verfügte die Stadt die Schließung. Damit waren die Betreiber und ihre Stammgäste nicht einverstanden, zumal kein Ersatz-Standort in Sicht war. Juristische Auseinandersetzungen zogen sich bis 1983 hin, als die Stadt schließlich den Bau gewaltsam räumen ließ. Die folgenden Krawalle schafften es bis in die ARD-Tagesschau.

Die Stadt erwarb das Erbbaurecht auf dem Grundstück. Während der " Hyde Park" zum Fürstenauer Weg umgezogen war und dort zunächst in einem Zirkuszelt, dann in einem Massivbau wieder zu einem beliebten Treff der Punk-Rock-Szene wurde, ließ die Stadt 1988 die heruntergekommene Bausubstanz des ehemaligen Schweizerhauses abreißen.

Der Bereich ist städtebaulich noch ungeordnet. Man findet heute dort verwildertes Grünland mit überwucherten Steinschutthalden noch vom Abriss vor.

Bildtexte:
Das Schweizerhaus an der heutigen Rheiner Landstraße um 1926. Postkarte aus der Sammlung Helmut Riecken.
Die alten Torpfosten stehen noch, sonst ist vom Schweizerhaus nichts mehr übrig geblieben. Eine Grünbrache erstreckt sich an der Rheiner Landstraße 142/ 144.

Sammlung:
Helmut Riecken

Foto:
Dierks.
Autor:
Joachim Dierks
Themenlisten:


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