User Online: 1 | Timeout: 00:54Uhr ⟳ | Ihre Anmerkungen | NUSO-Archiv | Info | Auswahl | Ende | AAA  Mobil →
NUSO-Archiv - Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Umweltgeschichtliches Zeitungsarchiv für Osnabrück
Datensätze des Ergebnis
Suche: Auswahl zeigen
Treffer:1
Sortierungen:
Anfang der Liste Ende der Liste
1. 
(Korrektur)Anmerkung zu einem Zeitungsartikel per email Dieses Objekt in Ihre Merkliste aufnehmen (Cookies erlauben!)
Erscheinungsdatum:
aus Zeitung:
Inhalt:
Überschrift:
Ein Paradies mit schauriger Vergangenheit.
Zwischenüberschrift:
Einmal um den Pudding: Die Nachbarn am Knochenhof sind eine eingeschworene Gemeinschaft
Artikel:
Kleinbild
Originaltext:
Osnabrück. Ein dunkles Kapitel der Osnabrücker Historie schlägt derjenige auf, der in der Geschichte des Knochenhofs wühlt. Vor mehr als 250 Jahren wurden dort die Gebeine von Gehenkten beigesetzt, die in der Nähe ihr Leben am Galgen ließen. Diejenigen, die heute in der Siedlung Am Knochenhof leben, fühlen sich dort trotz dieser gruseligen Geschichte sehr wohl. Sie haben keine schlechten Träume und werden auch nicht von den Gespenstern der Vergangenheit verfolgt. Im Gegenteil: Die Nachbarn fühlen sich in ihrer Gemeinschaft so wohl, dass sie sogar Zugezogene aufnehmen.

Die Herren des Schlosses Wulften besaßen vor einigen Jahrhunderten die Gerichtsbarkeit über Sutthausen und Holzhausen. Sie haben über Leben und Tod entschieden. Die Delinquenten sollen in der Nähe der Hüttenbahn hingerichtet und lange Zeit dort hängen gelassen worden sein, um als Abschreckung zu wirken. Die Gehenkten wurden dann auf dem Knochenhof beigesetzt, da sie nicht auf einem geweihten Friedhof begraben werden durften.

Diejenigen, die den Gruselfilm " Poltergeist" gesehen haben, haben eine Vorstellung davon, was passiert, wenn eine Siedlung auf einem Friedhof errichtet wird: Irgendwann kriechen die Toten aus ihren Gräbern und erobern sich ihr altes Terrain zurück.

Das ist im Knochenhof (noch) nicht passiert. Alle Bewohner sind quietschfidel. Zum Ortstermin trifft sich die Nachbarschaft vor dem Haus von Waltraud Hagedorn. Sie holt Bierzeltgarnituren aus der Garage, Kaffee und Gebäck stehen auf dem Tisch, Helmut Hagedorn bringt eine gefüllte Kühltasche mit Bier aus dem Haus. Eigentlich kann das Gespräch beginnen. " Hol ma Renate", ruft jemand. " Und Oma Leni muss auch mit aufs Foto", sagt ein anderer. Es wird schnell klar: Die Leute vom Knochenhof achten aufeinander. Und sie feiern viel miteinander: runde Geburtstage, den 1. Mai, Silberhochzeiten, Straßenfeste oder auch mal ganz spontan.

14 Familien wohnen im Knochenhof, zählt die Gemeinschaft durch. Die ersten Siedler sind Ende der 1920er-Jahre in die Straße gezogen, die heute kurz vor der Stadtgrenze liegt. Die Großeltern von Renate Schlattmann waren die ersten Anwohner. Der heute 75-jährige Herbert Boberg ist als kleines Kind mit seinen Eltern etwas später dorthin gezogen. Er lebt seit 1939 dort.

Die 27-jährige Carina Hagedorn wohnt im Haus mit der Nummer 1. Es soll auch das erste Haus gewesen sein, das am Knochenhof gebaut wurde. Sie ist dort aufgewachsen. Die Diplom-Ingenieurin für Freiraumplanung nennt als ihren Beruf Gärtnerin. Sie hat studiert und hat die Welt außerhalb Sutthau sens kennengelernt, sagt sie augenzwinkernd. " Ich war in Schinkel, Haste und am Schölerberg", sagt sie. Doch irgendwann ist sie zurückgekehrt. " Hier ist es am schönsten." Die ländliche Umgebung sei Inspiration für ihre Tätigkeit, meint sie.

Viele Bewohner des Knochenhofs gehen nicht weg von dort. Manche heiraten sogar in der Nachbarschaft. " Das ist alles Inzucht hier", sagt Dietmar Böhme und lacht sich ins Fäustchen. Der 64-Jährige ist " adoptiert worden", wie er sagt. Er wohnt in der Nähe, am Gröbelweg. Für seinen Spruch bekommt er verbale Klassenkeile. " Wenn er was Falsches sagt, fliegt er raus", feixt Ruth Kleine-Huster. Böhme knickt ein: " Die sind alle nett hier vorbehaltlos." Beate Wienninger steht ihm bei: " Dietmar ist immer ehrlich", sagt sie und kann sich die kleine Anspielung nicht verkneifen: " Bis auf die Knochen", fügt sie an.

Auch wenn den Knochenhof eine blutrünstige Vergangenheit umweht und er für die Delinquenten der Vorhof zur Hölle war für die Kinder ist die Siedlung ein Paradies. Der 13-jährige Simon Kleine-Huster und sein ein Jahr älterer Kumpel Justus Wienninger erzählen begeistert: " Wir können in jedem Garten spielen, ohne zu fragen." Auf dem Spielplan stehen dann " Räuber und Gendarm" oder " Verstecken". Das machen Justus und Simon noch, obwohl sie das Teenageralter schon erreicht haben. " Hier bleibt man länger Kind", sagt Beate Wienninger.

Obwohl die Nachbarschaft eine eingeschworene Gemeinschaft ist, sind Neulinge willkommen und werden schnell integriert. Iris Hagedorn vermutet, dass die Häuser in der Straße gerade wegen der guten Nachbarschaft begehrt sind. An einem Wohnhaus wird momentan gebaut. Im August will die Familie einziehen. Sie seien schon in die Gemeinschaft integriert worden, sagen die Alteingesessenen. Von der blutigen Vergangenheit haben sie aber noch nichts erzählt.

Bildtexte:

Ihre gute Gemeinschaft pflegen die Anlieger des Knochenhofs. Sie achten aufeinander und feiern miteinander.

Foto:
Hermann Pentermann

Autor:
Thomas Wübker


Anfang der Liste Ende der Liste