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NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
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Das Schinkel-Gefühl.
Zwischenüberschrift:
Der Stadtteil, der mit dem Stahl wuchs – Vielseitig und herzlich.
Artikel:
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Originaltext:
Osnabrück. Schinkel ist mit seinen 13 300 Einwohnern der bevölkerungsreichste Stadtteil Osnabrücks hinter der Wüste und Schölerberg. Gleichzeitig steht Schinkel auch für ein Gefühl, meinen viele, die dort wohnen. Für welches? Das ist schwer zu sagen.

Schinkel ist ein unfassbarer Stadtteil. Es gibt nicht das eine Schinkelgefühl, das sich greifen und mit wenigen Sätzen beschreiben lässt. Es gibt Dutzende, vielleicht Hunderte. Vermutlich sogar Tausende, für jeden der 13 300 Bürger eines. Aber es gibt einen Weg, nur einen halben Kilometer lang, der den Wanderer ahnen lässt, was Schinkel ist. Er muss allerdings an einem Mittwochvormittag gegangen werden, sonst funktioniert es nicht.

Dieser Weg beginnt am Stadion, das still und grau wirkt ohne das Gedränge und die Gesänge, ohne das Raunen und Brausen, und er endet vor der Pauluskirche, die Bäume und Häuser überragt und deren spitzer Turm sich an diesem Augusttag in einen Himmel zu bohren scheint, dessen Farben die Grundlage für die Trikots von Blau-Weiß Schinkel gewesen sein könnten.

Auf den 500 Metern zwischen Stadion und Kirche liegen die Kita und die Kreuzschule, die Schützen- und die Kreuzstraße, der Ebertplatz und weil Mittwoch ist der Wochenmarkt. Ein halber Kilometer voller Tradition, Neuanfänge, Verbindungslinien und Treffpunkten von jungen und alten Menschen. Mag sein, dass dort nicht das Herz Schinkels schlägt, weil es ein solches nicht gibt, aber immerhin pulsiert es hier und jetzt.

Früher war Schinkel greifbar, geradezu handfest. Schinkel war Stahl und Rauch. Schinkel war Eisenbahn und Eisengießerei. Dieses Schinkel wuchs in den 1870er-Jahren. 1864 war die Bevölkerung in dem damals noch eigenständigen Ort nach einer Choleraepidemie auf 814 gesunken. Vier Jahre später begann der Bau der Eisenbahnstrecke zwischen Venlo und Hamburg, und Osnabrück wurde zum Knotenpunkt. Dann eröffneten die ersten Stahlwerke: 1868 Klöckner, 1876 die Eisengießerei Ortmann und 1882 Rawie. Arbeiter siedelten sich in Schinkel an. Flächen gab es in der damals ländlich geprägten Gemeinde genug. Ende 1900 wohnten 4700 Menschen in Schinkel, 1908 waren es bereits mehr als 10 000. Neben den Fabrikarbeitern etablierten sich zahlreiche Kleinunternehmer wie Handwerker und Händler. Am 1. April 1914 gemeindete Osnabrück Schinkel ein. Aus der Gemeinde wurde ein Stadtteil.

Bomben und Bunker

Es folgten Schulen, Freibad, Arbeitsamt und eine Post. Dann kam der Zweite Weltkrieg und mit ihm die Zeit der Bomben und der Bunker.

Rudi Mewes hat die Zeit als Jugendlicher miterlebt, hat Angst gehabt und manchmal mit seinen Freunden im Bunker die verbotene Musik gehört und getanzt.

Mewes sitzt im Sessel seines Wohnzimmers, während er von damals erzählt. Vor ihm auf dem Tisch steht ein leeres Glas, und darauf liegt ein Bierdeckel. Mithilfe dieser Konstruktion hat Mewes soeben " Stein ab" erklärt. Ein Wurfspiel, das sie in seiner Kindheit auf dem Feldweg zwischen der Bäckerei Tepe und dem Kohlegeschäft Entrup gespielt hatten. Später, als das Rollschuhfahren modern wurde, da spielten die Kinder Hockey vor der Pauluskirche. " Da haben die sich Knüppel aus dem Wald geholt und dann ..." Statt den Satz fortzusetzen fuchtelt Mewes mit einem Holzlineal in der Luft rum, als flöge da ein Hockeypuck durch die Luft. Meist aber hätten sie Fußball gespielt. Sechs gegen sechs oder sieben gegen sieben, Tiefstraße gegen Tannenburgstraße, immer mit Puschen. " Denn einer mit Lederschuhen, der hätte ja ganz anders durchhauen können", sagt Mewes. Während die Kinder kickten, saßen die Mütter mit Kissen unter den Ellenbogen im Fensterrahmen, klönten über die Straße hinweg miteinander und schauten den Kindern zu. Das Fernsehen des kleinen Mannes, nennt Mewes das.

In den 60er- und 70er-Jahren kamen dann die richtigen Fernseher. Die im Krieg zerbombte Industrie lief wieder und zwar so gut, dass Arbeiter hermussten. Sie kamen in Wellen aus Griechenland, Italien und Portugal. Später dann aus der Türkei und dem damaligen Jugoslawien.

Es war die Zeit der Spitznamen, der Schorses, Fitten und Heinis, in der niemand " Sie", sondern alle " Du" waren, als jeder jeden kannte, entweder von der Schicht oder vom Feierabend-Pils bei Hüggelmeyer, Sommer oder im Roten Hahn, bei Welling in der Dicken Eiche oder einer der anderen Kneipen, an deren Stelle heute Dönerläden, Pizzabuden und Sportwettbüros getreten sind.

" Heute ist doch auf der Straße nach 20 Uhr nichts mehr los", sagt Carsten Friderici, Vorsitzender des Bürgervereins Schinkel. Der Stadtteil hat sich verändert, das Lebensgefühl sei ein anderes geworden. Schinkel sei weg vom reinen Arbeiterquartier, es sei vielseitiger geworden, sagt Friderici, die Integration gut gelungen. Und auch wenn es weniger Treffpunkte gebe als früher, sei noch immer ein spezielles Schinkelflair vorhanden. Nur lasse sich das nicht so leicht beschreiben. Jedenfalls werde in Schinkel noch immer schneller geduzt als anderswo, sagt Friderici und dann nach einem Moment des Überlegens: " Schinkel, das ist irgendwie ein Gefühl und wie man miteinander umgeht. Mit Herzlichkeit."

Bildtexte:

Tor zum Schinkel: Eisenbahnbrücke Buersche Straße.

Buntes Treiben auf dem Wochenmarkt an der Ebertallee.

Die Tannenburgstraße ist eine der markanten Durchgangsstraßen in Schinkel.

Der Ostbunker ist seit Jahren ein Jugendzentrum.

Fotos:
Michael Schiffbänker/ Klaus Lindemann
Autor:
Michael Schiffbänker


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